<p class="article-intro">Chronische Virusinfektionen der Leber können zu einer Leberzirrhose führen und sind ein Risiko für die Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC). In den letzten Jahren hat es verschiedene Neuigkeiten zu den chronischen Virushepatitiden gegeben. So hat sich die Therapie der chronischen Hepatitis C revolutioniert und die chronische Hepatitis B ist mit der antiviralen Therapie sehr gut kontrollierbar.</p>
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<p class="article-content"><p>Fast alle Patienten können mittlerweile von der chronischen Hepatitis C geheilt werden. Konzepte zur Heilung der chronischen Hepatitis B werden evaluiert. Die chronische Hepatitis D ist weiterhin schwierig zu behandeln, allerdings gibt es Hoffnung, dass es bald neue Medikamente mit besserer Verträglichkeit und Wirksamkeit gibt. In den letzten Jahren wurde deutlich, dass auch die Hepatitis E chronisch verlaufen kann, insbesondere Patienten nach einer Organtransplantation sind betroffen.</p> <h2>Chronische Hepatitis-C-Virus(HCV)- Infektion</h2> <p>In Deutschland leben ca. 250 000 bis 400 000 Menschen mit einer chronischen HCV-Infektion. Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis C ist die Heilung der chronischen Infektion und der damit verbundenen Morbidität und Mortalität. Stellvertretend für die Ausheilung der Hepatitis C hat sich der Surrogatmarker einer „sustained virological response“ (SVR; HCV-RNAnegativ 12 bzw. 24 Wochen nach Therapieende) etabliert.<sup>1</sup> Mit der Einführung der direkt antiviralen Medikamente (DAA) ist seit 2014 kein Interferon alfa zur Behandlung der HCV-Infektion mehr notwendig.<sup>1</sup> Aufgrund der sehr hohen Ansprechraten von mittlerweile >95 % bei einer Therapiedauer von nur 8 bis 12 Wochen ist die Behandlung sehr einfach geworden. Prinzipiell könnte man aktuell sogar fast alle Patienten unabhängig von HCV-Genotyp für 12 Wochen mit einem pangenotypischen Behandlungsregime behandeln und würde immer eine Heilungsrate >95 % erreichen. Alternative DAA-Kombinationen, die nur bei den HCV-Genotypen 1 und 4 wirksam sind, werden aufgrund geringerer Kosten aber weiterhin eingesetzt (Tab. 1). <br />Die erfolgreiche Therapie der chronischen Hepatitis C verhindert Komplikationen der Infektion wie Leberzirrhose und reduziert das HCC-Risiko.<sup>2</sup> Es ist auch gezeigt worden, dass die antivirale Therapie und HCV-Elimination die klinische Symptomatik bei extrahepatischen Manifestationen verbessert. Eine Verbesserung der Kryoglobulinämie, der Insulinresistenz und der Müdigkeit sowie die Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Komplikationen sind dokumentiert.<sup>3, 4</sup><br />Aufgrund der hohen Heilungsraten von >95 % ist theoretisch eine nahezu vollständige Elimination der HCV-Infektionen in Deutschland bis 2030 mit ausschließlichem Einsatz von antiviralen Medikamenten möglich.<sup>5</sup> Allerdings sind Re-Infektionen in Hochrisikogruppen häufig und viele Patienten mit chronischer Hepatitis C sind bislang noch nicht identifiziert, sodass eine Elimination nur gelingen kann, wenn Screening- und Behandlungskonzepte bei Hochrisikopatienten verbessert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_a5-tab1.jpg" alt="" width="641" height="761" /></p> <h2>Chronische Hepatitis-B-Virus(HBV)- Infektion</h2> <p>In Deutschland gibt es vermutlich 400 000 bis 500 000 Patienten mit einer chronischen HBV-Infektion, d.h. Personen, die HBsAg-positiv sind. <br />Liegt eine Behandlungsindikation vor, gibt es zwei verschiedene Therapiekonzepte. Die Behandlung mit pegyliertem Interferon alfa (PEG-IFN) ist in erster Linie eine immunmodulatorisch wirkende Therapie, die zeitlich (i.d.R. 48 Wochen) begrenzt ist, aber mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen verbunden ist. Die Behandlung mit direkt antiviral wirkenden Nukleosidanaloga (NA) ist dagegen sehr gut verträglich, sie müssen aber meist über einen längeren Zeitraum, meist dauerhaft, eingenommen werden.<sup>6</sup> Beide Therapieoptionen haben dementsprechend Vorund Nachteile. Von einer Behandlung mit PEG-IFN profitieren häufiger Patienten mit niedriger HBV-DNA, höheren Leberwerten und dem HBV-Genotyp A.<sup>6</sup> Mithilfe der Quantifizierung des HBsAg können Patienten, die keine große Chance auf ein Therapieansprechen haben, nach 12 Wochen identifiziert werden.<sup>7</sup> Aufgrund der Nebenwirkungen der PEG-IFN-Therapie und der doch letztendlich geringen Anzahl von Patienten, die einen HBsAg-Verlust erreichen, werden die meisten Patienten mit NA behandelt. NA wirken ausschließlich auf die reverse Transkription, sie haben daher im Gegensatz zu IFN allerdings kaum einen Einfluss auf die intrahepatische cccDNA und die HBsAg-Produktion.<sup>7</sup> Aufgrund der nur sehr langsamen Kinetik des HBsAg unter NA wurde berechnet, dass die Dauer einer Therapie bis zum HBsAg-Verlust vermutlich im Mittel mehr als 50 Jahre beträgt.<sup>7</sup> In den meisten Fällen kann eine Therapie nur sicher beendet werden, wenn ein HBsAg-Verlust erreicht wird.<sup>7</sup> Insofern ist die Therapie mit NA meist eine langjährige und oft lebenslange Therapie. Aktuell wird aber diskutiert, ob die Therapie mit NA bereits vor Erreichen des HBsAg-Verlusts sicher beendet werden kann. Ein Abbruch der Therapie führt in den meisten Fällen zu einer Reaktivierung des Virus.<sup>8</sup> Interessant ist aber, dass bei einigen dieser Patienten das Immunsystem stimuliert wird und nachfolgend ein Abfall des HBsAg erreicht wird.<sup>9</sup> Biomarker zur Vorhersage, welcher Patient von einem frühzeitigen Abbruch profitiert, werden zurzeit evaluiert. Aufgrund der insgesamt geringen Rate an HBsAg-Verlust mit den gegenwärtigen Therapiekonzepten werden aktuell verschiedene neue Therapiekonzepte in präklinischen und frühen klinischen Studien untersucht.<sup>10</sup> <br />Viele Patienten mit einer chronischen HBV-Infektion haben allerdings eine sehr gute Prognose und sind als niedrig virämische inaktive Virusträger zu definieren, die i.d.R. keine antivirale Therapie benötigen.<sup>6</sup> Achtung: Es kann hier unter Immunsuppression zu schwerwiegenden Reaktivierungen kommen. Daher ist in dieser Situation doch eine Therapie mit Entecavir oder Tenofovir notwendig.<sup>6</sup> Eine klare Therapieindikation besteht, wenn die HBV-DNA als Marker für die Replikation einen Wert >2000 IU/ ml übersteigt und gleichzeitig erhöhte Leberwerte oder eine deutliche Leberfibrose vorliegen. Bei einer Leberzirrhose und nachweisbarer HBV-DNA sollte immer behandelt werden.<sup>6</sup> Eine Besonderheit stellen Schwangere mit einer HBV-DNA >200 000 IU/ml dar. Hier sollte unabhängig von Leberwerten und -fibrose eine Behandlung mit Tenofovir erfolgen, um eine Infektion des Kindes zu verhindern.<sup>6</sup></p> <h2>Chronische Hepatitis delta (HDV)</h2> <p>Die Hepatitis D ist abhängig von einer Hepatitis-B-Virus-Infektion, da es die Hülle (HBsAg) für den Eintritt in die Leberzelle benötigt. Ca. 5 bis 10 % der HBV-Infizierten haben eine HBV/HDV-Koinfektion.<sup>11</sup> Die chronische Hepatitis D ist mit einer sehr raschen Progression zur Leberzirrhose verbunden. Als Therapiemöglichkeit steht derzeit nur PEG-IFN zur Verfügung.<sup>12</sup> Die Erfolgsaussichten (HDV-RNA Suppression) einer PEG-IFN-Therapie, die meist 48 Wochen durchgeführt wird, liegen bei ca. 25 bis 30 % , wobei allerdings späte Virusreaktivierungen vorkommen.<sup>12</sup> Die Therapie mit PEG-IFN kann allerdings bei vielen Patienten mit Hepatitis D nicht eingesetzt werden, weil Kontraindikationen bestehen und sehr oft die Leberzirrhose bereits fortgeschritten ist. <br />Neue Therapiemöglichkeiten werden aktuell in Phase-II-Studien getestet. Da die Hepatitis D einen „Orphan Disease“-Status hat, können Medikamente schneller entwickelt werden. Aussichtsreiche Kandidaten für eine baldige Zulassung sind der Prenylierungsinhibitor Lonafarnib und der HBV/HDV-Eintrittsinhibitor Myrcludex, ein Lipopeptid, das die Funktion des HBVRezeptors NTCP in sehr geringer Konzentration blockiert.<sup>13, 14</sup></p> <h2>Chronische Hepatitis-E-Virus(HEV)- Infektion</h2> <p>Hepatitis E ist eine vermeintlich reiseassoziierte, selbstlimitierende Erkrankung, die in seltenen Risikogruppen zu einem Leberversagen führen kann. Allerdings werden zunehmend autochthone, in Deutschland erworbene Hepatitis-E-Fälle berichtet. In diesen Fällen wird eine zoonotische Übertragung des HEV angenommen, jedoch ist eine Übertragung auch über den Blutweg und fäkal-oral bei Infizierten möglich. Hierbei handelt es sich um Infektionen mit einem anderen Genotyp (G3 anstatt z.B. G1 in Südostasien). <br />Je nach Assay weisen bis zu 30 % der Bevölkerung Antikörper gegen Hepatitis E auf, sodass Infektionen wahrscheinlich häufiger vorkommen als bislang angenommen. In Deutschland gibt es vermutlich 400 000 Infektionen pro Jahr, die allerdings meist asymptomatisch verlaufen. Bei immunkompetenten Menschen ist die Erkrankung selbstlimitierend. Bei immuninkompetenten Menschen, besonders nach Organtransplantationen, wird in manchen Fällen auch von einer chronischen HEV-Infektion berichtet, die eine Intervention notwendig macht.<sup>15</sup> <br />Neben einer Reduktion immunsuppressiver Medikamente ist eine Therapie mit Ribavirin möglich. Bislang gibt keine prospektiven randomisierten Studien, sondern nur Fallserien, die aber eine Wirksamkeit von Ribavirin bei HEV-Infektion bei ca. 70 bis 80 % der Patienten belegen. Für die Zukunft sind weitere antivirale Medikamente wünschenswert, da Ribavirin vor allem bei transplantierten Patienten häufig eine Anämie verursacht, sodass die Dosis reduziert werden muss oder das Medikament erst gar nicht eingesetzt werden kann. Es gibt erste Hinweise darauf, dass das Nukleotidanalogon Sofosbuvir (zugelassen bei der HCV-Infektion) auch eine antivirale In-vitro-Wirksamkeit gegen HEV hat.<sup>16</sup> Es gibt bereits Fallberichte, die einen Abfall der HEV-RNA unter Sofosbuvir beobachtet haben.<sup>17</sup> Eine prospektive Studie mit 10 Patienten läuft.</p> <p>Interessenkonflikte:<br /> MC: Honorare für Vortragstätigkeit oder Beratertätigkeit für Abbvie, Bristol-Myers Squibb, Falk Foundation, Gilead Science, Merck (MSD), Novartis, Roche Pharma, Roche Diagnostics, Siemens. Forschungsunterstützung durch Roche Pharma</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> EASL 2017: EASL recommendations on treatment of hepatitis C. J Hepatol 2016; 66: 153-94 <strong>2</strong> Backus LI et al.: Impact of sustained virologic response with direct-acting antiviral treatment on mortality in patients with advanced liver disease. Hepatology 2019; 69: 487-97 <strong>3</strong> Cacoub P et al.: Long-term efficacy of interferon-free antiviral treatment regimens in patients with hepatitis C virus-associated cryoglobulinemia vasculitis. Clin Gastroenterol Hepatol 2019; 17: 518-26 <strong>4</strong> Nahon P et al., ANRS COCG: Eradication of hepatitis C virus infection in patients with cirrhosis reduces risk of liver and non-liver complications. Gastroenterology 2017; 152: 142-56.e2<strong> 5</strong> Wedemeyer H et al.: Strategies to manage hepatitis C virus (HCV) disease burden. J Viral Hepat 2014; 21 Suppl 1: 60-89<strong> 6</strong> Cornberg M et al.: Prophylaxis, diagnosis and therapy of hepatitis B virus infection - the German guideline. Z Gastroenterol 2011; 49: 871-930 <strong>7</strong> Cornberg M et al.: The role of quantitative hepatitis B surface antigen revisited. J Hepatol 2017; 66: 398-411 <strong>8</strong> Papatheodoridis G et al.: Discontinuation of oral antivirals in chronic hepatitis B: a systematic review. Hepatology 2016; 63: 1481-92 <strong>9</strong> Höner Zu Siederdissen C et al.: Viral and host responses after stopping long-term nucleos-(t) ide analogue therapy in HBeAg-negative chronic hepatitis B. J Infect Dis 2016; 214: 1492-7 <strong>10</strong> Bartenschlager R et al.: Personalized treatment of viral hepatitis of the present and the future: hepatitis B, C, delta, and E. Internist (Berl) 2017; 58: 666-74 <strong>11</strong> Wedemeyer H, Manns MP: Epidemiology, pathogenesis and management of hepatitis D: update and challenges ahead. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2010; 7: 31-40 <strong>12</strong> Wranke A, Wedemeyer H: Antiviral therapy of hepatitis delta virus infection - progress and challenges towards cure. Curr Opin Virol 2016; 20: 112-8 <strong>13</strong> Koh C et al.: Oral prenylation inhibition with lonafarnib in chronic hepatitis D infection: a proof-of-concept randomised, double-blind, placebo-controlled phase 2A trial. Lancet Infect Dis 2015; 15: 1167-74 <strong>14</strong> Bogomolov P et al.: Treatment of chronic hepatitis D with the entry inhibitor myrcludex B: first results of a phase Ib/IIa study. J Hepatol 2016; 65: 490-8 <strong>15</strong> Pischke S et al.: Hepatitis E in Germany – an under- reported infectious disease. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 577-83 <strong>16</strong> Dao Thi VL et al.: Sofosbuvir inhibits hepatitis E virus replication in vitro and results in an additive effect when combined with ribavirin. Gastroenterology 2016; 150: 82-5.e4 <strong>17</strong> van der Valk M et al.: Sofosbuvir shows antiviral activity in a patient with chronic hepatitis E virus infection. J Hepatol 2017; 66: 242-3</p>
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