Phytotherapie bei Zystitis
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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In manchen Fällen, nämlich bei unkomplizierter, häufig rezidivierender Zystitis bei prämenopausalen Frauen, kann auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden. In diesem Fall sind Phytotherapeutika eine rational begründete und sinnvolle Alternative. Worauf es dabei ankommt, erklärte Mag. Dr. Roxana Lebada, Pharmazeutin aus Wien.
Keypoints
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Phytotherapeutika sind bei nicht zwingender Indikation für ein Antibiotikum eine wichtige Alternative – sei es zur Selbstmedikation oder in Absprache mit dem Arzt.
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Es gibt eine große Menge an Arzneipflanzen, aber eher wenige als zugelassene bzw. registrierte Arzneimittel gelistete Präparate mit bestätigter Qualität und Wirkung.
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Daneben existieren Nahrungsergänzungsmittel sehr unterschiedlicher Qualität.
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Kompetente Beratung in der Apotheke ist wichtig.
Was pflanzliche Präparate aus der Apotheke betrifft, ist zwischen Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln zu unterscheiden. Phytopharmaka können Arznei-Tees, zugelassene („well-established use“, s. Kasten) oder registrierte Arzneispezialitäten („traditional use“, s.Kasten) sein. „Während Phytopharmaka dem Arzneimittelgesetz unterliegen, sind Nahrungsergänzungsmittel im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geregelt“, erklärte die Pharmazeutin Mag. Dr. Roxana Lebada, Leiterin der Rosen-Apotheke in Wien.
Definition der Phytotherapie
Phytotherapie ist definiert als Behandlung zur Heilung, Linderung und Prophylaxe von Krankheiten bis Befindlichkeitsstörungen durch Arzneipflanzen, deren Teile (z.B. Blätter) oder Bestandteile (z.B. ätherische Öle) sowie deren Zubereitungen (z.B. Extrakte). Die Phytotherapie ist somit Teil der naturwissenschaftlich begründeten Medizin und keine Alternativmedizin. Keine Phytotherapeutika sind chemisch isolierte Reinsubstanzen aus Pflanzen (z.B. Colchicin, Digitoxin, Morphin, Taxol u.v.a.) sowie synthetisch nachgebaute Pflanzeninhaltsstoffe (z.B. Acetylsalicylsäure).
Die Phytotherapie ist eine pleiotrope Therapie, weil es sich hier um komplexe Gemische mehrerer Inhaltsstoffe handelt, die – aus Sicht des Arzneimittelrechts – in ihrer Gesamtheit den wirksamen Bestandteil des Arzneimittels bilden. Anforderungen an pflanzliche Arzneidrogen betreffen Identität, Reinheit, Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Viele verschiedene Heilpflanzen
„Insgesamt gibt es circa 35 verschiedene Arzneipflanzen, die mehr oder weniger häufig bei Zystitis verwendet werden, von Eschenblättern über Selleriefrüchte bis zum Vogelknöterichkraut“, berichtete Lebada.
Laut S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie sind phytotherapeutische Maßnahmen vor allem bei prämenopausalen Frauen mit häufig rezidivierenden Harnwegsinfekten (HWI) zu empfehlen. Die Leitlinie schränkt ein, dass auch bei der akuten unkomplizierten Zystitis eine antibiotische Therapie empfohlen werden sollte, dass aber bei Patientinnen mit leichten bis mittelgradigen Beschwerden eine allein symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden kann.
Laut diesen Leitlinien haben in entsprechender Indikation eingesetzte Phytotherapeutika vor allem drei Wirkungen, nach denen sie sich auch einteilen lassen:
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Hemmung der bakteriellen Adhäsion
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Desinfektion
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Aquarese
Eine Hemmung der bakteriellen Adhäsion ist in vitro für Moosbeeren (besser bekannt als Cranberries) nachgewiesen, ebenso eine Hemmung der Biofilmbildung, eine antiinvasive Wirkung, eine Verhinderung der Expression von p-Fimbrien und eine Stimulation von Uromodulin. Die Inhaltsstoffe umfassen Proanthocyanidine, Polyphenole, Xyloglukan und Vitamin C. Die In-vivo-Studienergebnisse dazu sind jedoch widersprüchlich. In Österreich sind Cranberries nur als Nahrungsergänzungsmittel, nicht als Arzneimittel, erhältlich.
Bei Desinfizienzien gibt es laut S3-Leitlinie mehrere Optionen. Bärentraubenblätter enthalten als wichtigsten Wirkstoff Arbutin, ein Hydrochinonglykosid. Freies Hydrochinon wirkt antibakteriell. Bärentraubenblätter gibt es in Österreich in Arzneimittelform. Als Nebenwirkung können gastrointestinale Beschwerden sowie eine Grünfärbung des Harns auftreten.
Senföle oder Isothiocyanate haben antibakterielle, antimykotische und virustatische Wirkungen und sind im Brunnenkressekraut, im Kapuzinerkressekraut und in der Krenwurzel enthalten. Diese Pflanzen sind in Österreich – in Kombination mit anderen Pflanzen – in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten. Als Nebenwirkung können Schleimhautreizungen entstehen.
Adhäsionshemmer und Desinfizienzien können bei akuten oder rezidivierenden Beschwerden und auch während oder nach einer Antibiotikatherapie verabreicht werden.
Aquaretika fördern die Wasserausscheidung und führen damit zu einer Durchspülung der Blase. Tabelle 1 listet die in der S3-Leitlinie dazu angeführten Arzneipflanzen. Sinnvoll sind Aquaretika im frühen Stadium einer Zystitis bei Frauen, die zu wenig trinken, kontraindiziert sind sie bei Ödemen aufgrund von Herz- oder Nierenerkrankungen.
Tab. 1: Aquaretika laut S3-Leitlinie
Erstaunlicherweise wird in der S3-Leitlinie der Begriff „chinesische Kräuter“ nicht weiter spezifiziert. Auch die anderen in Tabelle 1 gelisteten Pflanzen haben zum Teil nicht nur aquaretische, sondern auch spasmolytische, analgetische, antiphlogistische und/oder antibakterielle Wirkungen.
„Verschiedene Pflanzen mit unterschiedlichen Wirkspektren können im Zusammenspiel effektiv sein und einen Multitarget-Effekt erzeugen“, führte die Pharmazeutin aus (Abb.1).
Abb. 1: Multitarget-Effekt (modifiziert nach Lebada R)
Was gibt es konkret?
Im Österreichischen Arzneibuch sind zwei Blasentees und drei harntreibende Tees, die jeweils aus drei bis vier unterschiedlichen pflanzlichen Inhaltsstoffen bestehen, aufgelistet. Sie können magistral hergestellt werden und sind auch erstattungsfähig. Darüber hinaus gibt drei weitere, gebrauchsfertig produzierte Tees, die als Phytopharmaka eine Vollzulassung besitzen („well-established use“, s. Kasten). Zusätzlich gibt es eine Reihe weiterer Blasentees, deren Zulassung auf der Kategorie des „traditional use“ (s.Kasten) beruht.
Aber auch als Dragees bzw. Tabletten sind Phytopharmaka gegen Zystitis erhältlich. Hier ist z.B. ein Kombinationspräparat aus Tausendguldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarin zu nennen, weiters die Kombination aus Bärentraubenblättern, Birkenblättern und Goldrutenkraut.
„Allgemein ist zu sagen, dass die Qualität bereits bei der Heilpflanze selbst beginnt, die unter kontrollierten und möglichst reproduzierbaren Bedingungen angebaut, gezüchtet und schließlich verarbeitet werden muss“, betonte Lebada.
Nahrungsergänzungsmittel
Zum Unterschied von Arzneimitteln sind Nahrungsergänzungsmittel als Verzehrprodukte zu betrachten. Irreführende und krankheitsbezogene Angaben dazu sind gesetzlich verboten, da es sich eben nicht um Arzneimittel handelt. Die Angaben auf den Verpackungen müssen der europäischen „Health Claim“-Verordnung folgen.
In dieser Kategorie erhältlich sind viele Cranberry- und Preiselbeerprodukte, die häufig auch in Kombination mit Extrakten aus Bärentrauben- oder Birkenblättern, Brunnenkresse oder Krenwurzel angeboten werden, nicht selten auch noch unter Zusatz von Vitaminen, Zink und anderem.
Dabei ist zu beachten, dass es bei solchen Nahrungsergänzungsmitteln große Qualitätsunterschiede gibt. Dies kann vor allem daspflanzliche Ausgangsmaterial, die Extraktangaben und die Konzentration pro Einzeldosis betreffen. Auch die Produktbeschreibungen variieren stark, ebenso die Preise. „Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, bei einem unbekannten Produkt die Herstellerfirma zu kontaktieren und nach Informationsmaterial und auch Studien zu fragen“, empfahl Lebada. „Wenn eine Firma auf solche Anfragen nicht oder negativ reagiert, ist Vorsicht geboten.“
Quelle:
Vortrag „Die pflanzlichen Therapiealternativen“ von
Literatur:
bei der Vortragenden
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