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Geringes Interaktionspotenzial neu zugelassener ART-Substanzen
Jatros
Autor:
Leonie Meemken
Pharmazeutin<br> E-Mail: info@meettheexperts.at<br> Web: www.meettheexperts.at
30
Min. Lesezeit
28.03.2019
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<p class="article-intro">Welche Wechselwirkungen werden mit den neu zugelassenen Medikamenten Doravirin (Pifeltro<sup>®</sup>) und Bictegravir (Bictarvy<sup>®</sup>) erwartet?</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Interaktionspotenzial Doravirin</h2> <p>Doravirin gehört zu der Substanzklasse der nicht nukleosidischen Reverse-Transkriptase- Inhibitoren (NNRTI) und ist zugelassen für Patienten ab einem Alter von 18 Jahren. Die Tablette von 100mg wird einmal täglich unabhängig vom Essen eingenommen.</p> <p><strong>Wechselwirkungsmechanismus</strong><br /> Doravirin wird wie alle NNRTI und Proteaseinhibitoren (PI) über das Isoenzym CYP3A4 abgebaut und kann an dieser Stelle mit anderen Medikamenten in Wechselwirkung treten.<br /> So können Arzneimittel, die CYP3A induzieren oder inhibieren, die Doravirin- Spiegel beeinflussen und damit die Eliminierung beschleunigen bzw. verzögern.<br /> Doch anders als bei den alten NNRTI beeinflusst Doravirin selbst die Wirkspiegel der Begleitmedikation kaum. Denn Doravirin hat nur eine leichte induzierende Wirkung auf CYP3A4. Wechselwirkungen über Transporter werden nicht beschrieben.</p> <p><strong>CYP3A4-Induktoren der Begleitmedikation</strong><br /> In Kombination mit CYP3A-Induktoren werden erniedrigte Doravirin-Spiegel und damit eine verminderte Wirkung von Doravirin erwartet. Deshalb sind die folgenden klassischen CYP3A4-Induktoren mit Doravirin kontraindiziert:</p> <ul> <li>Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin</li> <li>Rifampicin, Rifapentin</li> <li>Johanniskraut (Hypericum perforatum)</li> <li>Mitotan</li> <li>Enzalutamid</li> <li>Lumacaftor</li> </ul> <p>Zu den moderaten CYP3A4-Induktoren gehören die folgenden Medikamente:</p> <ul> <li>Bosentan</li> <li>Dabrafenib</li> <li>Lesinurad</li> <li>Nafcillin</li> <li>Modafinil</li> <li>Rifabutin</li> <li>Telotristat</li> <li>Thioridazin</li> </ul> <p>Wenn die Gabe gemeinsam mit Doravirin unvermeidbar ist, ist die Doravirin-Dosis von 100mg 1x täglich auf 2x täglich zu erhöhen. Ein Einnahmeabstand von 12 Stunden sollte eingehalten werden. Außer im Fall von Rifabutin handelt es sich jedoch um theoretische Überlegungen, die nicht auf Studiendaten basieren. Deshalb sollte die Wirksamkeit von Doravirin mit den genannten Medikamenten engmaschig kontrolliert werden.</p> <p><strong>CYP3A4-Inhibitoren der Begleitmedikation</strong><br /> Bei Kombination von Doravirin mit Arzneimitteln, die das Isoenzym CYP3A hemmen, kann es zu erhöhten Doravirin- Plasmakonzentrationen kommen. Es ist jedoch keine Dosisanpassung erforderlich.</p> <p><strong>Induzierende Wirkung von Doravirin auf andere Arzneimittel</strong><br /> Die gemeinsame Anwendung von Doravirin mit dem CYP3A-Substrat Midazolam führte zu einer 18 % igen Abnahme der Midazolam- Spiegel, was auf eine schwach induzierende Wirkung von Doravirin auf das Isoenzym CYP3A4 hinweisen könnte. Daher ist bei Arzneimitteln, die sensible CYP3ASubstrate sind sowie eine geringe therapeutische Breite besitzen (z.B. Tacrolimus, Sirolimus) Vorsicht geboten. Doch grundsätzlich sind keine klinisch relevanten Wechselwirkungen aufgrund des induzierenden Effektes von Doravirin zu erwarten.</p> <h2>Interaktionspotenzial Bictegravir</h2> <p>Bictegravir gehört zur Substanzklasse der Integrase-Strang-Transfer-Inhibitoren (INSTI) und wird mit den NRTI Emtricitabin (FTC) und Tenofoviralafenamid (TAF) in einem Single-Tablet-Regime (STR) kombiniert. Es ist für Patienten ab einem Alter von 18 Jahren zugelassen. Die Tablette wird einmal täglich unabhängig vom Essen eingenommen. Sie sollte nicht zerkleinert, zerkaut und geteilt werden.</p> <p><strong>Wechselwirkungsmechanismus</strong><br /> Bictegravir wird ebenfalls über das Isoenzym CYP3A4 und die Uridindiphosphat- Glucuronosyltransferase (UGT1A1) abgebaut. Begleitmedikamente, die diese beiden Enzyme induzieren können, senken die Bictegravir-Spiegel und damit die Wirksamkeit.<br /> Die folgenden klassischen Induktoren des Isoenzyms CYP3A4 und UGT1A1 sind mit Bictegravir kontraindiziert:</p> <ul> <li>Rifampicin</li> <li>Carbamazepin</li> <li>Oxcarbazepin</li> <li>Phenytoin</li> <li>Phenobarbital</li> <li>Johanniskraut (Hypericum perforatum)</li> </ul> <p>CYP3A4/UGT1A1-Inhibitoren hemmen den Abbau von Bictegravir. Atazanavir gehört zu den potenten CYP3A4/UGT1A1- Inhibitoren, die vermieden werden sollten. Mit Makroliden ist Vorsicht geboten. Es gibt keine Studien zu der Kombination. Aber für Azole wird keine Dosisanpassung empfohlen.</p> <p><strong>Transportermoleküle OCT2 und MATE1</strong><br /> Bictegravir hemmt außerdem den renalen organischen Kationen-Transporter (OCT2) und den Multidrug- und Toxin-Extrusion- Transporter 1 (MATE1). Auf diesem Wege können zum Beispiel wie bei Dolutegravir die Metformin-Plasmakonzentrationen erhöht werden. Der Anstieg der Metformin- Spiegel ist klinisch nicht relevant.</p> <p><strong>Wechselwirkungen mit Mineralien</strong><br /> Alle Integraseinhibitoren bilden mit polyvalenten Kationen Komplexe und können die gastrointestinale Resorption verhindern, was zu einem Abfall der Integrasehemmer- Konzentrationen im Blut führen kann. Das gilt auch für Bictegravir. Zu den Kationen gehören Aluminium, Kalzium, Eisen und Magnesium. Sie sind in Medikamenten wie Antazida und Laxanzien oder in Nahrungsergänzungsmitteln wie Multivitaminpräparaten, Protein-Shakes und hoch dosierten Kalzium-Tabletten bei der Therapie von Osteoporose und Allergien enthalten. Die Produkte, die diese Kationen enthalten, sollten aufgrund der Komplexbildung nicht mit Bictegravir zusammen eingenommen werden, sondern in einem Abstand von ≥2 Stunden vor oder nach der Einnahme von Bictegravir. Eine Ausnahme bilden Kalzium und Eisen. Die beiden Kationen können gleichzeitig mit Bictegravir eingenommen werden, wenn es mit der Nahrung kombiniert wird. Protonenpumpenhemmer und H2-Blocker sind mit Bictegravir wie auch mit den anderen Integrasehemmern problemlos einzunehmen.</p> <h2>Ausgelassene oder erbrochene Dosen von Doravirin und Bictegravir</h2> <p>Immer wieder fragen Patienten, was sie tun sollen, wenn sie vergessen haben, die Tablette einzunehmen. Bei Doravirin wird empfohlen, die Dosis nach Vergessen der Tablette innerhalb von 12 Stunden und bei Bictegravir nach 18 Stunden nachzuholen. Sollte dieser Zeitraum bereits überschritten sein, ist auf den Zeitpunkt der nächsten Dosis zu warten. Die Dosis sollte nicht verdoppelt werden. Eine Übersicht über die Möglichkeiten einer nachträglichen Einnahme von vergessenen Tabletten finden Sie unter: www.patinka. at. Sollte die Bictegravir-Dosis innerhalb einer Stunde erbrochen werden, ist eine weitere Dosis einzunehmen. Ansonsten ist die nächste Einnahme abzuwarten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s21_tab1.jpg" alt="" width="550" height="1125" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Fachinformation Biktarvy<sup>®</sup>, Firma Gilead, Oktober 2018;
Fachinformation Delstrigo<sup>®</sup>, Firma Merck Sharp & Dohme,
Jänner 2019; Liverpooler Interaktionsdatenbank
www.hiv-druginteractions.org/checker; Datenbank des
General Hospital in Toronto, Kanada, http://app.hivclinic.ca
</p>
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