
Restless-Legs-Syndrom
Bericht:
Dr. Corina Ringsell
Redaktorin
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Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Welche Störungen dem RLS zugrunde liegen, welche Symptome es auslöst und wie Diagnostik und Therapie aussehen, erläuterte Dr. med. Sigrid von Manitius, Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Klinik für Neurologie und Psychosomatik, HOCH Health Ostschweiz, St. Gallen.
Keypoints
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Die Indikation zur medikamentösen Therapie wird durch die Beeinträchtigung der Lebens- und Schlafqualität bestimmt.
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Dopaminagonisten sollten so niedrig wie möglich dosiert werden, um einer Augmentation vorzubeugen.
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Levodopa nicht kontinuierlich geben, sondern nur intermittierend und/oder in der Diagnostik.
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Bei Augmentation oder Therapieversagen können Opioide eingesetzt werden.
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Cannabinoide, Magnesium und Benzodiazepine werden nicht empfohlen.
Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist eine häufige neurologische, sensomotorische Störung. In Europa leiden etwa 2–3% der Erwachsenen unter klinisch signifikanten Symptomen, die sich negativ auf Schlaf, Lebensqualität und Gesundheit der Betroffenen auswirken.1
Die Symptome richtig deuten: diagnostische Kriterien
Die Diagnostik fusst vor allem auf der Anamnese, der Familienanamnese und der klinisch-neurologischen Untersuchung. Dabei sollten andere pathologische Befunde, zum Beispiel eine Polyneuropathie, ausgeschlossen werden. Validierte Fragebögen für die alleinige RLS-Diagnostik werden derzeit nicht empfohlen. Im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens können jedoch Screeningfragebögen eingesetzt werden, sofern ein persönliches Gespräch Teil des diagnostischen Prozesses ist.2
Typischerweise berichten Patient:innen über unangenehme Gefühlsstörungen, vorwiegend in den Beinen, weniger in den Armen, die mit einem Bewegungsdrang verbunden sind, sich in Ruhe und am Abend verstärken und sich bei Bewegung bessern. Etwa 75% der Betroffenen leiden dadurch unter Ein- und Durchschlafstörungen.1 Neben diesen grunddiagnostischen Kriterien werden «assoziierte Charakteristika» herangezogen, um die Diagnose zu sichern. Dazu zählen unter anderem eine positive Familienanamnese, Alter und Geschlecht: So sind ab einem Alter von etwa 35 Jahren mehr Frauen als Männer betroffen (2:1), während es bei Kindern und Jugendlichen diesbezüglich keinen Unterschied gibt. Insgesamt sind Kinder und Jugendliche seltener betroffen.1
Der Beginn der Symptome ist unterschiedlich; bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese setzen sie früher ein. Der Verlauf ist langsam progredient; oft kommt es zur Ausbreitung der Beschwerden auf andere Körperregionen. Bei einem schweren RLS können sich die Symptome weiter in den Tag vorverlagern.1 Patient:innen berichteten dann, das Kribbeln in den Beinen setze schon ein, wenn sie sich nachmittags hinsetzten oder z.B. am Abend vor dem Fernseher entspannen wollten, erklärte von Manitius.
Weitere mögliche diagnostische Massnahmen sind eine Polysomnografie, die periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) aufzeichnet, und das Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie.1 «Ich empfehle den L-Dopa-Test nicht unbedingt, denn wir wollen eigentlich kein L-Dopa mehr geben», sagte die Neurologin. Die Polysomnografie sei auch nicht zwingend nötig, doch wenn die klinischen Befunde nicht eindeutig seien, könne es sinnvoll sein, die Patient:innen im Schlaflabor weiter zu untersuchen. Etwa 80–90% der Betroffenen zeigen ein PLMS, wobei mehr als 15 periodische Beinbewegungen pro Stunde als pathologisch gelten.2
Da andere Krankheiten, unter anderem Urämie, Polyneuropathie, Diabetes, Krankheiten der Schilddrüse oder ein Mangel an Vitamin B12, ein RLS verstärken können, sollten diese labordiagnostisch abgeklärt werden.2
Pathophysiologie noch nicht vollständig geklärt
Die konkrete Pathophysiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Man geht derzeit von einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem der zerebrale Eisen- und Dopaminstoffwechsel eine relevante Rolle spielt.2 So ist ein Eisenmangel im zentralen Nervensystem (ZNS) einer der am häufigsten beschriebenen pathophysiologischen Mechanismen bei RLS.2 Ein latenter Eisenmangel im Gehirn hemmt die Tyrosinhydroxylase, das zentrale Enzym der Dopaminsynthese. Als Folge entsteht eine Übererregbarkeit spinaler Bahnen. Daher gehört die Bestimmung des Ferritinwerts im Serum immer zur RLS-Diagnostik. Er sollte mindestens bei 75μg/l liegen. Ausserdem können die Transferrinsättigung und die Serumeisenwerte weitere Hinweise auf einen Eisenmangel geben.2 Eine positive Familienanamnese ist besonders bei frühem Beginn des RLS häufig, sie liegt bei 40–92%.2
Hinweise aus der Bildgebung
Untersuchungen von RLS-Patient:innen mit funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) zeigen eine im Vergleich zu Gesunden herabgesetzte Verbindung innerhalb des dopaminergen Netzwerks. Dies führt zu einer sensomotorischen Dysfunktion. Gleichzeitig kommt es als Gegenreaktion zu einer gesteigerten funktionellen Vernetzung bilateral im Thalamus einschliesslich der ventrolateralen, ventroanterioren und ventroposterioren lateralen Kerngebiete sowie des Pulvinars. Daraus resultiert eine Übererregung.3
Eine Studie hat auch ergeben, dass RLS-Patient:innen zudem oft weitere autonome Störungen aufweisen, unabhängig davon, ob PLMS, Schlaffragmentierung und Medikamente eine Rolle spielen. Diese Ergebnisse deuten auf eine globale autonome Dysfunktion bei RLS hin, die nicht nur das motorische System betrifft, sondern auch das autonome vegetative Nervensystem.4
Medikamente können das RLS verstärken
Neben bestimmten Krankheiten können auch verschiedene Medikamente ein RLS verschlimmern. Dazu gehören etwa Betablocker, trizyklische Antidepressiva oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).2 Da werde es oft tückisch, wenn ein:e Patient:in gleichzeitig an einer Depression leide oder Schlafstörungen habe, sagte von Manitius. Nehme die Person zum Beispiel schlafanstossende Antidepressiva wie Mirtazapin, dann könne dies das RLS verschlimmern. Daher lohne es sich, bei depressiven Patient:innen oder Menschen mit Schlafstörungen auch nach unruhigen Beinen zu fragen, erklärte sie.
Therapie: zuerst ans Eisen denken
Grundätzlich könne ein unkompliziertes RLS sehr gut von Hausärzt:innen behandelt werden. Wenn es aber schwierig werde, dann sei es hilfreich, die Betroffenen an eine Spezialambulanz zu überweisen, sagte von Manitius.
Nichtmedikamentöse Massnahmen
Für die Behandlung sei auch die Verhaltenstherapie wichtig, betonte die Neurologin. So sollten die Patient:innen regelmässige Schlafenszeiten einhalten.2 Dadurch entstehe der beste Schlafdruck, der sie dazu befähige, einzuschlafen. Eine weitere Empfehlung betreffe eine möglichst ausgewogene Ernährung. Zwar gebe es dazu keine guten Studien, aber eine mediterrane Kost sei möglicherweise hilfreich.
Medikamentöse Behandlung
Falls ein Eisenmangel vorliegt, sollte Eisen substituiert werden – oral oder bei Bedarf auch intravenös.2 Es könne zum Beispiel eine orale Eisenkur über 30 Tage in Kombination mit Vitamin C verordnet werden, sagte von Manitius. Sollte dies nicht ausreichen, sei eine Eiseninfusion (1x 1000mg oder 2x 500mg innerhalb von einer Woche) angezeigt. Persistiere das RLS auch nach der Eisensubstitution, dann müssten Medikamente eingesetzt werden.
Früher habe man eine Dauermedikation verordnet, die jede Nacht genommen wurde. Heute könne man auch intermittierend behandeln, indem ein Medikament nur genommen wird, wenn die Beschwerden besonders stark sind, erklärte die Referentin. Zur Verfügung stehen Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin), Alpha-2-Liganden (Gabapentin, Pregabalin) und Opioide (Oxycodon, Oxycodon/Naloxon).2
Während man früher stets mit den Dopaminagonisten begonnen habe, sei man heute zurückhaltender, da man eine Augmentation fürchte, also eine Verstärkung und Vorverlagerung der Symptome in den Tag hinein, sagte von Manitius. Daher sei es hilfreich, in manchen Fällen lieber mit Gabapentin oder Pregabalin zu starten, was allerdings eine off-label-Therapie bedeutet. Wichtig sei dann, die Dosis langsam zu steigern und bei Bedarf einen Dopaminagonisten (niedrig dosiert) dazuzugeben. Levodopa sollte möglichst nicht mehr eingesetzt werden, da es die höchste Augmentationsrate hat.2 In schweren Fällen und bei einer Augmentation können Opioide angewandt werden.2
Bei einer Augmentation sollte immer der Ferritinspiegel im Serum untersucht werden und bei Bedarf Eisen substituiert werden.2 Zudem werde empfohlen, die letzte dopaminerge Medikation zu reduzieren und die Medikamente auf mehrere Einnahmen zu verteilen, sagte die Neurologin.2
RLS in der Schwangerschaft
Häufig tritt in der Spätschwangerschaft ein RLS auf, das wieder verschwindet, aber später erneut auftritt. In der Schwangerschaft sind Dopaminagonisten, Gabapentin, Pregabalin und Z-Substanzen kontraindiziert. In dieser Zeit steht nur die Eisensubstitution zur Verfügung. Diese ist oft ohnehin sinnvoll, da der Eisenwert bei Schwangeren physiologisch bis zum dritten Trimenon auf bis zu 50% absinkt. Eine orale Eisengabe wird deshalb für alle Schwangeren (auch ohne RLS) mit Ferritinwerten <30μg/l empfohlen.2 Frauen mit RLS sollten ab einem Wert <75μg/l Eisen erhalten. Im ersten Trimenon ist ausschliesslich die orale Substitution möglich, erst danach kann die Gabe auch i.v. erfolgen.2
RLS bei Kindern und Jugendlichen
Im Kindes- und Jugendalter sollten Medikamene sehr zurückhaltend eingesetzt werden, erklärte von Manitius. Die Leitlinie empfiehlt die Eisensubstitution als einzige Therapie der Wahl.2 Keines der Medikamente für Erwachsene ist für Kinder offiziell zugelassen, eine Gabe wäre off-label. Medikamente, die das RLS verstärken können, zum Beispiel Citalopram, Mirtazepin oder trizyklische Antidepressiva, sollten vermieden werden.2
Diagnostische Kriterien für eine Augmentation:
Vorverlagerung des Symptombeginns der RLS-Beschwerden um ca. 2 Stunden
mögliche Ausbreitung der Symptome auf andere Körperteile
eine Zunahme der Intensität der Beschwerden seit dem Beginn der Therapie
eine Abnahme der Wirkung der dopaminergen Medikation
Quelle:
FOMF Update Refresher Allgemeine Innere Medizin, 21.–25. Januar 2025, Basel
Literatur:
1 Allen RP et al.: Sleep Med 2014; 15: 860-73 2 S2k-Leitlinie Restless Legs Syndrom (2022). AWMF-Reg.-Nr. 030-081 3 Kocar TD et al.: Ther Adv Neurol Disord 2020: 13: 1756286420941670 4 Chenini S et al.: Sleep Med 2021; 80: 30-8
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