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STD – wie ist die Resistenzsituation?
Jatros
30
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28.03.2019
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<p class="article-intro">Die Resistenzsituation bei sexuell übertragbaren Erkrankungen ist sehr unterschiedlich. So gibt es etwa bei Gonokokken international eine bedenkliche Zunahme von Resistenzen, während der Syphiliserreger bis heute empfindlich auf Penicillin G geblieben ist. Mycoplasma genitalium ist ein „neuer“ Erreger, und auch die Skabies nimmt in Österreich zu.</p>
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<p class="article-content"><p>Resistenzprobleme gibt es auch auf dem Gebiet der sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), wie Dr. Claudia Heller- Vitouch, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Sexually Transmitted Diseases und dermatologische Mikrobiologie (ÖGSTD), bei einem Giftigen Dienstag erläuterte.</p> <h2>Gonorrhö</h2> <p>Laut Daten des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sind im Jahr 2016 75 349 Fälle von Gonorrhö in 27 europäischen Staaten aufgetreten. Das ergibt eine durchschnittliche Rate von 18,8 pro 100 000 Einwohner; Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sind hier stark überrepräsentiert: Auf diese Gruppe entfallen 46 % aller Gonorrhöfälle. Die Gonorrhöraten sind allerdings in verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich. (Österreich meldet seit 2014 keine Gonorrhöfälle mehr an das ECDC.)<br /> Derzeit treten, laut Zahlen des Gesundheitsministeriums, in Österreich jährlich zwischen 1200 und 1300 Gonorrhöfälle auf, davon ein Großteil in Wien (es besteht jedoch keine Meldepflicht, lediglich eine Meldeempfehlung).<br /> Was die Resistenzsituation angeht, so gibt es einige Länder, in denen Gonokokken noch keine Resistenzen gegen Cefixim aufweisen (Schweden, Irland, Baltikum, Portugal, Griechenland); in den meisten Ländern, darunter auch Österreich, liegt die Resistenzrate unter 5 % , aber in einigen Ländern (Deutschland, Polen, Belgien, Ungarn, Kroatien) sind bereits ≥5 % aller Gonokokkenstämme Cefixim-resistent.<br /> Höhere Resistenzraten finden sich gegen Azithromycin: In einer Reihe von Ländern liegt die Resistenzrate ≥5 % , in Österreich derzeit noch unter 5 % . Im Gegensatz dazu sind die Resistenzen gegen Ceftriaxon gesunken: 2016 konnte in Europa kein Fall einer Ceftriaxon-Resistenz bei Gonokokken nachgewiesen werden.<br /> Derzeit wird in Österreich zur Therapie einer Gonorrhö die Kombination von 500mg Ceftriaxon (i.m. oder i.v.) plus 1,5g Azithromycin oral (beides als Einzeldosis) empfohlen. Keinesfalls zur Therapie der Gonorrhö geeignet sind Chinolone (es sei denn, die Empfindlichkeit ist mittels Antibiogramm nachgewiesen).<br /> Besorgniserregend sind allerdings Berichte über „extensively drug resistant“ (XDR) Gonokokken, die nur noch gegen wenige – im extremen Einzelfall gegen gar keine – Antibiotika empfindlich sind. Solche Fälle sind glücklicherweise in Österreich noch nicht aufgetreten.</p> <h2>Syphilis</h2> <p>Die Syphilis zeigt seit Anfang des Jahrhunderts in Österreich (und anderswo in Europa sowie in den USA) einen unübersehbaren Anstieg, wobei dieser Anstieg hauptsächlich Männer betrifft.<br /> Auch hier spielen MSM eine bedeutende Rolle – laut US-Zahlen aus dem Jahr 2017 liegt der MSM-Anteil unter den Syphiliserkrankten bei mindestens 52 % (Abb. 1).<br /> Aber auch die Rate von Syphilis bei Frauen und damit auch jene der kongenitalen Syphilis steigt in den USA an. „Das Syphilisscreening in der Schwangerschaft darf deshalb nicht aufgegeben werden“, forderte Heller-Vitouch.<br /> Die Standardtherapie bei Syphilis ist nach wie vor Benzathin-Penicillin G (7,2 Millionen IE, aufgeteilt auf drei Einzeldosen i.m., die in wöchentlichem Abstand verabreicht werden). <em>Treponema pallidum</em> hat über mehrere Jahrzehnte keine Resistenzen gegen Penicillin G entwickelt. Allerdings gibt es immer wieder Verfügbarkeitsprobleme bei Benzathin-Penicillin. Gewisse Ersatzpräparate aus dem Ausland können hier helfen – dabei ist jedoch auf die Dosierung zu achten.<br /> Eine aktuelle Studie (Antonio MB et al., AIDS 2019) zeigt, dass Doxycyclin eine sinnvolle Alternative zu Benzathin-Penicillin sein kann. Im Gegensatz dazu ist Azithromycin keine Alternative, weil insbesondere im asiatischen Raum, aber auch in Europa hohe Resistenzraten vorliegen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s12_abb1.jpg" alt="" width="550" height="314" /></p> <h2>Mycoplasma genitalium</h2> <p>Dieser Erreger wurde 1980 erstmals isoliert. Laut aktuellen Studiendaten ergaben sich folgende Prävalenzzahlen von <em>Mycoplasma genitalium:</em> 1,3 % in hoch entwickelten und 3,9 % in niedrig entwickelten Ländern, 0,8 % bei Schwangeren, 3,2 % bei MSM, 15,9 % bei weiblichen Sexarbeiterinnen und zwischen 4 % und 38 % bei Patientinnen und Patienten von STDKliniken.<br />Das klinische Spektrum bei Infektionen mit diesem Erreger ähnelt jenem von <em>Chlamydia trachomatis:</em> Urethritis, Zervizitis (einschließlich bis zu den Ovarien aufsteigender Infektionen mit der Folge einer Tubenverklebung) und auch Proktitis sind möglich. Sehr häufig kann die Infektion, vor allem bei Frauen, allerdings auch völlig symptomlos verlaufen.<br />Ein allgemeines Screening auf <em>Mycoplasma genitalium</em> wird zurzeit nicht empfohlen, sehr wohl gescreent werden sollten aber Risikogruppen. „Und natürlich sollte dieser Erreger auch differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden, besonders auch bei therapieresistenten urogenitalen Beschwerden“, forderte Heller-Vitouch. Ein routinemäßig einsetzbarer DNA-Nachweistest ist seit Kurzem erhältlich (wird allerdings von der Sozialversicherung nicht bezahlt).<br />Die Resistenzproblematik bei <em>Mycoplasma genitalium</em> ist erheblich. So wurden aus Großbritannien und Australien 40 bis 50 % Resistenzen gegen Azithromycin gemeldet. 12 % der Stämme entwickeln erst nach einem Azithromycin-Single-Shot – also unter der Therapie – eine Azithromycin- Resistenz. Und auch kombinierte Resistenzen gegen Makrolide und Fluorchinolone wurden berichtet (8,6 % in der Asien/Pazifik-Region).<br />In Österreich wird Azithromycin derzeit noch als Therapie der Wahl empfohlen, allerdings als prolongiertes Therapieschema (500mg am Tag 1, 250mg an den Tagen 2–5), alternativ dazu Josamycin 3x 500mg über 10 Tage. Therapie der zweiten Wahl ist Moxifloxacin (das jedoch bei komplizierten Infektionen mit <em>M. genitalium</em> erste Wahl ist), 400mg einmal täglich über 7 bis 10 (bei komplizierten Infektionen 14) Tage; als Drittlinientherapie kommen Doxycyclin oder Pristamycin infrage.</p> <h2>Skabies</h2> <p>Weltweit sind etwa 204 Millionen Menschen von Skabies betroffen. In Österreich ist es in den letzten Jahren zu einem erheblichen Anstieg von Skabiesfällen gekommen. Ähnliche Anstiege werden auch aus Deutschland und den USA gemeldet.<br /> Für Skabies gibt es eine Reihe von Risikogruppen:<br /> <em>Kinder</em> sind eine unterschätzte Infektionsquelle mit einer tendenziell höheren Skabiesprävalenz, als sie sich bei Erwachsenen findet. Die Skabies ist bei Kindern häufig milbenreich, sie wird oft unzureichend behandelt (Gesicht und Capillitium müssen hier mitbehandelt werden!), es kommt schnell wieder zu intensiverem Körperkontakt und somit zu potenzieller Reinfestation.<br /> <em>Immunsupprimierte und immobile ältere Personen</em> weisen ein erhöhtes Risiko für eine Scabies crustosa auf; in entsprechenden Einrichtungen kann es zu Ausbrüchen kommen.<br /> <em>Risikogruppen für sexuell übertragbare Erkrankungen</em> sind auch Risikogruppen für Skabies, da es durch intensiven Körperkontakt häufig zu Übertragungen kommt.<br /> Bei <em>Migranten und Schutzsuchenden</em> muss das Thema Skabies differenziert diskutiert werden. Eine massive Zunahme von Skabiesinfektionen im Rahmen von Flüchtlingsbewegungen ist für Europa nur für die Zeit der beiden Weltkriege belegbar; damals herrschten jedoch hygienische Bedingungen, die mit den heutigen nicht vergleichbar sind. Zwar kommen viele Schutzsuchende, darunter auch viele Kinder, aus Ländern mit erhöhter Skabiesprävalenz, und in Flüchtlingseinrichtungen herrscht auch eine hohe Personendichte. Daraus eine erhöhte Skabiesgefährdung für die einheimische Bevölkerung abzuleiten, ist jedoch deshalb falsch, weil der für eine Übertragung notwendige intensive Hautkontakt in den seltensten Fällen vorliegt.<br /> Ob die erhöhte Skabiesinzidenz in Österreich mit Veränderungen in einer oder mehreren Risikogruppen zu tun hat, kann vermutet, jedoch derzeit nicht belegt werden.<br /> Mögliche Gründe für Therapieversagen sind fehlerhafte Anwendung der Permethrincreme (z.B. zu kurze Einwirkzeit, Aussparung des Kopfes bei Kleinkindern) oder Reinfestation. Resistenzen gegen Permethrin sind prinzipiell möglich, konnten bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Da bei extern angewendeten Therapien häufig Complianceprobleme bestehen, kann bei Therapieversagen Ivermectin zur peroralen Einnahme verwendet werden. Dieses muss für optimale Wirksamkeit auf nüchternen Magen und zwei Stunden vor der nächsten Nahrungsaufnahme eingenommen werden. Eine gleichzeitige Resistenz der Skabieserreger sowohl gegen Permethrin als auch gegen Ivermectin ist extrem unwahrscheinlich.<br /> Einen umfassenden Überblick über die Therapie und teilweise auch die Diagnostik geben die neuen, 2018 erschienenen ÖGSTD-Leitlinien, die von der Homepage der Gesellschaft (<a href="http://www.oegstd.at" target="_blank">www.oegstd.at</a>) heruntergeladen werden können.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „Geschlechtskrankheiten – Herausforderung durch Resistenz“,
Giftiger Dienstag mit Dr. Claudia Heller-Vitouch,
29. Jänner 2019, Wien
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