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Giftiger Dienstag

STD – wie ist die Resistenzsituation?

<p class="article-intro">Die Resistenzsituation bei sexuell übertragbaren Erkrankungen ist sehr unterschiedlich. So gibt es etwa bei Gonokokken international eine bedenkliche Zunahme von Resistenzen, während der Syphiliserreger bis heute empfindlich auf Penicillin G geblieben ist. Mycoplasma genitalium ist ein „neuer“ Erreger, und auch die Skabies nimmt in Österreich zu.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Resistenzprobleme gibt es auch auf dem Gebiet der sexuell &uuml;bertragbaren Erkrankungen (STD), wie Dr. Claudia Heller- Vitouch, Pr&auml;sidentin der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Sexually Transmitted Diseases und dermatologische Mikrobiologie (&Ouml;GSTD), bei einem Giftigen Dienstag erl&auml;uterte.</p> <h2>Gonorrh&ouml;</h2> <p>Laut Daten des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sind im Jahr 2016 75 349 F&auml;lle von Gonorrh&ouml; in 27 europ&auml;ischen Staaten aufgetreten. Das ergibt eine durchschnittliche Rate von 18,8 pro 100 000 Einwohner; M&auml;nner, die Sex mit M&auml;nnern haben (MSM), sind hier stark &uuml;berrepr&auml;sentiert: Auf diese Gruppe entfallen 46 % aller Gonorrh&ouml;f&auml;lle. Die Gonorrh&ouml;raten sind allerdings in verschiedenen europ&auml;ischen L&auml;ndern sehr unterschiedlich. (&Ouml;sterreich meldet seit 2014 keine Gonorrh&ouml;f&auml;lle mehr an das ECDC.)<br /> Derzeit treten, laut Zahlen des Gesundheitsministeriums, in &Ouml;sterreich j&auml;hrlich zwischen 1200 und 1300 Gonorrh&ouml;f&auml;lle auf, davon ein Gro&szlig;teil in Wien (es besteht jedoch keine Meldepflicht, lediglich eine Meldeempfehlung).<br /> Was die Resistenzsituation angeht, so gibt es einige L&auml;nder, in denen Gonokokken noch keine Resistenzen gegen Cefixim aufweisen (Schweden, Irland, Baltikum, Portugal, Griechenland); in den meisten L&auml;ndern, darunter auch &Ouml;sterreich, liegt die Resistenzrate unter 5 % , aber in einigen L&auml;ndern (Deutschland, Polen, Belgien, Ungarn, Kroatien) sind bereits &ge;5 % aller Gonokokkenst&auml;mme Cefixim-resistent.<br /> H&ouml;here Resistenzraten finden sich gegen Azithromycin: In einer Reihe von L&auml;ndern liegt die Resistenzrate &ge;5 % , in &Ouml;sterreich derzeit noch unter 5 % . Im Gegensatz dazu sind die Resistenzen gegen Ceftriaxon gesunken: 2016 konnte in Europa kein Fall einer Ceftriaxon-Resistenz bei Gonokokken nachgewiesen werden.<br /> Derzeit wird in &Ouml;sterreich zur Therapie einer Gonorrh&ouml; die Kombination von 500mg Ceftriaxon (i.m. oder i.v.) plus 1,5g Azithromycin oral (beides als Einzeldosis) empfohlen. Keinesfalls zur Therapie der Gonorrh&ouml; geeignet sind Chinolone (es sei denn, die Empfindlichkeit ist mittels Antibiogramm nachgewiesen).<br /> Besorgniserregend sind allerdings Berichte &uuml;ber &bdquo;extensively drug resistant&ldquo; (XDR) Gonokokken, die nur noch gegen wenige &ndash; im extremen Einzelfall gegen gar keine &ndash; Antibiotika empfindlich sind. Solche F&auml;lle sind gl&uuml;cklicherweise in &Ouml;sterreich noch nicht aufgetreten.</p> <h2>Syphilis</h2> <p>Die Syphilis zeigt seit Anfang des Jahrhunderts in &Ouml;sterreich (und anderswo in Europa sowie in den USA) einen un&uuml;bersehbaren Anstieg, wobei dieser Anstieg haupts&auml;chlich M&auml;nner betrifft.<br /> Auch hier spielen MSM eine bedeutende Rolle &ndash; laut US-Zahlen aus dem Jahr 2017 liegt der MSM-Anteil unter den Syphiliserkrankten bei mindestens 52 % (Abb. 1).<br /> Aber auch die Rate von Syphilis bei Frauen und damit auch jene der kongenitalen Syphilis steigt in den USA an. &bdquo;Das Syphilisscreening in der Schwangerschaft darf deshalb nicht aufgegeben werden&ldquo;, forderte Heller-Vitouch.<br /> Die Standardtherapie bei Syphilis ist nach wie vor Benzathin-Penicillin G (7,2 Millionen IE, aufgeteilt auf drei Einzeldosen i.m., die in w&ouml;chentlichem Abstand verabreicht werden). <em>Treponema pallidum</em> hat &uuml;ber mehrere Jahrzehnte keine Resistenzen gegen Penicillin G entwickelt. Allerdings gibt es immer wieder Verf&uuml;gbarkeitsprobleme bei Benzathin-Penicillin. Gewisse Ersatzpr&auml;parate aus dem Ausland k&ouml;nnen hier helfen &ndash; dabei ist jedoch auf die Dosierung zu achten.<br /> Eine aktuelle Studie (Antonio MB et al., AIDS 2019) zeigt, dass Doxycyclin eine sinnvolle Alternative zu Benzathin-Penicillin sein kann. Im Gegensatz dazu ist Azithromycin keine Alternative, weil insbesondere im asiatischen Raum, aber auch in Europa hohe Resistenzraten vorliegen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s12_abb1.jpg" alt="" width="550" height="314" /></p> <h2>Mycoplasma genitalium</h2> <p>Dieser Erreger wurde 1980 erstmals isoliert. Laut aktuellen Studiendaten ergaben sich folgende Pr&auml;valenzzahlen von <em>Mycoplasma genitalium:</em> 1,3 % in hoch entwickelten und 3,9 % in niedrig entwickelten L&auml;ndern, 0,8 % bei Schwangeren, 3,2 % bei MSM, 15,9 % bei weiblichen Sexarbeiterinnen und zwischen 4 % und 38 % bei Patientinnen und Patienten von STDKliniken.<br />Das klinische Spektrum bei Infektionen mit diesem Erreger &auml;hnelt jenem von <em>Chlamydia trachomatis:</em> Urethritis, Zervizitis (einschlie&szlig;lich bis zu den Ovarien aufsteigender Infektionen mit der Folge einer Tubenverklebung) und auch Proktitis sind m&ouml;glich. Sehr h&auml;ufig kann die Infektion, vor allem bei Frauen, allerdings auch v&ouml;llig symptomlos verlaufen.<br />Ein allgemeines Screening auf <em>Mycoplasma genitalium</em> wird zurzeit nicht empfohlen, sehr wohl gescreent werden sollten aber Risikogruppen. &bdquo;Und nat&uuml;rlich sollte dieser Erreger auch differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden, besonders auch bei therapieresistenten urogenitalen Beschwerden&ldquo;, forderte Heller-Vitouch. Ein routinem&auml;&szlig;ig einsetzbarer DNA-Nachweistest ist seit Kurzem erh&auml;ltlich (wird allerdings von der Sozialversicherung nicht bezahlt).<br />Die Resistenzproblematik bei <em>Mycoplasma genitalium</em> ist erheblich. So wurden aus Gro&szlig;britannien und Australien 40 bis 50 % Resistenzen gegen Azithromycin gemeldet. 12 % der St&auml;mme entwickeln erst nach einem Azithromycin-Single-Shot &ndash; also unter der Therapie &ndash; eine Azithromycin- Resistenz. Und auch kombinierte Resistenzen gegen Makrolide und Fluorchinolone wurden berichtet (8,6 % in der Asien/Pazifik-Region).<br />In &Ouml;sterreich wird Azithromycin derzeit noch als Therapie der Wahl empfohlen, allerdings als prolongiertes Therapieschema (500mg am Tag 1, 250mg an den Tagen 2&ndash;5), alternativ dazu Josamycin 3x 500mg &uuml;ber 10 Tage. Therapie der zweiten Wahl ist Moxifloxacin (das jedoch bei komplizierten Infektionen mit <em>M. genitalium</em> erste Wahl ist), 400mg einmal t&auml;glich &uuml;ber 7 bis 10 (bei komplizierten Infektionen 14) Tage; als Drittlinientherapie kommen Doxycyclin oder Pristamycin infrage.</p> <h2>Skabies</h2> <p>Weltweit sind etwa 204 Millionen Menschen von Skabies betroffen. In &Ouml;sterreich ist es in den letzten Jahren zu einem erheblichen Anstieg von Skabiesf&auml;llen gekommen. &Auml;hnliche Anstiege werden auch aus Deutschland und den USA gemeldet.<br /> F&uuml;r Skabies gibt es eine Reihe von Risikogruppen:<br /> <em>Kinder</em> sind eine untersch&auml;tzte Infektionsquelle mit einer tendenziell h&ouml;heren Skabiespr&auml;valenz, als sie sich bei Erwachsenen findet. Die Skabies ist bei Kindern h&auml;ufig milbenreich, sie wird oft unzureichend behandelt (Gesicht und Capillitium m&uuml;ssen hier mitbehandelt werden!), es kommt schnell wieder zu intensiverem K&ouml;rperkontakt und somit zu potenzieller Reinfestation.<br /> <em>Immunsupprimierte und immobile &auml;ltere Personen</em> weisen ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r eine Scabies crustosa auf; in entsprechenden Einrichtungen kann es zu Ausbr&uuml;chen kommen.<br /> <em>Risikogruppen f&uuml;r sexuell &uuml;bertragbare Erkrankungen</em> sind auch Risikogruppen f&uuml;r Skabies, da es durch intensiven K&ouml;rperkontakt h&auml;ufig zu &Uuml;bertragungen kommt.<br /> Bei <em>Migranten und Schutzsuchenden</em> muss das Thema Skabies differenziert diskutiert werden. Eine massive Zunahme von Skabiesinfektionen im Rahmen von Fl&uuml;chtlingsbewegungen ist f&uuml;r Europa nur f&uuml;r die Zeit der beiden Weltkriege belegbar; damals herrschten jedoch hygienische Bedingungen, die mit den heutigen nicht vergleichbar sind. Zwar kommen viele Schutzsuchende, darunter auch viele Kinder, aus L&auml;ndern mit erh&ouml;hter Skabiespr&auml;valenz, und in Fl&uuml;chtlingseinrichtungen herrscht auch eine hohe Personendichte. Daraus eine erh&ouml;hte Skabiesgef&auml;hrdung f&uuml;r die einheimische Bev&ouml;lkerung abzuleiten, ist jedoch deshalb falsch, weil der f&uuml;r eine &Uuml;bertragung notwendige intensive Hautkontakt in den seltensten F&auml;llen vorliegt.<br /> Ob die erh&ouml;hte Skabiesinzidenz in &Ouml;sterreich mit Ver&auml;nderungen in einer oder mehreren Risikogruppen zu tun hat, kann vermutet, jedoch derzeit nicht belegt werden.<br /> M&ouml;gliche Gr&uuml;nde f&uuml;r Therapieversagen sind fehlerhafte Anwendung der Permethrincreme (z.B. zu kurze Einwirkzeit, Aussparung des Kopfes bei Kleinkindern) oder Reinfestation. Resistenzen gegen Permethrin sind prinzipiell m&ouml;glich, konnten bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Da bei extern angewendeten Therapien h&auml;ufig Complianceprobleme bestehen, kann bei Therapieversagen Ivermectin zur peroralen Einnahme verwendet werden. Dieses muss f&uuml;r optimale Wirksamkeit auf n&uuml;chternen Magen und zwei Stunden vor der n&auml;chsten Nahrungsaufnahme eingenommen werden. Eine gleichzeitige Resistenz der Skabieserreger sowohl gegen Permethrin als auch gegen Ivermectin ist extrem unwahrscheinlich.<br /> Einen umfassenden &Uuml;berblick &uuml;ber die Therapie und teilweise auch die Diagnostik geben die neuen, 2018 erschienenen &Ouml;GSTD-Leitlinien, die von der Homepage der Gesellschaft (<a href="http://www.oegstd.at" target="_blank">www.oegstd.at</a>) heruntergeladen werden k&ouml;nnen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: „Geschlechtskrankheiten – Herausforderung durch Resistenz“, Giftiger Dienstag mit Dr. Claudia Heller-Vitouch, 29. Jänner 2019, Wien </p>
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