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13. Österreichischer Infektionskongress

Antiinfektiva – was gibt es Neues?

<p class="article-intro">Sowohl neue Antibiotika, wenngleich oft mit bekannten Wirkmechanismen, als auch neue Virustatika sind in der Pipeline – und werden dringend gebraucht.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Im grampositiven Bereich kommen neue Chinolone, ein Tetrazyklin, ein Pleuromutilin, ein Dihydrofolatreduktase- Hemmer und ein Oxazolidinon.</li> <li>Interessante Substanzen im gramnegativen Bereich sind ein neues Aminoglykosid, Imipenem/ Relebactam und ein Siderophor-Cephalosporin.</li> <li>Gegen Herpesviren wie CMV, EBV, HSV und VZV stehen mehrere neue Virustatika zur Verf&uuml;gung; ebenso gegen Infuenzaviren. Zudem gibt es neue Breitband-Virustatika.</li> </ul> </div> <p>Zunehmende Resistenzprobleme machen Klinikern und Infektiologen weltweit das Leben schwer. Das erste Symposium des 13. &Ouml;sterreichischen Infektionskongresses widmete sich deshalb der Frage, welche neuen Antiinfektiva entweder schon verf&uuml;gbar sind oder bald kommen werden.</p> <h2>Antibiotika gegen grampositive Erreger</h2> <p>&bdquo;In der von der WHO herausgegebenen Priorit&auml;tenliste antibiotikaresistenter Bakterien liegen MRSA und VRE im Mittelfeld, andere &ndash; wie vancomycinresistenter <em>S. aureus</em> &ndash; weiter unten&ldquo;, erl&auml;uterte Univ.-Prof. Dr. Rosa Bellmann-Weiler, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin II, MedUni Innsbruck.<sup>1</sup> &bdquo;Man muss ehrlich sagen, dass es sich bei den Antibiotika gegen grampositive Bakterien, die seit 2011 zugelassen worden sind, nicht um neue Wirkmechanismen handelt, sondern um neue Vertreter aus bereits bekannten Wirkstoffklassen&ldquo;, stellte die Infektiologin klar.<br /> Es sind dies die beiden F&uuml;nftgenerations- Cephalosporine Ceftarolin und Ceftobiprol, die sich, im Gegensatz zu den anderen Cephalosporin-Klassen, auch durch eine Wirksamkeit gegen MRSA auszeichnen. Ebenfalls gegen MRSA wirken das neue Oxazolidinon Tedizolid und die Lipoglykopeptide Oritavancin und Dalbavancin (dieses hat eine besonders lange Halbwertszeit und wird gern f&uuml;r die ambulante parenterale Antibiotikatherapie, kurz APAT, verwendet).<br /> &bdquo;Dalbavancin, das wie manch anderes neues Antibiotikum nur f&uuml;r Haut- und Weichteilinfektionen zugelassen ist, wird de facto in &Ouml;sterreich vor allem &sbquo;off label&lsquo; verwendet, z. B. bei Protheseninfektionen, Osteomyelitis oder Endokarditis, wie eine aktuelle Studie<sup>2</sup> zeigt&ldquo;, sagte Bellmann- Weiler.<br /> Das Vancomycinderivat Oritavancin wurde von der EMA bereits 2015 zugelassen und weist mit 245 Stunden ebenfalls eine sehr lange Halbwertszeit auf. Es wird als Einmaldosis von 1200 mg in 5 % Glukose &uuml;ber drei Stunden verabreicht. Eine Dosisanpassung ist bis zu einer GFR von 30 ml/min und bis zu einer Leberfunktionsst&ouml;rung Child-Pugh B nicht erforderlich. F&uuml;r die zugelassene Indikation &ndash; auch hier Haut- und Weichteilinfektionen &ndash; ist es dem Vancomycin nicht unterlegen. Vorsicht ist wegen Interaktionen mit Kumarinen geboten; f&uuml;r die Gabe von unfraktioniertem Heparin besteht eine Kontraindikation.<br /> Neue Antibiotika sind unter anderem Delafloxacin (ein Fluorchinolon) und Omadacyclin (ein Tetrazyklin-Analogon); beide befinden sich zurzeit im EU-Zulassungsverfahren. Nemonoxacin ist ein nicht fluoriertes Chinolon, das in Phase III untersucht wird, in China und Taiwan aber schon zugelassen ist.<br /> Das Wirkspektrum von Omadacyclin umfasst MRSA, <em>E. faecium</em> (einschlie&szlig;lich VRE), nicht penicillinsensible Pneumokokken (PNS-SP) und betah&auml;molysierende Streptokokken. In einer Studie zeigte sich Omadacyclin bei akuten Haut- und Weichteilinfektionen dem Linezolid nicht unterlegen und zeigte auch ein vergleichbares Sicherheitsprofil.<sup>3</sup><br /> Bei CAP war Omadacyclin dem Moxifloxacin nicht unterlegen.<sup>4</sup><br /> Weitere in Phase III befindliche Antibiotika sind u. a. die Fluorchinolone Zabofloxacin und Lascufloxacin, das Pleuromutilin Lefamulin, der Dihydrofolatreduktase- Hemmer Iclaprim und das Oxazolidinon Contezolid. Dazu kommt eine Reihe weiterer Substanzen in den Phasen I und II.<br /> Biologicals &ndash; mono- und polyklonale Antik&ouml;rper sowie Phagenderivate &ndash; sind ebenfalls in Entwicklung, darunter vier monoklonale Antik&ouml;rper gegen <em>S. aureus</em>.<br /> &bdquo;Wir haben nach wie vor kaum Antibiotika gegen <em>E. faecium</em>; die meisten neuen Substanzen sind Derivate bereits bekannter Wirkprinzipien; innovativ k&ouml;nnten der FABI-Inhibitor Afabicin, in Phase II, und Lefamulin, in Phase III, sein&ldquo;, so Bellmann- Weiler abschlie&szlig;end.</p> <h2>Antibiotika gegen gramnegative Erreger</h2> <p>&bdquo;Gramnegative Erreger, gegen welche Therapieoptionen fehlen, stehen ganz oben auf der Liste der WHO&ldquo;, erkl&auml;rte Dr. B&eacute;atrice Grabein, Leiterin der Stabsstelle Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Klinikum der Ludwig-Maximilians- Universit&auml;t, M&uuml;nchen.<br /> Es sind dies der Carbapenem-resistente (CR) Acinetobacter baumannii, der CR <em>Pseudomonas aeruginosa</em> und Enterobakterien, die sowohl gegen Carbapeneme als auch gegen Gruppe-3-Cephalosporine resistent sind.<sup>1</sup><br /> &bdquo;Man kann durchaus hoffnungsfroh sagen, dass die Entwicklung neuer Antibiotika mit Wirksamkeit gegen&uuml;ber multiresistenten gramnegativen Erregern Fahrt aufnimmt&ldquo;, fuhr Grabein fort.<br /> Bereits zugelassen sind die BL/BLIKombinationen Ceftolozan/Tazobactam, Ceftazidim/Avibactam und Meropenem/ Vaborbactam.<br /> &bdquo;Ceftolozan, das mit dem bereits bekannten BLI Tazobactam kombiniert wurde, ist eine willkommene Erg&auml;nzung zur Behandlung multiresistenter Pseudomonasinfektionen&ldquo;, so die Infektiologin.<br /> Ceftazidim/Avibactam und Meropenem/ Vaborbactam sind die ersten gut vertr&auml;glichen Antibiotika, die auch eine Wirksamkeit gegen Carbapenemasebildner zeigen. &bdquo;Ceftazidim/Avibactam wurde von der EMA erstmals nicht nur f&uuml;r bestimmte Indikationen, sondern auch f&uuml;r bestimmte Erreger zugelassen, in dem Fall ,aerobe gramnegative Erreger bei Erwachsenen mit begrenzten Behandlungsoptionen&lsquo;&ldquo;, erg&auml;nzte Grabein.<br /> Im Folgenden kurz einige Substanzen, die noch in klinischer Entwicklung sind. Plazomicin, ein Aminoglykosid, ist derzeit nur in den USA zugelassen. Es zeigt in vitro Wirksamkeit gegen multiresistente gramnegative Erreger, einschlie&szlig;lich Carbapenemasebildner. Einmal t&auml;glich i.v. gegeben, zeigte Plazomicin im Vergleich zu dreimal t&auml;glich i.v. verabreichtem Meropenem keine Unterlegenheit bei komplizierten Harnwegsinfektionen sowie Pyelonephritis durch zum Teil multiresistente Enterobakterien.<sup>5</sup><br /> F&uuml;r Imipenem/Relebactam gibt es noch keine publizierten Phase-III-Daten. Es wird derzeit bei HAP/VAP gegen Piperacillin/ Tazobactam, bei imipenemresistenten Erregern gegen Colistin gepr&uuml;ft.<br /> &bdquo;Eines der interessantesten neuen Antibiotika ist zweifellos das Siderophor-Cephalosporin Cefiderocol&ldquo;, bemerkte Grabein. Cefiderocol n&uuml;tzt ein aktives Eisentransportsystem, um sich in die Bakterienzelle einzuschleusen. Seine Wirksamkeit umfasst Enterobakterien, die ESBL und Carbapenemasen einschlie&szlig;lich Metallobetalaktamasen bilden, und auch Nonfermenter wie Acinetobacter-Spezies und Stenotrophomonas maltophilia.<br /> Weitere in Entwicklung befindliche Substanzen sind Murepavadin (Phase III), Sulbactam + ETX2514 (mit Wirksamkeit gegen Acinetobacter baumannii, Phase II), ein neues Monobactam, BOS-228 (Phase II) und die Kombination Aztreonam/Avibactam (Phase III).</p> <h2>Virustatika</h2> <p>&bdquo;Ich spreche hier nicht &uuml;ber Hepatitisviren und auch nicht &uuml;ber HIV, obwohl diese Erreger mehr als drei Viertel aller klinisch relevanten Virusinfektionen ausmachen&ldquo;, schr&auml;nkte Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin I, MedUni Wien, sein Thema ein. Auch abseits dieser Erreger gibt es Hunderte humanpathogene Viren, f&uuml;r die zumeist keine Therapiem&ouml;glichkeiten vorliegen. Es werden deshalb, neben Neuentwicklungen, zum Teil auch alte Medikamente neu als Virustatika erprobt.<sup>6</sup></p> <p>Zu den Herpesviren geh&ouml;ren CMV, EBV, Herpes simplex (HSV) und Varicella-zoster- Virus (VZV). Gegen CMV steht als Prophylaktikum relativ neu Letermovir zur Verf&uuml;gung. Brincidofovir, ein orales Prodrug von Cidofovir, das aber nicht nephrotoxisch ist, wirkt gegen CMV, EBV, HSV, VZV und Adenoviren. Maribavir zeigt eine hohe Aktivit&auml;t gegen CMV und EBV, wirkt aber nicht gegen andere Herpesviren. Sowohl Brincidofovir als auch Maribavir konnten jedoch in CMV-Studien den prim&auml;ren Endpunkt nicht erreichen.<br /> Artemison, ein Derivat des Malariamittels Artemisinin, ist ein potenter CMV-Inhibitor.<sup>7</sup><br /> Omaciclovir und dessen Prodrug Valomaciclovir befinden sich in Entwicklung gegen EBV und andere Herpesviren.<br /> Der Exportin-1-Hemmer Verdinexor zeigt Aktivit&auml;t gegen RSV, Influenzaviren und EBV.<br /> Nitazoxanid ist ein Beispiel f&uuml;r ein Medikament, das eigentlich in einer anderen Indikation (antiparasit&auml;r) eingesetzt wird. Es zeigte in einer Studie eine gewisse Wirksamkeit gegen Influenza<sup>8</sup> und einen synergistischen Effekt mit Oseltamivir.<sup>9</sup><br /> Ein neues, breit gegen Influenzaviren wirksames Medikament ist Baloxavir, das in Japan und den USA bereits zugelassen ist. Es wirkte &ndash; nach einmaliger Gabe &ndash; hinsichtlich der Symptomerleichterung gleich gut wie Oseltamivir und hinsichtlich der Reduktion der Viruslast sogar besser.<sup>10</sup><br /> Zwei in Entwicklung befindliche Breitspektrumvirustatika sind Favipiravir und Umifenovir. Umifenovir ist in Russland und China auf dem Markt und soll u. a. gegen das Zikavirus, aber auch gegen viele andere Viren wirken.<br /> Favipiravir wirkt gegen Influenzaviren A und B, aber z. B. auch gegen West-Nil-, Hanta-, Lassa- und viele andere Viren.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: „Neue Antiinfektiva – was wurde zugelassen, was ist zu erwarten?“ Symposium 1 des 13. ÖIK, 27. März 2019, Saalfelden </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tacconelli E et al.: Lancet Infect Dis 2018; 18(3): 318-327 <strong>2</strong> Wunsch S et al.: Int J Infect Dis 2019; 81: 210-214 <strong>3</strong> OʼRiordan W et al.: N Engl J Med 2019; 380(6): 528-538 <strong>4</strong> Stets R et al.: N Engl J Med 2019; 380(6): 517-527 <strong>5</strong> Wagenlehner FME et al.: N Engl J Med 2019; 380(8): 729- 740 <strong>6</strong> Garcia-Serradilla M et al.: Virus Res 2019; 264: 22-31<strong> 7</strong> Oiknine-Djian E et al.: Antimicrob Agents Chemother 2018; 62(7): pii: e00288-18<strong> 8</strong> Haffizulla J et al.: Lancet Infect Dis 2014; 14(7): 609-618 <strong>9</strong> Belardo G et al.: Antimicrob Agents Chemother 2015; 59(2): 1061-1069 <strong>10</strong> Hayden FG et al.: N Engl J Med 2018; 379(10): 913-923</p> </div> </p>
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