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Vermeidung von Infektionen durch Hepatitisviren
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Heidemarie Holzmann
Zentrum für Virologie, Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: heidemarie.holzmann@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Trotz Verfügbarkeit von sehr gut wirksamen und verträglichen Impfstoffen und der verbesserten Möglichkeiten zur Therapie von Virushepatitiden sind diese noch immer weltweit eine der Hauptursachen für schwere Erkrankungen und Todesfälle. Mit einem geschätzten Anstieg von 0,89 Mio. Todesfällen im Jahr 1990 auf 1,45 Mio. Todesfälle im Jahr 2013 (+63 % ) sind sie auf Rang 7 der wichtigsten Todesursachen gestiegen. Daher hat die Prävention von Hepatitisvirus-Infektionen nach wie vor größte Bedeutung.</p>
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<p class="article-content"><h2>Hepatitis A</h2> <p>Weltweit treten jährlich laut WHO geschätzte 1,5 Mio. Hepatitis-A(HA)-Fälle auf, verursacht durch das HA-Virus (HAV), ein kleines, nicht umhülltes RNA-Virus, das im Falle einer Infektion in großen Mengen über den Darm ausgeschieden wird. Die Übertragung erfolgt somit hauptsächlich fäkooral, einerseits durch kontaminiertes Wasser oder kontaminierte Lebensmittel, andererseits auch direkt durch Kontakt-/Schmierinfektionen wie z.B. durch Sexualkontakte. In den Industrienationen ist aufgrund der hohen Hygienestandards die Zahl der Infektionen stark zurückgegangen, jedoch wurden in den letzten Jahren in Europa (auch in Österreich) multinationale „food-borne“ Hepatitis- A-Ausbrüche beobachtet, z.B. in Zusammenhang mit kontaminierten Tiefkühlfrüchten. Seit Juni 2016 wird nun in 15 europäischen Ländern, darunter auch Österreich, ein starker Anstieg der HAVAktivität beobachtet. Betroffen sind hauptsächlich junge, erwachsene Männer (medianes Alter 33 Jahre), die Sex mit Männern haben (MSM). Laut aktuellem „rapid risk assessment“ des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) vom 19. Mai 2017 wurden bisher insgesamt 1173 bestätigte HA-Fälle gemeldet. Bei den Infektionen handelt es sich um HA-Viren vom Genotyp IA, wobei durch weitere genetische Charakterisierungen drei verschiedene Cluster identifiziert werden konnten. Auch in Österreich wurde seit Juli 2016 ein Anstieg der Zahl der HAFälle (n=226) verzeichnet, wobei allein heuer laut AGES bis Ende Juli 148 HAInfektionen gemeldet wurden, der Großteil bei 25- bis 44-jährigen Männern (Abb. 1 und 2).<sup>1</sup> Im Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien (Nationales Referenzlabor für Hepatitis-Viren) konnten durch Genotypisierung von HAV-positiven Proben Infektionen mit Viren aus allen drei Clustern nachgewiesen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1703_Weblinks_infekt_1703_s19_abb1+2.jpg" alt="" width="1417" height="1907" /></p> <h2>Präventionsmaßnahmen gegen HA</h2> <p>Die beste Präventionsmaßnahme gegen HA ist die Impfung. Seit Jahrzehnten stehen sehr sichere und hervorragend wirksame Impfstoffe zur Verfügung. Neuere Publikationen zu Langzeitbeobachtungen nach der Grundimmunisierung haben gezeigt, dass auch nach 20 Jahren >97 % der Studienteilnehmer HAV-Antikörper-positiv waren und es wurde berechnet, dass der Impfschutz mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere Jahrzehnte anhält.<sup>2, 3</sup> In der derzeitigen Ausbruchssituation ist es wichtig, die „awareness“ gegenüber der HA und der Möglichkeit einer sexuellen Übertragung zu steigern. Eine Impfung sollte für die Personengruppe der MSM sowie für andere Risikogruppen, bei denen eine HA sehr schwer verlaufen kann, wie Personen mit chronischer Hepatitis- B- oder -C-Infektion oder i.v.-Drogenabhängige dringend empfohlen werden. Natürlich besteht auch für in HAEndemiegebiete Reisende eine Impfindikation. Genaueres kann dem aktuellen Österreichischen Impfplan (https://www. bmgf.gv.at/home/Impfplan) sowie der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (www.bmgf.gv.at) entnommen werden, auch in Bezug auf die Vorgangsweise bei Impfstoffknappheit. Am Zentrum für Virologie steht ein breites Spektrum an Tests für die HAV-Diagnostik zur Verfügung. Wichtig ist neben der Einsendung von Serum die von Stuhl zum Virusnachweis mittels PCR, auch bei vermeintlich sporadischen HAV-Infektionen. Denn damit wird eine HAV-Feintypisierung ermöglicht, die wesentlich zur Ausbruchssurveillance und -kontrolle beiträgt.</p> <h2>Hepatitis B</h2> <p>Mit weltweit mehr als 250 Mio. chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) Infizierten ist die Hepatitis B (HB) eine der häufigsten Infektionskrankheiten des Menschen, der auch das einzige Virusreservoir darstellt. Da seit Jahrzehnten hoch wirksame und gut verträgliche Impfstoffe verfügbar sind, steht die weltweite Elimination des HBV ganz oben auf der Agenda der WHO. Die Übertragung dieser Infektion erfolgt in der Regel über Kontakt mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten von akut oder chronisch infizierten Personen. Infizierte Schwangere können das Virus in Abhängigkeit von ihrer Viruslast perinatal auf ihr Kind übertragen. Im Unterschied zur HBV-Infektion im Erwachsenenalter verläuft sie bei den infizierten Neugeborenen zu 90 % chronisch, mit all den damit verbundenen Langzeitrisiken. Daher ist die Identifikation von infizierten Schwangeren im Rahmen der österreichischen Mutter- Kind-Pass-Untersuchung sehr wichtig, um die Neugeborenen gleich nach der Geburt durch eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) vor der HBV-Infektion zu schützen. Neugeborene von HBs-Antigen-positiven Müttern müssen unmittelbar post partum, möglichst noch im Kreißsaal, zumindest aber innerhalb von 12 Stunden, simultan aktiv und passiv gegen HBV immunisiert werden. Die zweite Teilimpfung erfolgt nach einem Monat, die weiteren Impfungen nach dem sonst üblichen Schema im Rahmen der 6-fach-Impfung. Zu HBV-Durchbruchsinfektionen trotz PEP kann es bei sehr hohen Viruslasten der Mütter von >200 000 IU/ml (1 000 000 Kopien/ ml) kommen.<sup>4</sup> Daher sollte eine Hepatitis-B-Untersuchung (HBs-Antigen- Bestimmung) in der 25. bis 28. Schwangerschaftswoche erfolgen. Bei positivem HBs-Antigen muss im Hinblick auf das weitere therapeutische Vorgehen die Bestimmung weiterer Laborparameter (Anti- HBc, HBe-Antigen und Anti-HBe) sowie der Viruslast im Plasma folgen. Für hochvirämische Schwangere (HBV-DNA im Plasma >200 000 IU/ml) wird eine Tenofovir- Therapie dringend empfohlen, da eine Senkung der Viruslast das Risiko einer perinatalen Transmission auf das Kind signifikant reduziert. Die Therapie sollte möglichst im 2. Trimenon, spätestens ab der 28. Schwangerschaftswoche begonnen werden, damit für die Reduktion der Viruslast bis zur Geburt genug Zeit bleibt.<br /> Der beste Schutz vor der HB ist die prophylaktische Impfung. Sie ist effizient, sicher (80–95 % der Geimpften erwerben einen Impfschutz) und lang anhaltend (Evidenz für Schutz bei ≥90 % der Studienteilnehmer für 30 Jahre nach Grundimmunisierung).<sup>5</sup> Ein Anti-HBs-Titer von >10 IU/ml verleiht einen 100 % igen Schutz vor einer chronischen Infektion. Zudem schützt diese Impfung aufgrund der gleichen Oberflächenzusammensetzung auch vor einer Infektion mit dem Hepatitis- Delta-Virus.</p> <h2>Hepatitis C</h2> <p>Keine prophylaktische Impfung gibt es leider gegen die Hepatitis C (HC), daher ist die Prävention der Exposition von großer Bedeutung. Dazu gehören Maßnahmen wie das Screening von Blutprodukten, im medizinischen Bereich die Verwendung von sterilen Einmalartikeln sowie die Anwendung von sogenannten „Standard-Vorsichtsmaßnahmen“ (z.B. Händewaschen, Tragen von Handschuhen, Vermeidung von Verletzungen mit spitzen Gegenständen, sichere Entsorgung von gebrauchten Nadeln etc.). Durch den Einsatz der neuen antiviralen Medikamente mit fast 100 % igen Raten der Heilung chronischer HC oder zumindest einer starken Senkung der Viruslast wird das HCVÜbertragungsrisiko insgesamt vermindert.</p> <h2>Hepatitis E</h2> <p>Das Wissen um Hepatitis-E(HE)-Virusinfektionen, die weltweit vorkommen und auch oral erworben werden, nimmt ständig zu. Als humanpathogen gelten bisher die HEV-Genotypen (GT) 1 bis 4, wobei für die GT 1 und 2 (Vorkommen: Asien, Afrika, Zentralamerika) der Mensch das Virusreservoir darstellt, während es sich bei den GT 3 und 4 um eine Zoonose handelt. GT 3 ist in Europa und den USA endemisch. Das Reservoir bilden Haus- und Wildschweine, aber auch Rotwild und Nager. Während die HEV-Infektion bei immunkompetenten Personen in der Regel ausheilt, kann sie bei Immunsupprimierten aufgrund einer fehlenden bzw. zu geringen HEV-spezifischen T-Zell-Antwort einen chronischen Verlauf nehmen. Autochthone HEV-GT-3-Infektionen können durch den Genuss von unzureichend erhitzten Fleischprodukten erworben werden. Trotz einer zunächst meist nur milden Symptomatik kann es bei immunsupprimierten Personen sehr rasch zur Entwicklung einer Leberzirrhose und akutem Leberversagen kommen. Daher sollten vor allem immunsupprimierte Personen den Genuss ungenügend gegarter oder erhitzter Fleischprodukte vermeiden. Ein Impfstoff ist in Österreich derzeit nicht verfügbar.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Virus-Hepatitis und der Öffentliche Gesundheitsdienst in Österreich. https://www.ages.at/service/service-presse/ pressemeldungen/hepatitis-a <strong>2</strong> Hens N et al.: Vaccine 2014; 32: 1507-13 <strong>3</strong> Theeten H et al.: Vaccine 2015; 33: 5723-27 <strong>4</strong> Wen WH et al.: J Hepatol 2013; 59: 24 <strong>5</strong> Bruce MG et al.: J Infect Dis 2016; 214(1): 16-22</p>
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