Wundantisepsis

PVP-Jod – besser als sein Ruf

<p class="article-intro">2018 erschien das Update eines Konsensus zur Wundantisepsis, der weithin als Standard zu diesem Thema gilt. Allerdings, so der Dermatologe Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger, hat dieser Konsensus einen erheblichen Schönheitsfehler. Und das hat mit Jodophoren wie PVP-Jod zu tun, wie der Dermatologe im Gespräch mit JATROS erklärte.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Was st&ouml;rt Sie an diesem Konsensus?</strong><br /> <strong>F. Trautinger:</strong> Grunds&auml;tzlich ist es &auml;u&szlig;erst positiv, dass sich eine Expertengruppe des schwierigen Themas der Wundantisepsis angenommen hat. Auf dem Gebiet herrscht ja auch in der &Auml;rzteschaft durchaus eine Menge Unsicherheit.<br /> Auch ist es erfreulich, dass nun ein Update zu diesem Konsensus erschienen ist.<sup>1</sup> Bedenklich ist allerdings die Art und Weise, wie PVP-Jod in diesem Konsensus dargestellt und wie von seiner Verwendung abgeraten wird, denn das ist einfach nicht korrekt. Hier wird Literatur missinterpretiert.<sup>2</sup></p> <p><strong>K&ouml;nnen Sie das bitte n&auml;her ausf&uuml;hren?</strong><br /> <strong>F. Trautinger:</strong> Es geht vor allem um zwei Aspekte. Der erste Aspekt ist das behauptete allergene Potenzial von PVPJod, das meiner Meinung nach zu stark in den Vordergrund gestellt wird. Der Konsensus st&uuml;tzt sich hier ausschlie&szlig;lich auf eine kleine Studie mit 45 Patienten, von denen 20 % eine Allergie gegen PVP-Jod gehabt h&auml;tten.<sup>3</sup> Das ist das einzige Paper, das in diesem Zusammenhang im Konsensus zitiert wird. Es gibt aber eine F&uuml;lle von Daten aus gro&szlig;en Studien zu PVPJod, die zeigen, dass sein Sensibilisierungspotenzial gering ist und in jenem Bereich liegt, der f&uuml;r in der Wundantisepsis verwendete Substanzen allgemein akzeptiert wird. Die Aussage im Konsensus kann man daher so nicht stehen lassen.</p> <p><strong>Und der zweite Aspekt?</strong><br /> <strong>F. Trautinger:</strong> Der zweite Fehler in Bezug auf PVP-Jod ist ein offensichtlich &ndash; vermutlich irrt&uuml;mlich &ndash; falsches Zitat. Dabei geht es um die Conclusio eines systematischen Reviews aus den Niederlanden, der sich mit der Rolle von Jod in der Wundantisepsis auseinandersetzt.<sup>4</sup> Und diese wichtige zusammenfassende Empfehlung einer aufwendigen Literaturanalyse wird im gegenst&auml;ndlichen Konsensus falsch wiedergegeben, wenn es hei&szlig;t: &bdquo;PVP-Jod sollte in der Therapie chronischer Wunden nicht mehr verwendet werden.&ldquo; Das ist aber nicht das, was der holl&auml;ndische Review sagt. Dort steht vielmehr, dass es aufgrund der publizierten Daten keine Gr&uuml;nde gebe, auf PVP-Jod bei der Behandlung chronischer Wunden zu verzichten, also genau das Gegenteil!</p> <p><strong>Wie w&uuml;rden Sie selbst PVP-Jod zusammenfassend beurteilen?</strong><br /> <strong>F. Trautinger:</strong> Betrachtet man im Vergleich die wesentlichen Substanzen, die in der Wundantisepsis verwendet werden &ndash; Octenidin, Polyhexanid und PVP-Jod &ndash;, so stellt man fest, dass der gr&ouml;&szlig;te &bdquo;body of evidence&ldquo; f&uuml;r PVP-Jod vorhanden ist, sowohl was die Wirksamkeit als auch was die Vertr&auml;glichkeit und das Nebenwirkungspotenzial angeht. Das hat einfach damit zu tun, dass PVP-Jod von diesen drei Substanzen die &auml;lteste ist. F&uuml;r die j&uuml;ngeren Produkte gibt es vielleicht ein Zehntel der Literatur f&uuml;r PVP-Jod.<br /> F&uuml;r mich sind diese Substanzen etwa gleichwertig, keine ist grunds&auml;tzlich besser oder schlechter als die andere.</p> <p><strong>Wie kommt es Ihrer Meinung nach zu solchen Fehlbeurteilungen?</strong><br /> <strong>F. Trautinger:</strong> Das Gebiet der Behandlung chronischer Wunden leidet ein wenig unter etwas, was ich Mythenbildung nennen w&uuml;rde. Das liegt daran, dass es dazu recht wenige prospektive, kontrollierte Studien gibt. Einer dieser Mythen lautet, dass PVP-Jod die Wundheilung verz&ouml;gert.<br /> Hier kommen auch kommerzielle Interessen ins Spiel, denn diese Behauptung dient nicht zuletzt den Herstellern und Vertreibern neuerer Antiseptika. Leider hat die Community das zum Teil unkritisch aufgenommen, wobei ich keinem der Autoren des rezenten Konsensus kommerzielles Interesse unterstellen m&ouml;chte.<br /> Faktum ist, dass solche Mythen unser t&auml;gliches medizinisches Handeln beeinflussen und deshalb angesprochen und hinterfragt werden m&uuml;ssen. Konkret ist mein Fazit, dass PVP-Jod Patienten mit chronischen Wunden, die davon profitieren, nicht vorenthalten werden soll und dass bei sachgerechter Anwendung keine Bedenken bestehen.</p> <p><strong><em>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</em></strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kramer A et al.: Skin Pharmacology and Physiology 2018; 31(1): 28-58 <strong>2</strong> Trautinger F: Skin Pharmacol Physiol 2018; 31(5): 261 <strong>3</strong> Freise J et al.: J Eur Acad Dermatol Venereol 2008; 22(10): 1203-1207 <strong>4</strong> Vermeulen H et al.: J Hosp Infect 2010; 76(3): 191-199</p> </div> </p>
Back to top