Personalisierte Medizin in der Otologie: Ergebnisse mit der Vibrant Soundbridge
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Georg Mathias Sprinzl
Klinische Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten
Universitätsklinikum St. Pölten
E-Mail: hno@stpoelten.lknoe.at
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Die personalisierte Medizin hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, insbesondere in der Otologie. Ziel ist es, den richtigen Patienten zur richtigen Zeit mit den richtigen Medikamenten und Behandlungen zu versorgen, individuell abgestimmt auf die spezifischen Bedürfnisse. In diesem Artikel werden die Langzeitergebnisse der Vibrant Soundbridge nach mehr als einem Jahrzehnt im Einsatz präsentiert.
Keypoints
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Personalisierte Medizin ermöglicht maßgeschneiderte Behandlungspläne für bessere Ergebnisse.
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Die Vibrant Soundbridge hat sich über Jahrzehnte als effektives und sicheres aktives Mittelohrimplantat bewährt.
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Verschiedene Platzierungsoptionen und Kopplungen des Implantats ermöglichen eine individuelle Anpassung an die Anatomie des Patienten.
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Langzeitstudien bestätigen die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit der Vibrant Soundbridge.
Die personalisierte Medizin in der Otologie verfolgt das Ziel, die Lebensqualität der Patienten und ihrer Angehörigen zu verbessern. Durch präzise Diagnose, maßgeschneiderte Behandlungspläne und langfristige Rehabilitation können bedeutende Fortschritte erzielt werden. Diese Ansätze basieren auf den vier Säulen der personalisierten Medizin: Prävention, Diagnose, Behandlung und Rehabilitation.
Die vier Säulen der personalisierten Medizin
Prävention
Ein frühzeitiges Erkennen und Vorbeugen des auditorischen Abbaus sind essenziell. Durch genetische Screenings können Risiken identifiziert werden und durch den Einsatz von Hörgeräten kann ein optimales Hörvermögen erhalten werden. Präventive Maßnahmen helfen, den Fortschritt von Hörverlust zu verlangsamen und die Lebensqualität zu verbessern.
Diagnose
Präzise Diagnosen sind der Schlüssel zu personalisierten Behandlungsmethoden. Medizinische Screenings wie CT- und MRT-Untersuchungen sowie Planungssoftwareprogramme ermöglichen eine detaillierte Analyse des Hörverlusts und die Entwicklung maßgeschneiderter Behandlungspläne.
Behandlung
Die optimale Versorgung der Patienten erfolgt durch personalisierte Behandlungsstrategien und intraoperative Messungen. Diese ermöglichen es, die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Die individuelle Anpassung der Behandlung an die spezifischen Bedürfnisse und anatomischen Gegebenheiten des Patienten ist hierbei entscheidend. In der Otologie stehen verschiedene Technologien für die Versorgung zur Verfügung, darunter passive und aktive Mittelohrimplantate, Knochenleitungs-implantate, Cochleaimplantate (CI) und auditorische Hirnstammimplantate (ABI).
Rehabilitation
Eine angepasste Nachsorge und Rehabilitation bieten sowohl kurz- als auch langfristige Vorteile. Individualisiertes Training und Musiktherapie sind Beispiele für Maßnahmen, die Patienten helfen, sich nach einer Operation zu erholen und ihre Hörfähigkeiten zu verbessern. Langfristige Rehabilitation unterstützt die Patienten dabei, ihre Hörqualität kontinuierlich zu verbessern und so ihre Lebensqualität zu steigern.
Vibrant Soundbridge
Die Vibrant Soundbridge (VSB) ist ein aktives Mittelohrimplantat, das 1996 erstmals in Zürich implantiert wurde und seit etwa 25 Jahren auf dem Markt ist. Im Gegensatz zu anderen Systemen hat die VSB die Zeit überdauert und ist immer noch im Einsatz (Abb. 1).
Abb. 1: Das Vibrant Soundbridge Implantatsystem mit dem Audioprozessor Samba 2
Funktionsweise und Komponenten
Die VSB besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem Implantat („vibrating ossicular prosthesis“; VORP) und dem externen Audioprozessor. Der Audioprozessor, der extern getragen wird, enthält die Mikrofone und die Stromversorgung, welche das Implantat mit Energie versorgen. Dadurch ist das Implantat selbst wartungsfrei. Das Implantat, welches unter der Haut eingesetzt wird, umfasst den „floating mass transducer“ (FMT), eine Leiterverbindung, die Elektronik, Fixierungsflügel und einen Magneten, der von einer Empfangsspule umgeben ist. Mit dem Schwingkörper (FMT) kann die Mittelohrkette in Bewegung versetzt werden, damit diese von der Hörschnecke als Geräusch wahrgenommen werden kann. Je nach Hörverlust und anatomischen Voraussetzungen des Patienten kann der Schwingkörper individuell an die Gehörknöchelchen angekoppelt werden. Dadurch wird eine flexible Anpassung des Implantats an die Anatomie des Patienten garantiert.
Die VSB ist für Patienten mit schallleitungsbedingtem, sensorineuralem oder kombiniertem Hörverlust geeignet, die keine konventionellen Hörgeräte tragen können oder von diesen nicht profitieren. Das System bietet eine Alternative zu herkömmlichen Hörgeräten und ermöglicht eine verbesserte Klangwahrnehmung für das betroffene Ohr.
Meine persönliche Erfahrung mit der Vibrant Soundbridge
Ich selbst führte mehr als 400 VSB-Operationen durch, wobei die Patienten im Alter von 2 bis 88 Jahren waren (Durchschnittsalter: 54 Jahre). Die Indikationen umfassten zu 54% sensorineuralen Hörverlust (SNHL), zu 35% kombinierten Hörverlust (MHL), zu 6% Atresie und zu 5% Otosklerose. Bei einem sensorineuralen Hörverlust wird der Schwingkörper am kurzen oder langen Fortsatz des Incus platziert. Bei 32 von den implantierten Personen wurde eine bilaterale Implantation durchgeführt.
Operative Optionen und Platzierungen
Unterschiedliche Kopplungen und Platzierungsoptionen des Schwingkörpers sind notwendig, um den individuellen anatomischen und medizinischen Bedingungen der Patienten gerecht zu werden. Die prozentuelle Aufteilung der Platzierung des FMT bei meinen Patienten, welche ich mit einer Vibrant Soundbridge versorgt habe, sieht wie folgt aus:
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57% Kopplung am Incus (kurzer oder langer Fortsatz)
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26% Kopplung am runden Fenster
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13% Kopplung am ovalen Fenster
Bei einem sensorineuralen Hörverlust wird der FMT oft am langen Fortsatz des Incus fixiert, was als klassische Methode gilt (Abb. 2). Eine alternative Methode ist die Fixierung am kurzen Fortsatz des Incus. Dadurch kann die knöcherne Kette im Mittelohr wieder in Bewegung versetzt und die Audioinformation an die Hörschnecke übertragen werden. Durch diese und weitere Platzierungsoptionen wird es somit ermöglicht, die Behandlung an die spezifischen anatomischen Gegebenheiten und den Hörverlust des Patienten anzupassen.
Abb. 2: Die Platzierung des Audioprozessors Samba 2 und der Vibrant Soundbridge (VSB) in einem anatomischen Modell. In diesem Fall wurde der Schwingkörper der VSB an dem langen Fortsatz des Incus fixiert
Studienergebnisse
Langzeitsicherheit und Wirksamkeit
Langzeitstudien zeigen, dass die VSB sowohl sicher als auch effektiv ist. Eine Untersuchung über fünf Jahre zeigte eine verbesserte Worterkennungsrate und einen funktionellen Gewinn des Hörvermögens, der über die Jahre hinweg stabil geblieben ist, sodassdie Patienten auf Dauer von ihrer Versorgung profitieren konnten. Die Komplikationsrate war gering und dies bestätigt wiederum die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit des Implantats.1
Radikale Höhle und Rundfensterkupplung
Bei Patienten mit radikalen Höhlen, bei denen konventionelle Hörgeräte nicht verwendet werden können, ist die Ankopplung an das runde Fenster oft die einzige Lösung. Bei einer Studie, an der ich selbst mitgewirkt habe, konnten wir einen erheblichen funktionellen Gewinn durch die Anwendung dieser Methode belegen. Die spezielle Kopplung bietet eine innovative Lösung für Patienten mit komplexen anatomischen Bedingungen und ermöglicht es uns als medizinischem Fachpersonal, eine individuelle Behandlung durchzuführen.2
Verbesserung der Lebensqualität
Eine weitere Studie, an der ich ebenfalls beteiligt war, zeigte, dass eine bilaterale Implantation der Vibrant Soundbridge die Sprachverständlichkeit und die Hörqualität signifikant verbesserte. Diese Verbesserungen wurden mit dem „Speech, Spatial and Qualities of Hearing Questionnaire“ bewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass die Patienten nicht nur besser hörten, sondern auch eine höhere Lebensqualität und Zufriedenheit nach der Intervention berichteten.3 Diese Beobachtung habe ich auch bei meinen Patienten mit bilateraler VSBgemacht und mithilfe der Studie wurde meine subjektive Beobachtung durch wissenschaftliche Daten bestätigt.
Literatur:
1 Edlinger SH et al.: Long-term safety and quality of life after vibroplasty in sensorineural hearing loss: short/long incus process coupler. Audiology Neurotol 2022; 27(2): 175-83 2 Sprinzl GM et al.: Long-term stability and safety of the soundbridge coupled to the round window. Laryngoscope 2021; 131(5): E1434-42 3 Seebacher J et al.: Subjective hearing impression and quality of life in patients with bilateral active middle ear implants. Otol Neurotol 2020; 41(6): e641-7
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