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Aufklärung bei Medikamentenverschreibung
Jatros
Autor:
Dr. Norbert Hasenöhrl
30
Min. Lesezeit
08.06.2017
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<p class="article-intro">Die Zusammenhänge zwischen Aufklärung von Patienten, Körperverletzungen und Leitlinien erläuterte der Jurist Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner in einem gut besuchten Workshop.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Wer sich mit Patientenaufklärung beschäftigt, kommt um das Thema Leit­linien nicht herum“, stellte Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner, LLM, Abteilung für Rechtsvergleichung, Juridische Fakultät der Universität Wien, fest. „Es geht ja in Haftungsverfahren immer um die zentrale Frage des geltenden medizinischen Standards.“</p> <h2>Leitlinien und Gutachter</h2> <p>Laut dem Deutschen Bundesgerichtshof* fassen Leitlinien nicht nur das zusammen, was bereits vorher medizinischer Standard war. Handlungsanweisungen in Leitlinien medizinischer Fachgremien dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maß für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten. Entsprechendes gilt auch für Handlungsanweisungen in klinischen Leitfäden oder Lehrbüchern. Sie geben nicht stets einen bereits zuvor bestehenden medizinischen Standard wieder.<br />„Die Standards, die in Leitlinien dargelegt wurden, sind wichtig, wenngleich sie per se rechtlich keine Bedeutung haben. Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, ist der vom Richter bestimmte medizinische Gutachter von entscheidender Bedeutung. Für diesen haben jedoch die Leitlinien sehr wohl Relevanz. Wenn es einen aktuellen, in Leitlinien von Fachgesellschaften festgeschriebenen Standard gibt, wird sich ein Gutachter schwertun, etwas anderes zu behaupten.“</p> <h2>Aufklärung</h2> <p>Die Einwilligung in eine Heilbehandlung setzt eine Aufklärung des Patienten voraus. Die Aufklärung über Nutzen und Risiken einer Heilbehandlung ermöglicht es dem Patienten erst, eine freie Entscheidung zu treffen.<br />„Wenn eine Behandlung vollkommen lege artis durchgeführt wird, jedoch vergessen wurde, den Patienten über ein typisches Risiko, z.B. eine häufige Medikamentennebenwirkung, aufzuklären, so liegt die Haftung für diese Nebenwirkung beim behandelnden Arzt, auch wenn dieser sonst keinen Behandlungsfehler gemacht hat“, warnte Ofner.<br />Der Patient könne dann nämlich behaupten, dass er, wenn ihm diese Nebenwirkung bekannt gewesen wäre, nicht in die Behandlung eingewilligt und folglich den eingetretenen Schaden auch nicht erlitten hätte.<br />„Ursprünglich hat man unter dem Begriff ,Eingriff‘ das Durchschneiden oder Durchstechen der Haut verstanden, wie etwa bei Injektionen oder Operationen“, erläuterte Ofner. „Seit einer höchstgerichtlichen Entscheidung des Deutschen Bundesgerichtshofes werden jedoch auch Medikamentenverabreichung und sogar -verschreibung als Körperverletzung gewertet“, betonte der Jurist. „Deshalb ist auch vor jeder Medikamentenverschreibung entsprechend aufzuklären – die typischen Risiken müssen angesprochen werden.“ Eine schriftliche Dokumentation über die erfolgte mündliche Aufklärung kann im Rahmen der Krankengeschichte erfolgen. „Bei ,off-labelʻ Gebrauch ist eine besonders eingehende Aufklärung erforderlich“, so Ofner abschließend. * Entscheidungen des Deutschen Bundesgerichtshofs werden in Österreich häufig übernommen.</p> <p>Quelle: <br />„Antiinfektiva-Therapie: rechtliche Aspekte“, Workshop 4 des 11. Österreichischen Infektionskongresses, 30. März 2017, Saalfelden</p></p>
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