HIV-Remission, perinatale Transmission und neuer Therapieansatz bei Kindern
Bericht:
Mag. Birgit Leichsenring
Wissenschaftsjournalistin
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Die Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections, kurz CROI, gilt als jährlicher Höhepunkt der HIV-Forschung. Obwohl die Konferenz bereits zum dritten Mal online durchgeführt wurde, hat sie nichts von ihrem speziellen Ambiente verloren.
Als mediales Highlight darf der präsentierte Fall einer weiteren HIV-Remission gewertet werden.1 Bei einer 2013 mit HIV diagnostizierten und unter effektiver HIV-Therapie stehenden US-amerikanischen Frau mittleren Alters entwickelte sich zusätzlich eine akute myeloische Leukämie. Für die nachfolgende Stammzelltransplantation wurde erstmals Nabelschnurblut mit homozygoter CCR5-Δ32-Deletion verwendet. Diese selten auftretende Mutation führt zu einem veränderten CCR5-Oberflächenrezeptor auf CD4-Zellen, der im Regelfall für Fusion und folglich Infektion der Zelle durch HIV notwendig ist. Mit ca. 1% hat diese CCR5-Mutation in Nordeuropa die höchste Prävalenz.
Die Patientin tolerierte Transplantation und Chemotherapie gut, insbesondere kam es zu keiner akuten oder chronischen «graft versus host disease». 37 Monate nach Transplantation wurde die HIV-Therapie (antiretrovirale Therapie; ART) abgesetzt. Die Patientin nimmt aktuell seit knapp 1,5 Jahren keine ART ein und es kam zu keinem viralen Rebound. Es ist keine HIV-1-DNA nachweisbar und mittlerweile ist die Patientin seronegativ.1 Es handelt sich somit um den dritten publizierten Fall einer vermutlichen Heilung. Bisher wurde beim sog. Berliner und beim Londoner Patienten ebenfalls nach einer Knochenmarkstransplantation inklusive Donor mit CCR5-Δ32-Deletion die ART abgesetzt und kein viraler Rebound beobachtet. Das Besondere im aktuellen Fall ist nicht nur, dass es sich erstmals um eine Frau handelt, sondern zusätzlich ihr gemischter ethnischer Hintergrund. Hier gestaltet sich das Finden eines passenden Donors besonders schwierig. Der Ansatz, auf Nabelschnurblut zurückzugreifen, könnte daher wegweisend für zukünftige ähnlich gelagerte Fälle sein.
Keine perinatalen Transmissionen bei ART-Start vor Schwangerschaft
Das Risiko für eine vertikale HIV-Transmission von Mutter zu Kind ist direkt mit der Viruslast und dem Therapiestatus der Mutter assoziiert. Eine französische Studie zeigte eindrücklich den Effekt einer antiretroviralen Therapie der Schwangeren auf das Risiko für eine perinatale Transmission.2
Es wurden Schwangerschaften von 14630 HIV-positiven Frauen im Zeitraum von 2000 bis 2017 analysiert. Der Anteil an Frauen, die bereits zum Zeitpunkt der Empfängnis unter ART standen, stieg im Laufe der Jahre von 28,3% auf 65,8% an.Gleichfalls erhöhte sich der Anteil an Frauen unter ART zum Zeitpunkt der Entbindung von 67,7% auf 99,2%. Zu Beginn des Beobachtungszeitraums hatten 70% der Frauen zum Zeitpunkt der Geburt eine supprimierte Virämie, am Ende der Beobachtung waren es 93% der Frauen (Abb. 1). Der Effekt der ART auf die Übertragungen war deutlich sichtbar: Insgesamt sank die Rate an perinatalen Transmissionen von 1,1% auf 0,2%. In der Gruppe der Frauen, die bereits bei der Empfängnis eine ART einnahmen, sank die Rate an perinatalen Transmissionen von 0,42% auf 0,03%. Und bei den 5482 Frauen, die sowohl zum Zeitpunkt der Empfängnis eine ART einnahmen als auch zum Zeitpunkt der Geburt eine Viruslast unter der Nachweisgrenze aufwiesen, wurde keine einzige perinatale Transmission beobachtet (Abb. 2).
Abb. 1: Zunahme der antiretroviralen Therapie (ART) bei Schwangeren (modifiziert nach Sibiude J et al. 2022)2
Abb. 2: Abnahme perinataler Transmission unter ART (modifiziert nach Sibiude J et al. 2022)2
Zu beachten ist, dass die Frauen nicht stillten und daher potenzielle Übertragungen in der Stillperiode nicht bewertet werden können. Die Studie unterstreicht jedoch, dass dank des Einsatzes einer effektiven ART bereits von Beginn der Schwangerschaft an perinatale Transmissionen ausgeschlossen werden könnten.
Einsatz neutralisierender Breitbandantikörper bei Kindern
Erstmals wurde eine Kombination aus zwei bNAb («broadly neutralising antibodies») als Alternative zur herkömmlichen HIV-Therapie bei Kindern untersucht.3
Die TATELO-Studie aus Botswana schloss HIV-positive Kinder ein, die in der ersten Woche nach Geburt mit einer HIV-Therapie begonnen hatten und eine supprimierte Viruslast aufwiesen. Die Kinder, die im Alter zwischen 2 und 6 Jahren waren und eine durchschnittliche CD4-Zellzahl von ca. 1200/µl hatten, erhielten zunächst in einer Brückenphase sowohl ihre ART als auch die beiden bNAb (VRC01LS und 10-1074) in Form einer Infusion alle 4 Wochen. Anschliessend wurde die ART abgesetzt. 44% der Kinder (11/25) wiesen nach 6 Monaten mit ausschliesslicher bNAb-Therapie nach wie vor eine Viruslast unter der Nachweisgrenze auf. Die Behandlung wurde gut vertragen und nach Angabe der Autoren von den Eltern favorisiert, da die monatliche Infusion im Alltag der Kinder einfacher war als eine tägliche Einnahme. Es muss jedoch betont werden, dass es sich ausschliesslich um eine «Proof of concept»-Studie handelt.
Mit der zukünftigen Weiterentwicklung von neutralisierenden Breitbandantikörpern in der HIV-Therapie kann sich hier jedoch eine Option für die Behandlung von HIV-positiven Kindern eröffnen.
Quelle:
29th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections, 13. bis 24. Februar 2022
Literatur:
1Bryson Y et al.:HIV-1 remission with CCR5Δ32Δ32 haplo-cord transplant in a U.S. woman: Impaact P1107. CROI 2022, Abstract #65 2 Sibiude J et al.:Perinatal HIV-1 transmission in France: U=U for mothers on ART from conception. CROI 2022, Poster #P03 3 Shapiro RL et al.:Treatment with broadly neutralizing antibodies in children with HIV in Botswana. CROI 2022, Abstract #32
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