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Hot Topics aus der Hepatologie
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Markus Peck-Radosavljevic
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Endokrinologie und Nephrologie<br> Klinikum Klagenfurt am Wörthersee<br> E-Mail: markus@peck.at
30
Min. Lesezeit
29.09.2016
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<p class="article-intro">Die Hepatologie war in den letzten Jahren ein höchst aktives Wissenschaftsgebiet und konnte eine Reihe von bahnbrechenden wissenschaftlichen Erfolgen zeigen. Auch im Jahr 2016 setzt sich dieser Trend fort und umfasst auch eine ganze Reihe von für den praktizierenden Mediziner relevanten Fortschritten.</p>
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<p class="article-content"><h2>Therapie der Hepatitis C 2016</h2> <p>Nachdem im Jahr 2014 sehr viele Phase-III-Studien zu den neuen antiviralen Hepatitis-C-Medikamenten veröffentlicht worden waren und im Jahr 2015 die ersten großen Real-World-Kohorten die hervorragenden Ergebnisse der Phase-III-Studien bestätigt hatten, wurde nun eine große Anzahl an unterschiedlichen Kohortenanalysen präsentiert. So liegen nun die Daten der US-amerikanischen Kohorten der Veterans Administration sowie der TRIO-Studie ebenso vor wie die Daten der norditalienischen, portugiesischen, spanischen und deutschen Hepatitis-C-Kohorten. In diesen Kohorten wurden unterschiedliche Regime (Simeprevir/Sofos­buvir, Sofosbuvir/Ledipasvir, AbbVie 3-D, Sofosbuvir/Daclatasvir) untersucht und es konnten durch die Bank die ausgezeichneten Ergebnisse der Phase-III-Studien bestätigt werden. Insgesamt wurden 16.236 Patienten mit Hepatitis-C-Virus(HCV)-Genotyp 1 analysiert, wobei – mit Ausnahme der Kombination von Simeprevir/Sofosbuvir (hier lag die Dauerheilungsrate bei 86–88 % ) – sämtliche anderen Kombinationen Heilungsraten zwischen 90 und 98 % aufwiesen.<br /> Darüber hinaus konnte von einer österreichischen Arbeitsgruppe von der MedUni Wien an 104 Patienten durch hämodynamische Studien im Lebervenenkatheter gezeigt werden, dass eine erfolgreiche Hepatitis-C-Therapie auch eine bereits vorhandene portale Hypertension verbessern kann, vor allen Dingen solange diese nicht zu stark ausgeprägt ist.<br /> Sehr interessant waren auch die Ergebnisse zur Therapie der akuten Hepatitis C durch die Kombination von Sofosbuvir/Ledipasvir. Hierbei konnte von einer deutschen Gruppe an 20 Patienten mit akuter HCV-Genotyp-1-Infektion durch eine nur 6-wöchige Therapie eine 100 % ige Heilungsrate bewirkt werden. Somit scheint klar, dass die Therapie der akuten Hepatitis C durch die direkt wirksame antivirale Therapie nicht nur grundsätzlich möglich, sondern vor allem auch sinnvoll und durch die auf die Hälfte verkürzte Therapiedauer vermutlich auch kosteneffektiv sein dürfte.<br /> <br /> Sehr aufschlussreich war auch die Analyse der Erfolgsraten der Hepatitis-C-Therapie in Abhängigkeit vom Behandler: Dabei zeigte sich an 600 Genotyp-1-Patienten in der Phase-IV-ASCEND-Studie, dass die Erfolgsraten unabhängig davon, ob die Therapie von HCV-Spezialisten, praktischen Ärzten oder spezialisierten Krankenschwestern verabreicht wurde, immer zwischen 93 und 97 % lagen. Dies deutet klar darauf hin, dass die Verabreichung der oralen antiviralen Therapie der Hepatitis C grundsätzlich nicht kompliziert ist und sie, vor allen Dingen in Gebieten mit dünner ärztlicher Versorgung, auch von anderen geübten Mitarbeitern unterschiedlicher Gesundheitsberufsgruppen verabreicht werden könnte.<br /> <br /> Nachdem bereits letztes Jahr die Daten zur Hepatitis-C-Therapie mit Sofosbuvir/Velpatasvir vorgestellt worden waren, wurden nun gepoolt die Behandlungsergebnisse aller Genotypen (von 1 bis 6) der Studien ASTRAL-1 bis -3 zusammengestellt. Die durchschnittliche Heilungsrate über alle Genotypen liegt bei 98 % : Die geringste Heilungsrate gab es mit 95 % bei Genotyp-3-Infizierten und war somit ebenfalls hervorragend. In einer gesonderten Betrachtung der Genotyp-3-Patienten (ASTRAL-3-Studie) wurde dann noch die Heilungsrate in Abhängigkeit von An- bzw. Abwesenheit einer Leberzirrhose und von einer antiviralen Vorbehandlung dargestellt: Hier zeigte sich, dass durch die Kombination von Sofosbuvir/Velpatasvir, auch bei zirrhotischen Genotyp-3-Patienten ohne Vorbehandlung eine Heilungsrate von 93 % und bei vorbehandelten zirrhotischen Patienten immer noch eine Heilungsrate von 89 % erzielt werden konnte, womit sich auch die Genotyp-3-Infektion bei „schwierigen“ Patienten nun sehr gut behandeln lässt. Die besonders schwer zu behandelnde Gruppe der dekompensierten Hepatitis-C-Zirrhotiker wurde in der ASTRAL-4-Studie untersucht, wobei bei diesen Patienten gezeigt werden konnte, dass bei dekompensierter Zirrhose die Zugabe von Ribavirin auch zu Sofosbuvir/Velpatasvir sinnvoll ist, insbesondere bei Genotyp-3-Infektion: Während bei allen übrigen Genotypen die Zugabe von Ribavirin keine wesentliche Besserung der Heilungsrate erbrachte, konnte beim dekompensierten Genotyp-3-Zirrhotiker die Heilungsrate durch die Zugabe von Ribavirin zur Kombination von Sofosbuvir/Velpatasvir von 50 auf 85 % hochsignifikant gesteigert werden, sodass für diese Patientengruppe (wahrscheinlich als einzige) Ribavirin auch in Zukunft Teil der Therapie sein wird (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1603_Weblinks_seite25_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Auch die neue Kombination aus dem Proteaseinhibitor ABT-493 und dem NS5a-Inhibitor ABT-530 bei Genotyp-3-Zirrhotikern (allerdings ohne Dekompensation) konnte, auch ohne Ribavirin, eine Heilungsrate von 100 % zeigen. Alle diese Neuerungen werden nun auch die Therapie der Genotyp-3-Infektion hocheffektiv, sicher und einfach machen.</p> <h2>Chronische Hepatitis B und chronische Hepatitis D 2016</h2> <p>In der Therapie der chronischen Hepatitis B bzw. der Delta-Superinfektion gibt es derzeit noch keine klinisch relevanten neuen medikamentösen Therapien. Dafür gibt es sehr interessante Langzeitdaten über die Veränderung in der Elastografie der Leber (gemessen mittels Fibro-Scan®) bei Patienten, welche mittels Nukleosidanaloga behandelt wurden. Dabei zeigt sich, dass sich sowohl die Veränderungen der Transaminasen als auch die Verbesserung in der Elastografie vor allen Dingen in den ersten 6 Monaten bemerkbar machen und dann im weiteren Verlauf über die nächsten 5 Jahre keine dramatische weitere Verbesserung der Leberfibrose zu erwarten ist.<br /> <br /> Ebenso hochinteressant sind Daten aus einer asiatischen Studie, in der ca. 660 Patienten in der immuntoleranten Phase der chronischen Hepatitis B (ALT <80U/l) mit einem Nukleosidanalogon behandelt und über 10 Jahre nachverfolgt wurden. Dabei konnten auch bei diesen Patienten, welche nach den aktuellen Richtlinien keine Indikation zur Therapie mit einem Nukleosidanalogon haben, eine signifikante Verlängerung des Patientenüberlebens sowie eine Reduktion der Progression zur Leberzirrhose und des Auftretens eines Leberkrebses gezeigt werden. Inwieweit diese Daten auch auf europäische Patienten mit normalen Leberwerten und niedriger Viruslast anwendbar sind, ist unklar, die Therapie von Patienten mit nahezu normalen Leberwerten und niedriger Viruslast wird jedoch in Zukunft sicherlich weiter diskutiert werden.<br /> <br /> Auch in der Therapie der Hepatitis D wurden neue Langzeitdaten präsentiert: Bei 136 Patienten konnte über einen Zeitraum von 10 Jahren gezeigt werden, dass nur die Therapie mit Interferon eine Verlängerung des Überlebens und eine Verringerung von Leberdekompensation bewirken kann, nicht jedoch eine Therapie mit Nukleosidanaloga, zumal diese keinerlei Effekt auf die Krankheitsaktivität und die Replikation der HDV-RNA haben (Abb. 2).<br /> Unter den Patienten mit Interferon-Therapie hatten wiederum vor allen Dingen die Patienten ein signifikant besseres Outcome, welche einen HBsAg-Verlust aufweisen konnten, während Patienten mit langfristig positivem HBsAg ein deutlich kürzeres Überleben aufwiesen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1603_Weblinks_seite25_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Leberzirrhose 2016</h2> <p>In einer rezenten, prospektiven, randomisierten Studie wurde die Frage nach dem optimalen Intervall zwischen zwei endoskopischen Varizenbandligaturen nochmals aufgeworfen und dabei das aktuell empfohlene 14-tägige mit einem 7-tägigen Intervall zwischen den einzelnen Ligaturbehandlungen verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass es 4 Wochen nach Beginn der Varizenbandligatur (primärer Endpunkt) zwar etwas mehr komplette Varizeneradikationen in der Gruppe gab, welche jede Woche eine Bandligatur erhielt, es gab jedoch weder in der Rezidivblutungsrate noch in anderen Endpunkten einen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Behandlungsgruppen. Auch die Nebenwirkungen waren tendenziell in der Gruppe mit wöchentlicher Ligatur etwas stärker ausgeprägt, sodass auch weiterhin die Empfehlung in Richtung eines 2-wöchigen Intervalls zwischen den Varizenbandligaturen bestehen bleiben wird.<br /> In einer weiteren randomisierten Studie wurde bei 72 Patienten der Gore-Tex-ummantelte transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt (TIPS) im Vergleich mit endoskopischer Bandligatur plus nicht selektiven Betablockern zur Prävention einer akuten Rezidivblutung aus Ösophagusvarizen getestet. Der Gore-Tex-ummantelte TIPS führte auch tatsächlich zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivblutungen, welche bei keinem einzigen der so behandelten Patienten im Verlauf von 3 Jahren nach Beobachtung auftraten. Allerdings waren alle anderen Endpunkte zwischen den beiden Behandlungsgruppen nicht unterschiedlich ­(weder das Auftreten von Enzephalopathie noch das Gesamtüberleben der ­Patienten).<br /> <br /> Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gore-Tex-ummantelte TIPS daher dem endoskopischen sowie medikamentösen Management in Hinblick auf harte Endpunkte nicht überlegen ist, solange es sich nicht um Hochrisikopatienten handelt (welche mit einem „early TIPS“, einem akut angelegten TIPS innerhalb von 72 Stunden nach der akuten Varizenblutung, behandelt werden), und daher vermutlich weiterhin elektiv als Zweitlinientherapie eingesetzt werden wird.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Es gibt in vielen Bereichen der Hepatologie – von der Virushepatitis über die Leberzirrhose bis hin zum Leberkrebs – bisher sehr interessante, praxisrelevante Neuentwicklungen im Jahr 2016 und die intensive Aktivität in vielen Bereichen der Hepatologie lässt noch einige vielversprechende Ergebnisse für die weiteren Monate des Jahres 2016 erwarten.</p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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