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Antibiotikaresistenzen

Behandlung multiresistenter Enterobakterien

<p class="article-intro">Gerade im gramnegativen Bereich steigen weltweit die Resistenzraten an. Vor allem multiresistente Enterobakterien machen den Infektiologen Sorgen, insbesondere dann, wenn auch eine Resistenz gegen Carbapeneme vorliegt. Therapieoptionen bestehen einerseits in der Verwendung alter Substanzen (z.B. Temocillin oder Colistin), andererseits in der Verwendung von Kombinationen aus Betalaktamen und neuartigen Betalaktamase- Inhibitoren.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Weltweit besteht ein Problem mit Antibiotikaresistenzen vor allem im gramnegativen Bereich. Das zeigt sich auch in den &ouml;sterreichischen Daten, etwa in den AURES-Berichten. Hier sind zwischen 2004 und 2015 die Raten an grampositiven Resistenzen (MRSA und VRE) mehr oder weniger gleich geblieben, w&auml;hrend die Raten an ESBL-bildenden E. coli und K. pneumoniae von nahezu null im Jahr 2004 auf jeweils 30 bis 40 % im Jahr 2015 angestiegen sind.</p> <h2>Was sind MRGN?</h2> <p>Die Klassifikation von &bdquo;multiresistenten gramnegativen Erregern&ldquo; (MRGN) ist &uuml;brigens keine mikrobiologische, sondern eine krankenhaushygienische. Sie beruht auf dem Verhalten der Erreger gegen&uuml;ber vier Antibiotikaklassen, n&auml;mlich Acylaminopenicillinen, Cephalosporinen der dritten und vierten Generation, Chinolonen und Carbapenemen. Ist ein Erreger gegen drei dieser vier Klassen resistent, so wird er als 3MRGN klassifiziert (meist besteht hier noch Empfindlichkeit gegen&uuml;ber Carbapenemen). Ist er gegen alle vier Klassen resistent, so wird er als 4MRGN bezeichnet.</p> <h2>Betalaktamasen</h2> <p>An der Sequenz der Aminos&auml;uren der Betalaktamasen orientiert ist die Ambler- Klassifikation (Abb. 1).<br /> Sie unterteilt zun&auml;chst in Serin- und Metallobetalaktamasen. Innerhalb der Serinbetalaktamasen gibt es drei Klassen, n&auml;mlich A, C und D, w&auml;hrend die Metallobetalaktamasen die Gruppe B bilden.<br /> Die Gruppe A hat drei Subgruppen, n&auml;mlich Breitspektrumbetalaktamasen (z.B. TEM-1), Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL; z.B. CTX-M-14/15 oder TEM-2) sowie Carbapenemasen (z.B. KPC).<br /> Klasse C sind Extended-Spectrum-Cephalosporinasen wie AmpC. Klasse D besteht aus Carbapenemasen wie z.B. OXA- 48 und Oxacillinasen wie z.B. OXA-11. Die Klasse B, die Metallobetalaktamasen, sind ebenfalls Carbapenemasen, wie z.B. NDM oder VIM.<br /><br /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="1022" /></p> <h2>Therapieoptionen</h2> <p>Da die Neuentwicklung von Antibiotika mit der Dynamik der Resistenzentwicklung keineswegs Schritt h&auml;lt, ist man gezwungen, immer mehr auf &auml;ltere, zum Teil fast in Vergessenheit geratene Substanzen zur&uuml;ckzugreifen. Gerade die Tatsache, dass manche dieser Substanzen jahrzehntelang kaum verwendet wurden, macht sie als Therapeutika attraktiv.<br /> Eine davon ist Temocillin, ein Betalaktamantibiotikum mit einem schmalen Wirkspektrum &ndash; es wirkt ausschlie&szlig;lich gegen gramnegative Enterobakterien. Temocillin ist stabil gegen ESBL und AmpC und &ndash; zumindest in vitro &ndash; auch gegen KPC. Keine Aktivit&auml;t bzw. Stabilit&auml;t zeigt es gegen OXA-48, Metallobetalaktamasen und generell gegen Pseudomonas aeruginosa. Temocillin wird dreimal t&auml;glich oder als kontinuierliche Infusion verabreicht, wobei die Dosis von der Nierenfunktion abh&auml;ngig zu machen ist.<br /> Cefoxitin ist ein Cephemantibiotikum, das in den 1970er-Jahren erstmals synthetisiert wurde und mit den Cephalosporinen der zweiten Generation verwandt ist. Es ist stabil gegen&uuml;ber Breitspektrumbetalaktamasen, ESBL und OXA-11. Die Maximaldosierung betr&auml;gt 3x 4g. Cefoxitin kann gegen ESBL-Bildner, aber auch gegen Anaerobier eingesetzt werden. Indikationen sind z.B. Harnwegsinfekt und Pyelonephritis &ndash; als Alternative zu Carbapenemen. Hier ist jedoch &ndash; wie bei allen Betalaktamantibiotika &ndash; darauf zu achten, dass die Zeit &uuml;ber der MHK m&ouml;glichst lang ist. Daher sollte auch hier, wenn m&ouml;glich, eine kontinuierliche Gabe &uuml;berlegt werden. Vorsicht ist bei gleichzeitigem Einsatz von Antikoagulanzien geboten, da die Blutungsgefahr steigt.<br /> Eine weitere, zukunftsweisende Therapieoption besteht im Einsatz von Betalaktam- Antibiotika mit neuen Betalaktamase- Hemmern (Betalaktamase-Inhibitoren, BLI). Hier sind &ndash; neben den bereits &auml;lteren, bekannten BLI wie Clavulans&auml;ure, Sulbactam oder Tazobactam &ndash; vor allem drei Substanzen zu nennen: Avibactam, Relebactam und Vaborbactam.<sup>1</sup> Avibactam, Relebactam und Vaborbactam sind insofern von den anderen BLI abzugrenzen, als sie selbst keine Betalaktamstruktur aufweisen und daher nicht die Bildung von Betalaktamasen induzieren k&ouml;nnen. Die Zugabe eines dieser BLI kann dazu f&uuml;hren, die Aktivit&auml;t von Ceftazidim und anderen Betalaktamantibiotika gegen Betalaktamasen der Klassen A, C und D wiederherzustellen.<br /> F&uuml;r Avibactam wurde gezeigt, dass nur eine relativ niedrige Anzahl an BLI-Molek&uuml;len (f&uuml;r die meisten Betalaktamasen 1&ndash;5) notwendig ist, um ein Molek&uuml;l Betalaktamase irreversibel zu hemmen &ndash; die meisten anderen BLI ben&ouml;tigen hierzu wesentlich gr&ouml;&szlig;ere Molek&uuml;lzahlen.</p> <h2>Vier neue Kombinationen</h2> <p>Ceftolozan/Tazobactam ist in &Ouml;sterreich bereits erh&auml;ltlich und ist stabil gegen Breitspektrumbetalaktamasen und ESBL, nicht jedoch gegen KPC und Metallobetalaktamasen. Die Kombination weist eine Staphylokokkenl&uuml;cke auf. In klinischen Studien zeigte sich folgendes Wirkspektrum im gramnegativen Bereich: bei komplizierten intraabdominellen Infektionen &ndash; Enterobacter cloacae, Escherichia coli, Klebsiella oxytoca, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis und Pseudomonas aeruginosa; bei komplizierten Harnwegsinfektionen einschlie&szlig;lich Pyelonephritis &ndash; E. coli, K. pneumoniae und P. mirabilis.<br /> Ceftazidim/Avibactam ist ebenfalls bereits in &Ouml;sterreich erh&auml;ltlich. Es wirkt gegen Betalaktamasen der Klassen A und C sowie gegen OXA-48 aus der Klasse D, nicht jedoch gegen Metallobetalaktamasen. Auch diese Kombination weist eine Staphylokokkenl&uuml;cke auf. In klinischen Studien zeigte sich folgendes Wirkspektrum im gramnegativen Bereich: bei komplizierten intraabdominellen Infektionen &ndash; Citrobacter freundii, Enterobacter cloacae, E. coli, Klebsiella oxytoca, K. pneumoniae und P. aeruginosa; bei komplizierten Harnwegsinfektionen &ndash; E. coli, K. pneumoniae, P. mirabilis, Enterobacter cloacae und P. aeruginosa.<br /> Die Kombination Meropenem/Vaborbactam (in den USA zugelassen, in der EU im Zulassungsverfahren) wirkt gegen Betalaktamasen der Ambler-Klassen A (einschlie&szlig;lich der Carbapenemase KPC) und C und kann auch gegen Carbapenem-resistente Bakterien wirken. Gerade diese Indikation k&ouml;nnte in Zukunft Standard werden.<br /> Eine Studie zeigte, dass Resistenzentwicklungen KPC-produzierender St&auml;mme gegen diese Kombination nicht mit einer Ver&auml;nderung des KPC-Enzyms, sondern mit anderen Resistenzmechanismen, wie z.B. Porin-Mutationen, zu tun haben und durch h&ouml;here Dosen von Meropenem/Vaborbactam unterdr&uuml;ckt werden k&ouml;nnen.<br /> Die Kombination Imipenem/Relebactam wird derzeit noch in Phase III untersucht. Sie wirkt gegen Betalaktamasen der Klassen A und C und erweist sich unter anderem bei Carbapenem-resistenten Pseudomonaden als wirksam. Das Wirkspektrum von Relebactam bez&uuml;glich Betalaktamasen &auml;hnelt jenem von Vaborbactam.<br /> Sowohl Vaborbactam als auch Relebactam verbessern die Aktivit&auml;t des jeweiligen Penems, mit dem sie gegeben werden, gegen die meisten Enterobakterien, nicht aber gegen Acinetobacter baumannii, Stenotrophomonas maltophilia und die meisten Anaerobier.<br /> Einen &Uuml;berblick &uuml;ber die Wirkspektren der erw&auml;hnten BL/BLI-Kombinationen im Vergleich mit dem Reserveantibiotikum Colistin und dem neuen Cephemantibiotikum Cefiderocol (derzeit Phase III) gibt Tabelle 1.<br /> Zu betonen ist, dass die neuen Kombinationen aus Cephalosporin/Betalaktamasehemmer nicht empirisch, sondern nur nach mikrobiologischer Austestung gegeben werden sollen, da die Empfindlichkeitsraten der wichtigsten Erreger &ndash; E. coli, Klebsiellen und Pseudomonaden &ndash; nur bei ca. 60 bis 70 % liegen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s10_tab1.jpg" alt="" width="1444" height="1394" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Siehe dazu auch den Artikel &bdquo;Neue Kombinationen und was sie k&ouml;nnen&ldquo; in JATROS Infektiologie &amp; Gastroenterologie- Hepatologie 04/2017.</p> </div> </p>
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