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Giftiger Dienstag

Migration und Infektion

<p class="article-intro">Der inzwischen emeritierte Doyen der Wiener Infektiologie, em. Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Graninger, sprach bei einem „Giftigen Dienstag“ über bekannte und weniger bekannte Zusammenhänge zwischen Migrationsbewegungen und Infektionskrankheiten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine Infektion kann sich in einer Population sprunghaft ausbreiten, wenn keine Immunit&auml;t dagegen besteht. Dazu gen&uuml;gt unter Umst&auml;nden ein einziger Infizierter, der in Kontakt mit einer Population ger&auml;t, die vorher nie mit dem betreffenden Erreger infiziert war&ldquo;, erkl&auml;rte em. Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Graninger, fr&uuml;herer Leiter der klinischen Abteilung f&uuml;r Infektionen und Tropenmedizin, MedUni Wien.<br /><br /> So wurden z.B. die Masern im M&auml;rz 1846 von einem Tischler, der zuvor Kontakt mit einem Masernkranken gehabt hatte, auf die F&auml;r&ouml;er-Inseln gebracht. Er nahm an einem Volksfest teil und l&ouml;ste damit eine Masernepidemie aus, an der nahezu alle der 6000 Inselbewohner erkrankten; die meisten starben. Nur jene 92 Menschen, die die vorhergegangene Masernepidemie 1781 &uuml;berlebt hatten, blieben von einer neuerlichen Erkrankung verschont, da sie lebenslang immun waren.<br /><br /> &bdquo;Die Masern spielten &uuml;brigens auch im amerikanischen Sezessionskrieg eine Rolle, in dem mehr Soldaten an Masern als an Verwundungen starben&ldquo;, fuhr Graninger fort.<br /><br /> Die geografische Ausbreitung von Infektionskrankheiten h&auml;ngt von einer Reihe von Faktoren ab, die in Tabelle 1 dargestellt sind.<br /><br /> Zum Thema Fl&uuml;chtlinge und Infektionskrankheiten stellte Graninger klar: &bdquo;Das &Uuml;bertragen von Infektionen durch Fl&uuml;chtlingsbewegungen, wie wir sie etwa 2015 hatten, spielt eine untergeordnete Rolle. Tats&auml;chlich sind Urlaubs- und Gesch&auml;ftsreisende, die Tropenkrankheiten mit nach Hause bringen, f&uuml;r uns das viel gr&ouml;&szlig;ere Problem!&ldquo;<br /><br /> &Ouml;kologische Ver&auml;nderungen wie etwa die Rodung riesiger Regenwaldfl&auml;chen f&uuml;r den Anbau von &Ouml;lpalmen, Soja oder anderem ver&auml;ndern das Klima und beeinflussen damit indirekt auch die Verbreitung von Krankheitserregern.<br /><br /> &bdquo;Ein spezielles Problem, das uns alle angeht, ist der in manchen L&auml;ndern exzessiv betriebene Antibiotikaabusus, also der falsche und &uuml;bertriebene Einsatz von Antibiotika&ldquo;, so der Infektiologe weiter. &bdquo;Das f&uuml;hrt weltweit zum Anstieg der Zahl von antibiotikaresistenten Bakterienst&auml;mmen und stellt uns vor das Problem, dass wir f&uuml;r manche Infektionen einfach keine wirksamen Antibiotika mehr haben.&ldquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s6_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="918" /></p> <h2>Die Pest &ndash; fr&uuml;her und heute</h2> <p>Schon in Gr&auml;bern aus der Bronzezeit wurden Pesterreger nachgewiesen. Im Mittelalter verheerten Pestepidemien Mitte des 14. Jahrhunderts ganze Landstriche. Diese d&uuml;rften nicht in Europa entstanden sein, sondern urspr&uuml;nglich in Asien, wo der Erreger zun&auml;chst in wild lebenden Nagetieren vorkam. Durch die mongolischen Eroberungsz&uuml;ge der &bdquo;Goldenen Horde&ldquo; kam die Pest zur&uuml;ck nach Europa (wo sie bereits in der Antike gew&uuml;tet hatte). Ab Mitte des 14. Jahrhunderts kann man von einer Pestpandemie sprechen &ndash; die Krankheit breitete sich bis nach Island und Norwegen aus.<br /><br /> In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand eine weitere Pestpandemie, die etwa 50 Jahre anhielt. 1994 kam es in Indien zu Pestausbr&uuml;chen, und auch heute ist der &bdquo;Schwarze Tod&ldquo; nicht ausgerottet. So kam es Anfang September 2017 in Madagaskar zu einem Pestausbruch, der bis Ende Oktober schon 120 Todesopfer gefordert hatte.<br /><br /> &bdquo;Anhand der Pest kann man die geografische Ausbreitung von Infektionen sehr gut studieren&ldquo;, betonte Graninger.<br /><br /> Eine Folge der Pestpandemie des 14. Jahrhunderts war die Einf&uuml;hrung der Quarant&auml;ne &ndash; die nach historischen Berichten entweder in Marseille oder in Venedig erstmals eingesetzt wurde (urspr&uuml;nglich zehn, dann 30 und schlie&szlig;lich, wie der Name sagt, 40 Tage Isolation von einlaufenden Schiffen und ihrer Besatzung, bevor ihr erlaubt wurde, an Land zu gehen). &bdquo;Quarant&auml;ne ist auch heute das Mittel der Wahl in Situationen, in denen keine Behandlung zur Verf&uuml;gung steht. Sie ist allerdings nur geeignet f&uuml;r bakterielle oder virale Infektionen mit kurzer Inkubationszeit und kurzem Verlauf, nicht jedoch f&uuml;r Erreger wie das HIV, CMV, EBV, Tuberkulose oder Syphilis&ldquo;, erkl&auml;rte Graninger.</p> <h2>Beispiel SARS</h2> <p>Das &bdquo;Severe Acute Respiratory Syndrome&ldquo;, kurz SARS, ist eine Infektionskrankheit, die im November 2002 das erste Mal in der chinesischen Provinz Guangdong beobachtet wurde. Die weltweite Ausbreitung begann, nachdem eine erkrankte Person aus Guangdong in einem Hotel in Hongkong abstieg. Dieses entwickelte sich zur Quelle f&uuml;r die Ausbreitung von SARS durch verschiedene Hotelg&auml;ste, u.a. nach Vietnam, Singapur, Irland, den USA und Kanada.<br /> &bdquo;SARS wurde relativ schnell einged&auml;mmt, obwohl es keine Therapie dagegen gibt. Dies gelang durch radikale Isolationsma&szlig;nahmen &ndash; mancherorts wurden ganze Krankenh&auml;user mit dem gesamten Personal unter Isolation gestellt&ldquo;, berichtete der Infektionsspezialist.<br /><br /> Tabelle 2 zeigt empfehlenswerte Screeninguntersuchungen. &bdquo;Von Bedeutung ist sicher die Untersuchung auf Wurmeier im Stuhl, da nahezu alle Migranten, fast unabh&auml;ngig von der Herkunft, einen Wurmbefall aufweisen&ldquo;, so Graninger abschlie&szlig;end.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s6_tab2.jpg" alt="" width="686" height="917" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: „Migration und Infektion“, Giftiger Dienstag mit Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Graninger, 30. Jänner 2018, Wien </p>
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