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ÖGIT-Konsensus

Konsensus zur Legionellenpneumonie erschienen

<p class="article-intro">Das Problem der Legionellenpneumonie hat sich aus dem Krankenhausbereich, in dem es weitgehend eingedämmt werden konnte, in den ambulanten Bereich verlagert. Den aktuellen Stand zu diesem Thema gibt ein von der ÖGIT zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) getragener Konsensus wieder. Im Folgenden die wichtigsten Punkte.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Steigende Inzidenz der Legionellenpneumonie zu verzeichnen, bei gleichzeitig sinkender Letalit&auml;t; 97 % aller F&auml;lle ambulant bzw. reiseassoziiert</li> <li>Wichtigste diagnostische Methoden: Kultur, PCR, Harnantigen- Test</li> <li>LP ist eine schwere, meldepflichtige Erkrankung, Letalit&auml;t von 10 % ; hohes Fieber h&auml;ufig, m&ouml;gliche Symptomatik von Durchfall und Verwirrtheit</li> <li>Therapie prim&auml;r mittels moderner Chinolone oder Makrolide; Tetrazykline als zweite Wahl; Therapiedauer von 7&ndash;10 Tagen</li> <li>Patientenspezifische Risikofaktoren: m&auml;nnliches Geschlecht, h&ouml;heres Lebensalter, Rauchen, Komorbidit&auml;ten und Reisen</li> <li>Umweltbedingte Risikofaktoren: Whirlpools, K&uuml;hlt&uuml;rme mit offenen Wassersystemen, Autowaschanlagen etc.; aerosolisierte Legionellen k&ouml;nnen kilometerweit &uuml;bertragen werden.</li> </ul> </div> <p>Legionellen sind strikt aerobe, keine Sporen bildende, bewegliche, gramnegative (aber in der Gramf&auml;rbung schlecht darstellbare) St&auml;bchen, die ein warmes, feuchtes Milieu bevorzugen. Sie kommen in der Natur in fast allen w&auml;ssrigen bzw. feuchten Umgebungen vor und verursachen in ihrem nat&uuml;rlichen &Ouml;kosystem in der Regel keinerlei Probleme. Es ist vielmehr der Mensch, der durch bestimmte Einrichtungen, die dem gesteigerten Komfort dienen, wie Warmwassersysteme, offene K&uuml;hlt&uuml;rme, Whirlwannen und &Auml;hnliches, die Vermehrung und Verbreitung beg&uuml;nstigt.<br /> Ausbr&uuml;che kommen vor; eine &Uuml;bertragung von Mensch zu Mensch ist nicht zu bef&uuml;rchten.<br /> Legionellen vermehren sich optimal bei Temperaturen zwischen 25 und 45&deg;C; sie &uuml;berleben aber auch 5&deg;C und kurzfristig bis zu 60&deg;C.<br /> Die Erreger besitzen ein duales Wirtssystem: Sie vermehren sich einerseits in frei lebenden Am&ouml;ben, andererseits in menschlichen Makrophagen. Infizierte Am&ouml;ben sind deshalb von Bedeutung, weil Legionellen spezielle Virulenzfaktoren, die sie f&uuml;r die Infektion des Menschen ben&ouml;tigen, erst bei intrazellul&auml;rer Vermehrung entwickeln.<br /> In Wasserverteilungssystemen bieten die stets vorhandenen Bel&auml;ge und Biofilme Legionellen mit ihren speziellen N&auml;hrstoffanspr&uuml;chen sowohl eine optimale Lebensgrundlage als auch einen gewissen Schutz vor chemischen Noxen wie Chlor. Ein spezielles Problem in &auml;lteren Geb&auml;uden, das nicht immer kausal gel&ouml;st werden kann, k&ouml;nnen Totleitungen sein. In Aerosolen enthaltene Legionellen k&ouml;nnen sich &uuml;ber gro&szlig;e Distanzen verbreiten.</p> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Die Inzidenz der Legionellenpneumonie (LP) ist in &Ouml;sterreich und auch weltweit gestiegen. Im Gegensatz dazu ist jedoch die Letalit&auml;t gesunken. Die Inzidenz nimmt mit dem Lebensalter zu, wobei Frauen in jedem Alter seltener betroffen sind als M&auml;nner.<br /> Tabelle 1 gibt einen &Uuml;berblick &uuml;ber die wichtigsten Risikofaktoren.<br /> Der Grund f&uuml;r den Anstieg d&uuml;rfte einerseits in einer vermehrten Diagnostik und neu eingef&uuml;hrter Meldepflicht liegen. Dar&uuml;ber hinaus k&ouml;nnte es auch einen Zusammenhang mit der Klimaver&auml;nderung geben. In besonders feuchten, warmen Sommern k&ouml;nnte das Durchfahren einer Pf&uuml;tze gen&uuml;gen, um gen&uuml;gend Wasser f&uuml;r eine Ansteckung zu aerosolisieren.<br /> Der Anteil der nosokomialen LP-F&auml;lle an der Gesamtzahl ist inzwischen durch gute Surveillance- und Hygienema&szlig;nahmen auf 3 % gesunken. Der Anstieg betrifft ausschlie&szlig;lich den ambulanten und reiseassoziierten Bereich.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Der diagnostische Goldstandard ist nach wie vor die Kultur aus Sekret, das aus dem unteren Respirationstrakt gewonnen wird. Die Sensitivit&auml;t variiert, die Spezifit&auml;t liegt nahe bei 100 % , ebenso der positive pr&auml;diktive Wert. Eine negative Kultur schlie&szlig;t eine LP nicht sicher aus; sie muss in Zusammenschau mit dem Ergebnis eines Harnantigentests interpretiert werden.<br /> Die klassische Kultur kann bis zu zehn Tage dauern, in der Regel kommt es nach drei bis f&uuml;nf Tagen zur Koloniebildung.<br /> PCR-basierte Verfahren haben den Vorteil, innerhalb von Stunden Ergebnisse zu liefern.<br /> Auch der Harnantigentest liefert rasche Ergebnisse und ist bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit f&uuml;r LP das Testverfahren der ersten Wahl. Ein negativer Harnantigentest sollte stets in Zusammenschau mit Kultur und molekularen Untersuchungen interpretiert werden.<br /> Die Legionellenserologie ist f&uuml;r den klinischen Alltag kaum von Bedeutung.</p> <h2>Klinik</h2> <p>Das klinische Bild einer Legionelleninfektion reicht von g&auml;nzlich asymptomatischen Verl&auml;ufen bis hin zu lebensgef&auml;hrlichen Situationen. Das sogenannte Pontiac-Fieber ist eine akute, fieberhafte, durch Legionellen hervorgerufene Erkrankung mit grippe&auml;hnlichen Symptomen ohne Pneumonie.<br /> Die klassische Trias der LP besteht aus Pneumonie, Durchfall und Verwirrtheit; Durchfall tritt bei 25&ndash;50 % , Verwirrtheit bei 20&ndash;35 % der LP-F&auml;lle auf. Die Inkubationszeit der LP liegt zwischen zwei und zehn Tagen. Neben Durchfall und Verwirrtheit (s. oben) treten h&auml;ufig Fieber &uuml;ber 39&deg;C und Husten auf. Die Letalit&auml;t der LP liegt bei 10 % . Die Erkrankung ist in &Ouml;sterreich (wie auch in Deutschland und der Schweiz) meldepflichtig.<br /> Um die Wahrscheinlichkeit einer LP abzusch&auml;tzen, wurde ein Legionellen-CAPScore entwickelt. Er besteht aus folgenden Parametern (ein Punkt pro Parameter):</p> <ul> <li>Temperatur &gt;39,4&deg;C</li> <li>Kein Sputum</li> <li>Natrium &lt;133mmol/l</li> <li>LDH &gt;225U/l</li> <li>CRP &gt;187mg/l</li> <li>Thrombozyten &lt;171G/l</li> </ul> <p>In einer Studie hatten Patienten mit einem Score von 0 oder 1 nur in 3 % eine Legionellenpneumonie, Patienten mit einem Score &ge;4 hingegen in 66 % . Eine Legionellendiagnostik ist vor allem ab einem Legionellen-CAP-Score &ge;4 sinnvoll.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Als antimikrobielle Optionen kommen drei Substanzgruppen infrage: Chinolone, Makrolide und Tetrazykline. Betalaktame scheiden aus, da sie keine Wirkung auf intrazellul&auml;re Erreger wie Legionella spp. entfalten. In einer deutschen S3-Leitlinie von 2016 werden Moxifloxacin und Levofloxacin als erste Wahl, Azithromycin oder Clarithromycin als Alternativen bezeichnet.<br /> Es ist festzuhalten, dass es keine prospektiven Therapiestudien gibt und die publizierten Daten meist aus retrospektiven Analysen von Legionellenausbr&uuml;chen stammen. Von einer Kombinationstherapie mit Rifampicin, wie sie fr&uuml;her &uuml;blich war, wird heute eher abgeraten, weil es andere gute Optionen gibt und Rifampicin ein hohes Interaktionspotenzial mit sich bringt.<br /> Tigecyclin und Doxycyclin k&ouml;nnen als zweite Wahl Verwendung finden, wenn sie ausreichend dosiert sind, d.h. in einer Tagesdosis von 200 bis 300mg.<br /> Resistenzen gegen Makrolide sind selten, aber beschrieben.<br /> W&auml;hrend fr&uuml;her eine Therapiedauer von drei Wochen gefordert wurde, geht man heute von sieben bis zehn Tagen aus.</p> <h2>Ausbruchsrisiken</h2> <p>Als &bdquo;Rezept&ldquo; f&uuml;r Ausbr&uuml;che von Legion&auml;rskrankheit l&auml;sst sich das Zusammentreffen folgender Faktoren definieren: schlecht gewartete Wassersysteme &ndash; Aerosolisierung &ndash; Stamm mit hoher Virulenz &ndash; hohe Bakterienkonzentration &ndash; empf&auml;nglicher Wirt.<br /> Von den im Jahr 2016 in &Ouml;sterreich aufgetretenen 161 F&auml;llen von Legionelleninfektionen waren 67 % ambulant erworben, 30 % in Beherbergungsbetrieben. Von den 108 ambulant erworbenen F&auml;llen wurde bei 17 eine wahrscheinliche Infektionsquelle ausfindig gemacht. Dabei handelte es sich in erster Linie um Trinkwasser-Erw&auml;rmungsanlagen. Bei ausl&auml;ndischen Touristen traten 34 F&auml;lle in &Ouml;sterreich auf; dies waren Personen, die sich w&auml;hrend der Inkubationszeit in Hotels, auf Campingpl&auml;tzen oder einem Schiff aufgehalten hatten. In all diesen F&auml;llen wurde L. pneumophila Serogruppe (SG) 1 diagnostiziert. Diese Serogruppe zeigt weltweit die st&auml;rkste H&auml;ufigkeit und die h&ouml;chste Virulenz. In einer europ&auml;ischen Studie mit 1335 F&auml;llen zeigten Legionellen SG 1, die positiv bez&uuml;glich eines virulenzassoziierten Epitops (MAb 3/1) waren, mit 67 % die gr&ouml;&szlig;te H&auml;ufigkeit. Zu den Risikofaktoren siehe Tabelle 1.<br /> Die Ausbreitung von Legionellen in Aerosolen ist &uuml;ber betr&auml;chtliche Distanzen m&ouml;glich, angegeben werden sieben bis zehn, in manchen Arbeiten sogar bis zu 20km Abstand &ndash; dies ist weiter als fr&uuml;her angenommen und nat&uuml;rlich f&uuml;r die Untersuchung von Ausbr&uuml;chen von erheblicher Bedeutung.<br /> Neben Kalt- und Warmwassersystemen von Geb&auml;udeinstallationen sind m&ouml;gliche Ausbruchsquellen auch offene K&uuml;hlt&uuml;rme oder Autowaschanlagen (hier gab es einen rezenten Fall in &Ouml;sterreich).<br /> K&uuml;hlt&uuml;rme stellen dann eine Gefahr f&uuml;r eine Emission von Legionellen dar, wenn sie ein offenes Wassersystem aufweisen. Auch Stra&szlig;enreinigungsfahrzeuge, die mit Wasser arbeiten, k&ouml;nnen eine Ursache f&uuml;r Ausbr&uuml;che werden.<br /> Ebenso k&ouml;nnen auch Kl&auml;ranlagen als Ausbruchsquellen infrage kommen. Es ist zu beachten, dass der Nachweis von Legionellen in einer Probe noch kein Beweis daf&uuml;r ist, dass es sich hierbei um eine Ausbruchsquelle handelt. Dies kann nur mittels molekulargenetischer Vergleiche ermittelt werden. Ein Gro&szlig;teil der Legionelleninfektionen kann nicht auf eine spezifische Quelle zur&uuml;ckgef&uuml;hrt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1803_Weblinks_jatros_infekt_1803_s9_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="778" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Konsensusstatement „Legionellenpneumonie“, Medical Dialogue, September 2018, abrufbar auf der Homepage der ÖGIT unter http://www.oegit.eu/publikationen.htm </p>
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