
Nichtalkoholische Fettleber: Therapien erst am Horizont
Bericht: Reno Barth
Medizinjournalist
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Aktuelle Studiendaten weisen auf die beträchtliche Morbidität und Mortalität infolge der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) hin. Zugelassene Therapien gibt es bislang nicht, doch in immer mehr Studien mit einer wachsenden Zahl an Substanzen zeigen sich zumindest günstige Effekte auf hepatische Biomarker.
Gemäss Schätzungen leiden rund 25% der Weltbevölkerung unter einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD). Für Patienten mit Typ-2-Diabetes wurde sogar eine NAFLD-Prävalenz von 37,3% berichtet.1 Wie viele Menschen von einer nichtalkoholischen Fettleber-Hepatitis (NASH) – und damit von einem deutlich erhöhten Risiko, eine Leberzirrhose und/oder ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln – betroffen sind, ist unklar. Schätzungen bewegen sich zwischen 1,5 und 6,5% der Gesamtbevölkerung.2
Neue, im Rahmen des digitalen International Liver Congress (ILC) 2020 vorgestellte Daten zeigen nun, welche Konsequenzen diese hohe Prävalenz von NAFLD/NASH hat. Insgesamt entfallen in den USA 3,14% der Todesfälle auf Erkrankungen der Leber. Unter den hepatologischen Todesursachen hat in den USA NAFLD mit 26,3% schon beinahe mit der alkoholischen Lebererkrankung (27,9%) gleichgezogen. Dabei zeigen die Daten, dass die Todesursachen von Patienten mit chronischer Lebererkrankung nur in rund der Hälfte der Fälle direkt die Leber betreffen. Diese Patienten leiden häufig auch an den unterschiedlichsten Krebserkrankungen sowie kardiovaskulären Erkrankungen, so Zobair Younossi vom Inova Fairfax Medical Campus in Falls Church, Virginia. Diese neuen Erkenntnisse basieren auf Analysen des National Vital Statistics System, das mehr als 99% der Todesfälle in den USA erfasst. Gemäss dieser Statistik resultiert das erhöhte Mortalitätsrisiko bei chronischen Lebererkrankungen nicht nur aus hepatischen Ursachen, sondern es ist ausserdem mit Diabetes und Sepsis assoziiert. Im Vergleich zu anderen Lebererkrankungen fällt NAFLD hinsichtlich der Todesursachen in mehrfacher Hinsicht auf. So sind extrahepatische Krebserkrankungen bei NAFLD-Patienten häufiger als bei Patienten mit anderen Lebererkrankungen. Dies betrifft einerseits das kolorektale Karzinom und das Pankreaskarzinom. Andererseits aber auch hämatologische Malignome wie das Non-Hodgkin-Lymphom, das bei NAFLD um den Faktor 2 bis 3 vermehrt vorkommt. Insgesamt war das Risiko, an Krebs zu sterben, bei Personen mit NAFLD um 8% höher als in der Normalbevölkerung.3
Kardiovaskuläres Risiko bei NAFLD reduzieren
«Entscheidenden Einfluss auf die Prognose von Patienten mit NAFLD/NASH hat nicht zuletzt das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen, die bei unselektierten NAFLD-Patienten auf Platz eins der Todesursachen stehen», so Anna Mantovani vom University College London. In den Leitlinien werde zwar regelmässig auf die Bedeutung eines multidisziplinären Vorgehens bei NAFLD/NASH hingewiesen, doch seien Daten, die die Wirksamkeit dieses Ansatzes zeigen, Mangelware.
Im Rahmen des ILC 2020 präsentierte Mantovani nun die Ergebnisse einer Studie, die die Effektivität eines multidisziplinären Ansatzes im Hinblick auf metabolische Komorbiditäten und Surrogatmarker der Lebererkrankung untersuchte. Für die Studie wurden Daten von Patienten einer multidisziplinären NAFLD-Klinik prospektiv gesammelt und hinsichtlich hepatologischer Konsultation, kardiovaskulärer Risikoassessments und Ernährungsberatung analysiert. In die Studie wurden 273 Patienten mit annähernd gleicher Geschlechterverteilung und einem mittleren Alter von 56,4 Jahren aufgenommen. Die Prävalenz von Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes war mit 60%, 67% und 50% hoch, 13,2% hatten bereits ein kardiovaskuläres Ereignis hinter sich. Bei Aufnahme in die Studie war das Management der Dyslipidämie bei 64 Patienten (25,2%) suboptimal. Zudem war der Diabetes bei 57 Patienten (41,9%) schlecht kontrolliert und bei 36 Patienten (19,6%) die Hypertonie unzureichend eingestellt. Das Management dieser Patienten wurde in der Folge verbessert.
Während des Verlaufs der Studie zeigten sich signifikante Verbesserungen sowohl der Leberparameter ALT (p=0,013) und AST (p=0,013) und des systolischen und diastolischen Blutdrucks (p=0,002 bzw. p=0,014) als auch des Gesamtcholesterins (p<0,001) und des HbA1c, das bei Patienten mit Diabetes von ca. 8,7% auf 7,9% zurückging (p=0,04). Rund die Hälfte der Patienten erreichte eine Gewichtsreduktion, die bei 8,2% der Kohorte sogar mehr als 10% des Körpergewichts betrug. Das kardiovaskuläre Risiko wurde mit dem QRISK3-Score quantifiziert. Die Zahl der Patienten mit einem QRISK3 ≥10% nahm durch die Umstellung der Therapie von 156 (62,7%) auf 97 (48,5%) ab.4
Mantovani: «Ein multidisziplinärer Ansatz in der Betreuung von NAFLD-Patienten brachte eine Verbesserung sowohl der leberbezogenen als auch der kardiovaskulären Risikofaktoren. Um diese Erfolge zu implementieren und längerfristig zu erhalten, ist eine enge Kooperation zwischen primärer und sekundärer Versorgung der Patienten erforderlich.»
Neue Substanzen in klinischen Studien
Die Lage wird noch dadurch kompliziert, dass es bislang keine zugelassene Therapie für die Behandlung von NAFLD gibt. Am ILC 2020 wurden jedoch mehrere Studien präsentiert, die auf die Wirksamkeit unterschiedlicher Substanzgruppen bei dieser Erkrankung hinweisen. Gezeigt werden konnten Wirkungen auf Transaminasen, Leberfett und andere Indikatoren einer Lebererkrankung. Seit Längerem als potenzielle Angriffspunkte für Therapien bei NAFLD/NASH untersucht werden der Farnesoid-X-Rezeptor (FXR), der die hepatische Glukoneogenese, die Lipogenese und die Steatose negativ reguliert, sowie der Glucagon-like-Peptide-1(GLP-1)-Rezeptor, über dessen Aktivierung eine Verbesserung der glykämischen Kontrolle, Reduktion des Körpergewichts sowie eine Beeinflussung des hepatischen Fettgehalts und der Leberentzündung möglich sind.
In der Phase-IIa-Studie ARGON-1 wurde der neue FXR-Agonist EDP-305 in zwei Dosierungen bei Patienten mit fibrotischer NASH, aber ohne Zirrhose, über zwölf Wochen mit Placebo verglichen. Mit der höheren Dosierung von EDP-305 wurden dabei signifikante Reduktionen der ALT (–27,9U/l; p=0,0495), des Leberfettgehalts (–7,1%; p=0,0009; gemessen mit MRT) und der Gamma-Glutamyl-Transferase (–49,4U/l; p<0,0001) erzielt. Diese Verbesserungen hatten ihren Preis. Unter der Therapie mit EDP-305 (2,5mg) sank das HDL-Cholesterin signifikant und 20,8% der Patienten mussten die Therapie wegen Nebenwirkungen abbrechen, wobei Pruritus die häufigste unerwünschte Wirkung war und bei rund der Hälfte der Patienten auftrat.5 «Diese Studie bestätigt, dass der FX-Rezeptor ein interessantes Ziel für die Therapie der NASH darstellt und dass sich über seine Aktivierung deutliche antisteatotische Effekte erzielen lassen, mit dem Potenzial, die durch Inflammation verursachten Lebenschäden zu reduzieren», zog Vlad Ratziu, Sorbonne und Universitätsspital Pitié Salpêtrière, Paris, Bilanz. Nun sei es erforderlich, grössere und längere Studien durchzuführen, in denen die Effekte nicht nur auf Surrogatparameter, sondern auch auf histologische Endpunkte untersucht werden. Ausserdem gelte es, eine Dosierung zu finden, bei der eine optimale Balance zwischen Wirksamkeit und geringen Nebenwirkungen erreicht wird.
In einer Phase-IIb-Studie wurde Cotadutid, der erste duale GLP-1-/Glukagon-Rezeptor-Agonist, in einer Population übergewichtiger Patienten mit Typ-2-Diabetes über 54 Wochen hinsichtlich der metabolischen Wirkungen untersucht. Die Effekte auf Leber-Biomarker wurden dabei in einer exploratorischen Analyse erhoben. Die mehr als 800 Patienten erhielten einmal täglich entweder Placebo, Liraglutid (1,8mg) oder Cotadutid s.c. (100μg, 200μg oder 300μg). Unter allen Cotadutid-Dosierungen wurde im Vergleich zu Placebo eine signifikante Reduktion des Körpergewichts beobachtet (p<0,001). Cotadutid in der Dosierung 300μg erwies sich in dieser Hinsicht auch im Vergleich zu Liraglutid als überlegen (p=0,009). Mit der Gabe von 200μg und 300μg Cotadutid gingen im Vergleich zu Placebo auch signifikante ALT-Reduktionen einher. Dies traf für Cotadutid 300μg auch im Vergleich zu Liraglutid zu. Ausserdem wurden unter Cotadutid 300μg vs. Placebo Verbesserungen des NAFLD-Fibrose-Scores (NFS) und des Fibrosis-4 Index for Liver Fibrosis (FIB-4) beobachtet.6
«Die epidemiologischen Daten zeigen, dass NAFLD in Verbindung mit metabolischen Störungen zu einer immer wichtigeren Ursache von Lebererkrankungen wird. Die nun vorgestellten Studien legen nahe, dass sowohl FXR als auch die gastrointestinalen Hormonrezeptoren vielversprechende Ziele in der Therapie von NASH sind», erklärte Luca Valenti von der Universität Mailand, Mitglied des EASL Scientific Committee.
Quelle
European Association for the Study of the Liver (EASL): The Digital International Liver Congress 2020
Literatur:
1 Younossi ZM et al.: Hepatology 2016; 64(1): 73-84 2 Spengler EK, Loomba R: Mayo Clin Proc 2015; 90(9): 1233-46 3 Paik J et al.: Causes of death in patients with nonalcoholic fatty liver disease (NAFLD): data from national vital statistics system (NVSS). ILC 2020; abstract AS158 4 Mantovani A et al.: A multidisciplinary approach to non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD) improves cardiovascular risk factors. ILC 2020; abstract AS160 5 Ratziu V et al.: EDP-305, a non-bile acid Farnesoid X receptor (FXR) agonist, showed statistically significant improvements in liver biochemistry and hepatic steatosis in the Phase 2a ARGON-1 study. ILC 2020; abstract AS078 6 Nahra R et al.: Effects of cotadutide on biomarkers of nonalcoholic steatohepatitis in overweight or obese subjects with type 2 diabetes mellitus: a 54-week analysis of a randomized phase 2b study. ILC 2020; abstract AS076