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Hepatitis C und hepatozelluläres Karzinom
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Matthias Pinter, PhD
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie<br> Universitätsklinik für Innere Medizin III<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: matthias.pinter@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
12.06.2018
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<p class="article-intro">Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist der fünfthäufigste maligne Tumor und die zweithäufigste Ursache für Krebs-bedingte Todesfälle weltweit.<sup>1</sup> Neben der chronischen Hepatitis-B-Infektion und Alkoholabusus gehört die chronische Hepatitis-C-Virus(HCV)- Infektion zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung eines HCC. Schätzungen zufolge sind etwa 3 % der Weltbevölkerung mit HCV chronisch infiziert (WHO, www.who.int).</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>HCV und HCC-Risiko</h2> <p>Die Hauptrolle des HCV in der HCCEntstehung liegt im Schaffen einer entzündlichen und fibrotischen Mikroumgebung, die schließlich als kanzerogenes Milieu dient.<sup>2, 3</sup> Bei Personen mit chronischer HCV-Infektion steigt das Risiko, ein HCC zu entwickeln, mit zunehmender Schwere der Leberfibrose an. Die jährliche Inzidenz beträgt bei Patienten mit Zirrhose, dem Endstadium der Fibrose, etwa 1–7 % .<sup>4, 5</sup> Neben der durch die chronische HCV-Infektion begünstigten Progression der Leberfibrose dürften bestimmte HCVProteine auch direkte karzinogene Effekte aufweisen, was wiederum die Entstehung eines HCC fördert.<sup>2, 3</sup><br /> Eine erfolgreiche HCV-Therapie eliminiert das HCC-Risiko nicht gänzlich. So haben insbesondere Patienten mit fortgeschrittener Fibrose trotz HCV-Eradikation ein weiterhin erhöhtes Risiko, ein HCC zu entwickeln.<sup>6</sup> Deshalb wird von den europäischen Leitlinien bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose (F3) oder Zirrhose trotz erfolgreicher HCV-Therapie ein HCCScreening mittels Ultraschall alle 6 Monate empfohlen.<sup>7</sup></p> <h2>DAA-Therapie und HCC</h2> <p>Mit der Entwicklung der neuen, hocheffektiven HCV-Therapien („direct-acting antivirals“, DAA), die nun die Interferon( IFN)-basierten Regime ersetzen, ist grundsätzlich mit einem Rückgang der HCVassoziierten HCC zu rechnen.<sup>8</sup> Diese ermöglichen eine dauerhafte Heilung („sustained virological response“, SVR) bei der überwiegenden Mehrheit der HCV-Patienten, unabhängig vom Virusgenotyp und trotz zugrunde liegender Leberzirrhose.<sup>9</sup><br /> Laut rezenten Kohortenstudien war jedoch das Vorliegen eines aktiven HCC mit einer höheren Rate an HCV-Therapieversagern assoziiert, während eine DAA-Therapie nach kurativer HCC-Therapie in exzellenten Heilungsraten resultierte. Als mögliche Gründe für das höhere Therapieversagen bei HCC-Patienten wurde unter anderem diskutiert, dass das HCV in Tumorzellen für DAA aufgrund der veränderten Tumorblutversorgung, insbesondere nach lokal-ablativer Therapie, weniger zugänglich sein könnte. Auch HCCbedingte Veränderungen von Immunprozessen in der Leber könnten dazu beitragen.<sup>10, 11</sup><br /> Überraschenderweise wurde auch in mehreren Studien eine mögliche Assoziation zwischen DAA-Therapie und einem erhöhten Risiko für HCC-Entstehung und -Rezidiv berichtet. Diese Studien waren allerdings zumeist unterpowerte, retrospektive Auswertungen mit heterogenem Patientenkollektiv und kurzer Nachbeobachtungszeit.<sup>12–15</sup> Als mögliche Erklärungen für ein potenziell erhöhtes HCC-Risiko nach DAA-Therapie wurden unter anderem Effekte auf die Immunmikroumgebung und die Aktivierung von Regenerationsprozessen nach erfolgreicher Viruselimination diskutiert. Demnach soll es im Rahmen der chronischen HCV-Infektion zur Ausbildung einer Art Immunsurveillance – vermittelt durch eine unspezifische T-Zell-Antwort und natürliche Killerzellen – kommen, die das Wachstum von (prä-) malignen Zellen verhindert. Durch eine rasche Viruselimination könnte es – so die Theorie – zum Wegfall dieser Immunsurveillance kommen, was wiederum die HCC-Entstehung bzw. Rezidive begünstigen könnte (Abb. 1). Auch die Aktivierung von Regenerationsmechanismen durch die Heilung der Inflammation nach erfolgreicher HCV-Therapie könnte das Wachstum von prämalignen Läsionen fördern.<sup>16, 17</sup><br /> Daten zweier erst kürzlich veröffentlichter Arbeiten konnten nun in großen HCVKohorten zeigen, dass Patienten, die mit DAA behandelt wurden, eine höhere Rate an HCCRisikofaktoren (höheres Alter, Diabetes, weiter fortgeschrittene Zirrhose) aufwiesen als IFN-behandelte Patienten. Nach entsprechender Berücksichtigung dieser Faktoren konnte kein Unterschied in der HCC-Inzidenz zwischen DAA- und IFN-basierten Therapien gezeigt werden. Eine erfolgreiche Heilung – egal ob durch DAA oder IFN – war jedenfalls mit einer signifikanten Reduktion des HCC-Risikos assoziiert.<sup>18, 19</sup> Auch zwei rezent veröffentlichte Metaanalysen, die HCC-Risikofaktoren (z.B. Alter, Zirrhosestadium) bzw. die Beobachtungsdauer berücksichtigt haben, konnten kein erhöhtes Risiko für De-novo-HCC bzw. HCC-Rezidive nach DAA-Therapie im Vergleich zu IFN beobachten.<sup>20, 21</sup><br /> Somit könnten die in früheren Studien berichteten höheren HCC-Inzidenz- und -Rezidivraten nach DAA-Therapie – neben den bereits erwähnten Einschränkungen im Studiendesign – einerseits auf die geringere Anzahl von Baseline-HCC-Risikofaktoren bei IFN-behandelten Personen und andererseits auf ein Selektionsbias (DAA wurden bei Patienten mit höherem HCC-Risiko verwendet) zurückgeführt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1802_Weblinks_jatros_infekt_1802_s48_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="672" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Entsprechend den Daten aus großen Kohortenstudien und Metaanalysen ist durch die Anwendung von DAA nicht mit einem erhöhten Risiko für De-novo-HCC oder HCC-Rezidive im Vergleich zu IFN-basierten Regimen zu rechnen. Vielmehr ist das Erreichen einer dauerhaften Heilung von der HCV-Infektion mit einem deutlich geringeren HCC- Risiko assoziiert. Ob DAA die HCC-Entstehung bei bestimmten Patienten mit ohnehin erhöhtem HCC-Risiko (z.B. fortgeschrittene Fibrose und aktivierte Neoangiogenese) begünstigen können, ist nicht gänzlich auszuschließen, bedarf jedoch weiterer Untersuchungen.<sup>22</sup> Ob aktive HCC mit einer geringeren HCV-Heilungsrate assoziiert sind, muss ebenfalls noch weiter untersucht werden.</p> </div></p>
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<p><strong>1</strong> T orre LA et al.: CA Cancer J Clin 2 015; 6 5: 8 7-108 <strong>2</strong> Hoshida Y et al.: J Hepatol 2014; 61: S79-90 <strong>3</strong> Koike K: Clin Gastroenterol Hepatol 2005; 3: S132-5 <strong>4</strong> Yang JD et al.: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2010; 7: 448-58 <strong>5</strong> Yoshida H et al.: Ann Intern Med 1999; 131: 174-81 <strong>6</strong> van der Meer AJ et al.: JAMA 2012; 308: 2584-93 <strong>7</strong> European Association for the Study of the Liver et al.: EASL-EORTC clinical practice guidelines: management of hepatocellular carcinoma. J Hepatol 2012; 56: 908-43 <strong>8</strong> Chung RT et al.: N Engl J Med 2014; 370: 1576-8 <strong>9</strong> Asselah T et al.: Liver Int 2018; 38(Suppl 1): 7-13 <strong>10</strong> Beste LA et al.: J Hepatol 2017; 67: 32-9 <strong>11</strong> Prenner SB et al.: J Hepatol 2017; 66: 1173-81 <strong>12</strong> Conti F et al.: J Hepatol 2016; 65: 727-33 <strong>13</strong> Kozbial K et al.: J Hepatol 2016; 65: 856-8 <strong>14</strong> Ravi S et al.: Gastroenterology 2017; 152: 911-2 <strong>15</strong> Reig M et al.: J Hepatol 2016; 65: 719-26 <strong>16</strong> Debes JD et al.: Transplantation 2017; 101: 910-5 <strong>17</strong> Debes JD et al.: Lancet Gastroenterol Hepatol 2017; 2: 78-80 <strong>18</strong> Ioannou GN et al.: J Hepatol 2017; pii: S0168-8278(17)32273-0 <strong>19</strong> Li DK et al.: Hepatology 2017; doi: 10.1002/hep.29707 <strong>20</strong> Rutledge S et al.: Hepatology 2017; 66(S1): Abstract #1380 <strong>21</strong> Waziry R et al.: J Hepatol 2017; 67: 1204-12 <strong>22</strong> Faillaci F et al.: H epatology 2018; 30(1): 39-43</p>
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