
Leberschäden durch Alkohol und Medikamente
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Alkohol und Medikamente haben eines gemeinsam: Sie können die Leber schädigen. Während die Häufigkeit und die Konsequenzen eines vermehrten Alkoholkonsums gut belegt sind, wird das Auftreten medikamenteninduzierter Leberschädigungen vermutlich unterschätzt.
Die Häufigkeit alkoholbedingter Leberschäden ist nicht verwunderlich, denn der Konsum von Alkohol ist weit verbreitet. Interessanterweise hat auf dem europäischen Kontinent in Ländern wie Frankreich, Spanien und Deutschland, in denen traditionell viel Alkohol getrunken wurde, der Alkoholkonsum in den letzten Jahrzehnten konstant abgenommen. Im gleichen Zeitraum wurde in Ländern wie Luxemburg, Irland, Grossbritannien und Finnland eine deutliche Zunahme des Alkoholkonsums verzeichnet.
Das Risiko für eine «alcoholic liver disease», ALD, nimmt mit der Häufigkeit und der Menge des Alkoholkonsums zu.1 Die von der World Health Organization (WHO) empfohlenen Grenzwerte liegen bei 30g Alkohol/Tag für Männer und 20g Alkohol/ Tag für Frauen. Dabei handelt es sich um keine absoluten Grenzwerte. «Manche Personen vertragen deutlich mehr Alkohol, andere weisen trotz Einhaltung der Grenzwerte Leberschäden auf», sagte Prof. Dr. med. Felix Stickel, Klinik Beau-Site, Hirslanden Bern, am Update Refresher Allgemeine Innere Medizin in Zürich. Neben der Einhaltung der empfohlenen Grenzwerte empfiehlt die WHO, nicht an mehreren Tagen hintereinander Alkohol zu konsumieren, sondern dazwischen Pausen einzuhalten.
Eine Minderheit entwickelt schwere Leberschäden
Chronischer und exzessiver Alkoholkonsum führt fast immer zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Fettleber, circa 10–35% der Betroffenen entwickeln zusätzlich eine Steatohepatitis mit oder ohne fibrotische Veränderungen und circa 8–20% eine Leberzirrhose. Dass nur eine Minderheit der Betroffenen schwere alkoholbedingte Leberschäden entwickelt, liegt an der Komplexität der Erkrankung. Wichtige Risikofaktoren, die zu einer ALD beitragen, sind Begleiterkrankungen, insbesondere Lebererkrankungen, wie eine Virushepatitis, ein metabolisches Syndrom oder Diabetes mellitus. Daneben sind das Geschlecht (Frauen sind häufiger betroffen als Männer), die Ethnizität und genetische Faktoren, wie ein PNPLA3-Polymorphismus, prädisponierend für eine ALD.2
Die Diagnose der ALD wird basierend auf der Anamnese, klinischen Zeichen, Laborveränderungen und dem Ergebnis nicht invasiver oder invasiver Untersuchungen gestellt. Neben den üblichen Laborparametern wie AST/GOT, ALT/GPT, γ-GT, AP, LDH, Bilirubin, Quick etc. kann die Bestimmung von spezifischen Alkoholmarkern hilfreich sein. Wegen der hohen Spezifität ist die Bestimmung von Ethanol am besten geeignet. Der schnelle Abbau erweist sich dagegen als Nachteil der Ethanolbestimmung. Daneben existieren eine Reihe von Surrogatparametern, die eine deutlich längere Halbwertszeit aufweisen und ebenfalls zur Einschätzung des Alkoholkonsums herangezogen werden können (Abb. 1). In der Praxis hat sich ein ALT/AST-Quotient >1,5 kombiniert mit erhöhten Werten von γ-GT, IgA (isoliert) und CDT («Carbohydrate-deficient transferrin») als sehr wahrscheinlich für die Diagnose einer ALD erwiesen.3 Die Quantifizierung von Fibrose und Steatose bei einer ALD erfolgt mittels Elastografie (Fibroscan®) oder Biopsie. Zu den histologischen Zeichen der ALD gehören Veränderungen, wie eine Steatose, der Nachweis von Mallory-Denk-Körperchen und Hepatozyten-Ballonierung als Zeichen des hepatozellulären Schadens sowie entzündliche Infiltrate, vor allem durch neutrophile Granulozyten.4
Abstinenz als oberste Maxime
«Die Abstinenz ist die einzige therapeutische Massnahme, die einen positiven Effekt auf die Leberschädigung bei ALD hat», so Stickel. Ein Nachweis für eine positive Wirkung von antifibrotischen Therapien, wie u.a. Silimarin, Cholchizin oder Propylthiouracil, ist bislang nicht gelungen. Kurzinterventionen wie Gesprächstherapien, die auch von Nicht-Suchtspezialisten durchgeführt werden können, und andere suchttherapeutische Ansätze sind wirksame Massnahmen zur Reduktion des täglichen Alkoholkonsums.5 «Getreu dem Sprichwort: Wer Sorgen hat, hat auch Likör, haben die meisten Patienten einen Grund zu trinken», sagte der Spezialist. Diesen herauszufinden sei durchaus lohnenswert. Zusätzlich kann der Alkoholkonsum durch pharmakologische Therapien modifiziert werden (Tab. 1).
DILI: schwierig zu diagnostizieren
Die Häufigkeit von Leberschäden durch Medikamente («drug-induced liver injury», DILI) wird vermutlich unterschätzt, da häufig keine klinischen Symptome auftreten. Der Nachweis gestaltet sich zudem schwierig, weil das klinische und laborchemische Bild demjenigen anderer Lebererkrankungen, wie zum Beispiel akuten oder chronischen Hepatitiden, Cholestasen etc. ähnelt. Zudem ist die Identifikation der Substanz durch die Komedikation und aufgrund eines «recall bias» oder bewusster Falschangaben der Patienten erschwert. Im Gegensatz zu vielen anderen Lebererkrankungen, die mit spezifischen Nachweismethoden bestätigt oder ausgeschlossen werden können (z.B. chronische Virushepatitis, Autoimmunhepatitis), exisitieren solche Nachweisverfahren für medikamentöse Leberschäden nicht. Diese Umstände dürften mit ein Grund für die zurückhaltende Meldung von unerwünschten hepatischen Arzneimittelwirkungen (UAW) sein. Eine aktuelle Studie beziffert die Inzidenz von UAW bei ambulanten Patienten auf 14 Fälle pro 100000 Patienten und die Inzidenz der UAW im stationären Setting auf 1 Fall pro 100 Patienten.6 Mit einem Verhältnis von 70:30% sind Frauen doppelt so häufig wie Männer betroffen. Neben Risikofaktoren wie Geschlecht und Alter (>50 Jahre) könnte eine medikamentöse Leberschädigung in der Vorgeschichte auf eine erhöhte Anfälligkeit hindeuten. Vorsicht ist zudem geboten bei Medikamenten, die neu zugelassen sind (<6 Monate) oder lipophile Eigenschaften aufweisen, und bei Mehrfachmedikationen oder höherer Dosierung. «Nicht prädiktiv für Medikamentenunverträglichkeit ist ein vorbestehender Leberschaden, wie beispielsweise eine Fettleber oder ALD», so Stickel.
Die DILI ist alles in allem eine Ausschlussdiagnose. Wichtig sind eine sorgfältige Anamnese und bei unklarer Ursache die wiederholte Frage nach der Einnahme von unkonventionellen Pharmazeutika. Als jüngstes Beispiel aus seiner Praxis nannte der Spezialist das Auftreten einer schweren cholestatischen Lebererkrankung nach dem Genuss eines chinesischen Raupenpilzes (Cordyceps sinensis), bei einem zuvor gesunden Patienten. Diese war nachdem Absetzen vollständig reversibel.
Verschiedene Toxizitätsmuster
Mehr als die Hälfte aller Fälle von akutem Leberversagen werden durch Medikamente verursacht.7 Medikamentenassoziierte chronische Leberschäden sind dagegen selten.
Die medikamentöse Hepatotoxizität beruht auf unterschiedlichen Mechanismen. Die intrinsische Hepatotoxizität tritt dosisabhängig und vorhersehbar auf; typischer Auslöser sind zu hohe Dosen Paracetamol (≥4g/Tag). Bei der dosisunabhängigen und unvorhersehbaren idiosynkratischen Hepatotoxizität wird zwischen immunallergischen (z.B Amoxicillin/ Clavulansäure, ACE-Inhibitoren) und metabolischen Reaktionen (Valproinsäure, Isoniazid) unterschieden. Eine Analyse von mehr als 46000 idiosynkratischen DILI-Fällen zeigte, dass die Antibiotika Amoxcillin/Clavulansäure und Flucloxacillin sowie der Lipidsenker Atorvastatin die häufigsten Ursachen für eine DILI sind.4 Aktuelle Informationen zu Ursachen, Diagnose und Häufigkeit, klinischen Mustern und Management der DILI sind auf der Website LiverTox (www.livertox.nih.gov) erhältlich.
Quelle:
FOMF Update Refresher Allgemeine Innere Medizin, 17.–20. November 2021, Zürich
Literatur:
1 Bellentani S et al.: Drinking habits as cofactors of risk for alcohol induced liver damage. The Dionysos Study Group. Gut 1997; 41: 845-50 2 Stickel F et al.: The genetics of alcohol dependence and alcohol-related liver disease. J Hepatol 2017; 66: 195-211 3 Helander A, Tabokoff B: Biochemical markers of alcohol use and abuse: experiences from the pilot study of the WHO/ISBRA collaborative project on state and trait markers of alcohol. International Society for Biomedical Research on Alcoholism. Alcohol Alcohol 1997; 32: 133-44 4 Altamirano J et al.: A histologic scoring system for prognosis of patients with alcoholic hepatitis. Gastroenterology 2014; 146: 1231-9 5 Avancena ALV et al.: Cost-effectiveness of alcohol use treatments in patients with alcohol-related cirrhosis. J Hepatol 2021; 74: 1286-94 6 Teschke R: Idiosyncratic DILI: Analysis of 46,266 cases assessed for causality by RUCAM and published from 2014 to early 2019. Front Pharmacol 2019; 10: 730 7 Ostapowicz G et al.: Results of a prospective study of acute liver failure at 17 tertiary care centers in the United States. Ann Intern Med 2002; 137: 947-54
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