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Integrasehemmer der zweiten Generation
Jatros
30
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20.12.2018
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<p class="article-intro">Integrase-Strang-Transfer-Inhibitoren (INSTI) sind die neueste Klasse antiretroviraler Medikamente in der Behandlung von HIV. Die Dreifachkombination von Bictegravir (BIC) mit Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (FTC/TAF) zeichnet sich durch eine hohe Resistenzbarriere aus, insbesondere auch gegen Kreuzresistenzen.</p>
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<p class="article-content"><p>In Österreich leben Schätzungen zufolge aktuell rund 8000 Personen mit HIV/ Aids. Durch bedeutende Fortschritte in der antiretroviralen Therapie (ART) konnte die Infektion mit dem HI-Virus von einer tödlich verlaufenden Krankheit heute in eine chronische Erkrankung umgewandelt werden. Dennoch bleiben hohe Ansprüche an die Behandlung bestehen. Durch die steigende Lebenserwartung steigt auch das Alter der betroffenen Patienten, was zur Folge hat, dass neben den Langzeitnebenwirkungen der ART zusehends auch das Management von Komorbiditäten und medikamentöse Interaktionen zu berücksichtigen sind. „Um lang anhaltende Gesundheit und hohe Lebensqualität für Menschen mit HIV zu erreichen sowie weitere Ansteckungen zu verhindern, ist es entscheidend, gut verträgliche Therapien mit wenig Interaktionspotenzial einzusetzen, die beständige Virussuppression mit einer starken Barriere gegen Resistenzen verbinden“, unterstreicht Ass.-Prof. OA Dr. Armin Rieger, Leiter der HIV-Ambulanz am Wiener AKH.</p> <h2>Bictegravir in der HIV-Therapie</h2> <p>Integrasehemmer machen sich einen von mehreren erforschten Wirkmechanismen zunutze, um die Vermehrung des HIVirus zu unterbinden. Die Integrase-Strang-Transfer-Inhibitoren (INSTI) binden an das aktive Zentrum der HIV-Protein-Integrase und blockieren damit den Strangtransfer des retroviralen DNA-Genoms in das Chromatin der Wirtszelle. Das Erbgut des Virus wird somit nicht in das Zellgut des Menschen integriert und daher auch nicht vermehrt. Weitere Therapieansätze im Kampf gegen HIV sind Barrieren für das Eindringen des HI-Virus in die Wirtszelle (Entry-Inhibitoren), das Erzielen von Genomschreibfehlern während der reversen Transkriptase des Virengenoms in der Wirtszelle (NNRTI/NRTI) oder eine fehlerhafte Replikation der Viren während der Knospung (PI).<sup>1</sup> <br />Der jüngste der vier bislang verfügbaren Wirkstoffe unter den INSTI ist Bictegravir (BIC), das seit Ende Juni 2018 von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen ist. Das Single-Tablet- Regime Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (BIC/FTC/TAF, Biktarvy<sup>®</sup>) zeichnet sich durch einen einfachen Einnahmemodus aus: Die Filmtablette (15x 8mm) wird einmal täglich, unabhängig von der Tageszeit oder der Nahrungsaufnahme, eingenommen. Die Wirkstoffkombination (BIC 50mg/FTC 200mg/TAF 25mg) punktet insbesondere durch ein gutes Sicherheits- und Wechselwirkungsprofil. Der „core agent“ Bictegravir wurde gezielt mit je einem größeren A- und DRing ausgestattet, um einerseits die Verbindung zu erleichtern und andererseits für eine verbesserte Löslichkeit des Moleküls zu sorgen. Das Therapie-„Backbone“ von FTC/TAF ist unter dem Handelsnamen Descovy<sup>®</sup> bereits bekannt und eine leitlinienempfohlene Wirkstoffkombination. <br />Die neuartige Wirkstoffkombination stellt somit eine Therapieoption für erwachsene, HIV-1-infizierte Patienten dar, bei denen weder aktuell noch in der Vergangenheit Resistenzen gegen die Klasse der Integraseinhibitoren sowie gegen eine der Backbone-Substanzen nachgewiesen wurden. Abgesehen davon kann es für nahezu alle Altersgruppen sowie unabhängig vom Therapiestatus oder von der Viruslast eingesetzt werden.</p> <h2>Klinische Fakten und relevante Studien</h2> <p>Bewilligt wurde die Marktzulassung durch die EMA auf Basis von Daten aus vier fortlaufenden Phase-III-Studien.<sup>2–5</sup> Eingeschlossen in die Studien waren insgesamt 2415 Patienten. Biktarvy<sup>®</sup> erreichte das primäre Studienziel der Non- Inferiority gegenüber den Vergleichsarmen in allen vier Studien innerhalb von 48 Wochen. Kein Teilnehmer entwickelte in diesen 48 Wochen eine mit der Behandlung verbundene virologische Resistenz. Kein Teilnehmer musste die Behandlung aufgrund von unerwünschten Wirkungen auf die Nierenfunktion unterbrechen. Auch traten unter Biktarvy<sup>®</sup> signifikant weniger arzneimittelbezogene Nebenwirkungen im Vergleich zu den Dolutegravir-basierten Regimen DTG/ ABC/3TC (naiv: 26 % vs. 40 % <sup>2</sup>, Switch: 8 % vs. 16 % <sup>5</sup>) sowie DTG+FTC/TAF (naiv: 18 % vs. 26 % <sup>3</sup>) auf. Zu den am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen unter BIC/FTC/TAF zählten Durchfall, Übelkeit und Kopfschmerzen.</p></p>
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Anstett K et al.: Retrovirology 2017; 14: 36 <strong>2</strong> Gallant J et al.: Lancet 2017; 390: 2063-72 <strong>3</strong> Sax PE et al.: Lancet 2017; 390: 2073-82 <strong>4</strong> Daar ES et al.: Lancet HIV 2018; 5: e347-56 <strong>5</strong> Molina JM et al.: Lancet HIV 2018; 5: e357-65</p>
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