
Vaginale Deszensuschirurgie mit Eigengewebe
Autor:innen:
PD Dr.med. David A. Scheiner1,2
PD Dr.med. Daniele Perucchini1
Dr.med. Sören Lange2
Dr.med. Nicole Keller2
Prof. Dr.med. Cornelia Betschart2
1 Blasenzentrum AG, Zürich
2 Universitätsspital Zürich
Klinik für Gynäkologie
Korrespondierender Autor:
PD Dr.med. David A. Scheiner
E-Mail: scheiner@hin.ch
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Mode und Deszensuschirurgie sind sich ähnlich: Beide unterliegen einem stetigen Wandel und widerspiegeln den Geist ihrer Epoche. Das Verbot verschiedener Länder, Fremdmaterialien zur vaginalen Korrektur von Senkungszuständen einzusetzen, und die kontroversen Diskussionen richteten die wissenschaftliche Aufmerksamkeit wieder auf die traditionellen vaginalen Senkungsoperationen mit Eigengewebe. Im Folgenden bieten wir eine kurze und nicht abschliessende Übersicht über rekonstruktive vaginale Verfahren mit Eigengewebe, dem sogenannten «native tissue repair».
Keypoints
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Der «richtige» Senkungseingriff hängt vom Beschwerdebild und den Vorstellungen der Patientin ab und wird mit ihr gemeinsam geplant.
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Der vaginale «native tissue repair» weist eine niedrige Komplikationsrate auf, ist sicher und das am längsten eingesetzte chirurgische Verfahren zur Behebung vaginaler Senkungen.
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Angesichts aktueller Daten behält der vaginale «native tissue repair» seinen Stellenwert als chirurgische Erstlinientherapie des Genitaldeszensus bei, auch hinsichtlich erzielter Lebensqualität und Linderung von Senkungsbeschwerden.
Einführung1,2
Vielleicht führte Soranus in Ephesus im Jahre 120 n. Chr. die erste Prolapsoperation durch: eine vaginale Hysterektomie (HE) bei einem gangränösen, invertierten Uterus. Bei solchen Eingriffen wurden wohl Harnblase und Harnleiter in Mitleidenschaft gezogen, und die wenigsten Patientinnen überlebten. Die erste «Senkungsoperation» führte eine 46-jährige Bäuerin an sich selbst durch: Nachdem sie durch ihren prolabierten Uterus genervt war, zog sie ihn kurzerhand weiter hervor und schnitt ihn ab, wie 1670 der Geburtshelfer Percival Willoughby notierte. Sie überlebte die starke Blutung, verlor aber Tag und Nacht unkontrolliert Urin. Ab 1800 (und vor der allerersten abdominalen Hysterektomie von Charles Clay 1843 in Manchester) sind vaginale Hysterektomien von Baudelocque, Lauvariol, Osiander von Göttingen und Conrad Langenbeck durchgeführt worden. Mit der Hysterektomie allein löst sich zwar die Uteruspathologie, nicht aber so einfach das urogynäkologische Problem. Ahlfelt stellte 1909 fest, dass das einzige ungelöste Problem in der plastischen Gynäkologie die definitive Behandlung der Zystozele sei.3 Seine Aussage könnte aktueller nicht sein. Zwecks definitiver Korrektur der Zystozele wurden und werden diverse natürliche und synthetische Transplantate eingesetzt: zuerst 1955 die Tantalum-Netze, später dann Kollagen- und in den 90er-Jahren nichtresorbierbare Netze, die später als fixfertige Kits mit Netzen aus Polypropylen der Amid-Klasse I (monofilamentär und makroporös) auf den Markt kamen.4 Wären da nur nicht Netzerosionen oder Dyspareunie aufgetreten und hätte die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) keine Warnung für die transvaginalen Netze herausgegeben.5 Während einige Länder die Netze gänzlich verbieten, können diese z.B. in der Schweiz noch eingesetzt werden.6 Und so sind wir ungefähr dort angelangt, wo wir vor über einem Jahrhundert gestartet haben. Aber so falsch sind diese «alten» vaginalen, netzfreien Operationstechniken auch nicht. Die Diaphragmaplastik zur Korrektur der Zystozele, die Kolpoperineoplastik bei Rektozele oder erweitertem Introitus sowie die apikale Fixation mittels sakrospinaler Fixation nach Richter oder uterosakraler Fixation gehören – mit oder ohne vaginale Hysterektomie – zur urogynäkologischen Grundausbildung und sollten der eigentliche Benchmark sein. Gerade bei einer solch häufigen benignen Erkrankung wie der Beckenbodenschwäche, deren Inzidenz mit dem Alter zunimmt und deretwegen 11 bis 19% der Frauen bis zum 85. Lebensjahr operiert werden, ist eine dauerhafte und komplikationsarme Behebung mehr als nur wünschenswert.7 Das kleine Becken wird in die folgenden drei Kompartimente unterteilt: Zum vorderen zählen Blase, Urethra und vordere Vaginalwand, zum hinteren das Rektum und die hintere Vaginalwand und das mittlere umfasst den Uterus oder den Vaginalstumpf sowie das Scheidengewölbe. Der Genitaldeszensus kann isoliert vorliegen, tritt aber in der Regel in verschiedenen Kompartimenten auf. Kompartimenttypische Beschwerden umfassen bei der Zystozele (Blasensenkung) z.B. Restharnbildung, rezidivierende Harnwegsinfekte oder Pollakisurie und bei der Rektozele Stuhlinkontinenz oder «stool-outlet-obstruction». Mögen die Symptome noch so unterschiedlich und vielfältig sein: Schmerzen oder Dyspareunie sind nicht typisch und bedürfen der weiteren Abklärung. Typische Senkungsbeschwerden dagegen sind ein vaginales Senkungs- oder Fremdkörpergefühl, ein „Druck nach unten“ oder bei ausgeprägtem Deszensus auch Hautulzerationen bzw. Druckstellen. Allerdings korrelieren Beschwerdemass und Anatomie nicht zwingend.
Die vaginalen Operationen
Das Konzept der auch in Regionalanästhesie durchführbaren vaginalen Senkungsoperationen basiert auf der Adaptation und Verstärkung des geschädigten, geschwächten und auseinandergewichenen körpereigenen Gewebes wie Faszien oder Bindegewebe (daher der Begriff «native tissue repair») und weist Erfolgsraten zwischen 70 und 95% auf.8,9 Mit seiner Neuanalyse konnte Clark die noch in der Studie von Olsen nachteilig hoch klingende Rezidivrate von 30% für den «native tissue repair» neu mit einer Reoperationsrate für Prolaps im selben Kompartiment und Harninkontinenz von nur noch 13% klar relativieren.10 In diesem Sinne unterstützt auch die European Urogynecology Association eindeutig die vaginalen Eingriffe mittels «native tissue repair» als Erstlinientherapie des Genitaldeszensus.11 Der im Cochrane-Review von Maher gefundene geringe Vorteil für die Sakrokolpopexie-Gruppe im Vergleich zur sakrospinalen Gruppe relativiert sich nach Einbezug der nicht miteinbezogenen Salto-2-Studie, welche zum Schluss kommt, dass beide Techniken hinsichtlich Lebensqualität und Senkungsbeschwerden gleichwertig sind.12,13Weiter sprechen für die vaginalen Senkungseingriffe die kürzere Operationszeit und die niedrigere Komplikationsrate als bei laparoskopischen oder abdominellen Verfahren und erklärt vielleicht auch, weshalb die vaginale Technik so weit verbreitet bleibt. Die geringeren Kosten infolge kürzerer Operationszeiten und geringerem Bedarf an technischen Hilfsmitteln dürften mitunter einen nicht unwesentlichen Faktor im Hinblick auf die Kosten im Gesundheitswesen darstellen. Kontrovers diskutiert wird die postoperative Dyspareunie. Während diese bei der vaginalen sakrospinalen Fixation in einer Metaanalyse von Zhang mit 14,4% angegeben wird (im Gegensatz zu 4,7% bei der offenen, abdominalen Sakrokolpopexie, die sogar bei laparoskopischer Vorgehensweise mit weniger zu erwartenden Adhäsionen noch niedriger sein könnte), fanden die Studiengruppen von Antosh und von Lukacz nach Senkungsoperationen eine Besserung oder zumindest keine Verschlechterung der Dyspareunie bei einer De-novo-Dyspareunie von 0 bis 9% für alle untersuchten vaginalen oder laparoskopischen Techniken, mit oder ohne Netz.14,15 In der Studie von Lukacz hatte jede fünfte Patientin eine vorbestehende Dyspareunie, die postoperativ bei drei von vier Frauen behoben war; die Rate einer De-novo-Dyspareunie lag unter 4%, und der einzige Prädiktor für eine postoperative Dyspareunie war eine präoperativ bestehende. Die Indikation zur Operation sollte weniger aufgrund der Ausprägung der Senkung, als vielmehr durch deren Symptomatik und folglich dem Leidensdruck der Patientin gestellt werden; beispielsweise hat jede zweite Frau nach einer vaginalen Geburt eine Senkung, die aber oft symptomlos ist. Bei entsprechend hohem Leidensdruck (symptomatischer Genitaldeszensus) und nach Ausschöpfen konservativer Massnahmen wie Beckenbodenphysiotherapie oder Pessartherapie, oder wenn die Patientin direkt die operative Therapie wünscht, kann das operative Vorgehen mit ihr individuell unter Mitteilung der umsetzbaren Therapieziele besprochen und geplant werden. Die Korrektur der Zystozele behebt voraussichtlich das Senkungsgefühl, reduziert eventuell die irritativen Blasenbeschwerden und kann bei präoperativem Restharn die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen reduzieren. Die chirurgische Rekonstruktion der Anatomie ist oftmals gerade bei Abriss des M. levator oder überbeanspruchtem Halteapparat illusorisch. Folglich liegt der Schwerpunkt der Deszensuschirurgie in der funktionellen Korrektur des Beckenbodens. Ob diese auf vaginalem, abdominalem oder laparoskopischem Wege mit oder ohne Netzunterstützung erfolgen soll, wird auf Kongressen und in wissenschaftlichen Publikationen rege anhand von Erfolgs- und Komplikationsraten diskutiert. Ein näheres Bild zum klinischen Alltag liefern uns die Resultate von Interviews mit zehn niederländischen Gynäkologinnen und Gynäkologen: Der apikale Rezidivprolaps war der wichtigste Faktor bei der Beratung von Patientinnen hinsichtlich vaginaler sakrospinaler Fixation nach Richter oder laparoskopischer Sakrokolpopexie. Weitere wichtige Faktoren waren Gesundheitszustand, Alter,Body-Mass-Index und Komorbiditäten sowie die Präferenz der Patientin.16 Bei höherem Alter oder Body-Mass-Index sowie Komorbiditäten tendierten die Interviewten zum vaginalen autologen Verfahren; beim Rezidiv bevorzugten alle die Sakrokolpopexie. Die operative Korrektur kann isoliert am betroffenen Kompartiment, «site-specific» (d.h. den spezifischen Defekt betreffend) oder konkomitant an verschiedenen Kompartimenten erfolgen (Abb. 1).
Abb. 1: Wann ist welche Senkungsoperation indiziert? LSC =Laparoskopie; VHR= vordere und/oder hintere Raffung
Das anteriore Kompartiment: Level II nach DeLancey17
Der mit knapp 80% häufigste vaginale Deszensus ist die Zystozele. Eine Überdehnung der vorderen Vaginalwand führt zum zentralen Defekt und manifestiert sich mit verstrichenen Rugae vaginales als «glatte» Vaginalwand (Pulsationszystozele). Dagegen verursacht ein lateraler Abriss des Arcus tendineus fasciae pelvis einen lateralen Defekt mit erhaltenen Rugae und verstrichenen Vaginalsulci (Traktionszystozele). Das Prinzip der seit 1914 verwendeten Diaphragmaplastik (synonym für vordere Raffung oder anteriore Kolporrhaphie) als häufigste operative Behebung eines zentralen Defektes besteht in der Duplikation des Diaphragma urogenitale (endopelvine Faszie) vom Blasenboden bis zum Blasenhals.18 Die alleinige Diaphragmaplastik weist die höchste Rezidivrate auf, weshalb situativ die zusätzliche apikale Fixation (siehe unten) überlegt werden kann. Nicht durchgesetzt wegen Rezidiven in bis zu einem Drittel hat sich der invasivere paravaginale Repair nach Richardson.19 Die abdominale oder laparoskopische Sakrokolpopexie mit Netzinterponat korrigiert den lateralen Defekt und fixiert (meist) notwendigerweise den Apex. Vaginal implantierte Netze wiederum sind in mehreren Ländern wie in den USA und Grossbritannien verboten. In der Schweiz dürfen gemäss Expertenbrief Nr. 61 makroporöse Polypropylennetze eingesetzt werden. Von der unkritischen Anwendung wird abgeraten; bei älteren Patientinnen, nach Voroperationen, Adhäsionssitus und bei Adipositas per magna können sie in Erwägung gezogen werden.6 Auch wenn vaginale Mesh-Kits in der Behandlung der Zystozele bessere anatomische Erfolge liefern, wie Altman 2011 gezeigt hat, so geht dies zulasten einer erhöhten Rate an Komplikationen und Folgeeingriffen (Abb. 2).20 Die genannte Studie führte als primären Endpunkt und Erfolgsmessung einen zusammengesetzten Endpunkt ein: Dieser bedurfte eines POP-Q-0/1-Stadiums sowie der Patientinnenaussage, dass kein Fremdkörpergefühl mehr bestehe, um als geheilt bezeichnet zu werden. Doch betrachten wir kurz die «anatomische Heilung».21 Für die Zufriedenheit der Patientin ist das funktionelle Ergebnis wichtiger als das anatomische; daher sollte der Erfolg hauptsächlich auf dem Fehlen eines Fremdkörpergefühls und der Vermeidung einer erneuten Behandlung der Senkung basieren.22 Denn rein anatomische Definitionen sind zu restriktiv: Darunter hätte nur jede vierte Frau anlässlich der gynäkologischen Jahreskontrolle ein «optimales» und etwa nur 60% ein «zufriedenstellendes» anatomisches Ergebnis.23 Mit den aktualisierten Erfolgskriterien, wie maximaler Deszensus bis zum Hymen (anatomischer Erfolg), keine klinisch relevanten Prolapssymptome und keine erneute Behandlung oder Operation aufgrund von Prolaps innerhalb von 40 Monaten, ergibt die Neuanalyse im 2011 zur randomisierten Studie von Weber aus dem Jahre 2001 zu drei Techniken der vorderen Kolporrhaphie (normale anteriore Kolporrhaphie, ultralaterale Kolporrhaphie und anteriore Kolporrhaphie mit resorbierbarem Vicrylnetz) folgendes Bild: Ein zufriedenstellendes oder optimales anatomisches Ergebnis fand sich in der ersten Analyse von Weber in nur 30%, 46% und 42% (mittlere Nachbeobachtungszeit von 23,3 Monaten), in der Neuanalyse von Chmielewski dann stellt sich ein deutlich besserer Erfolg von 88% nach einem Jahr dar. Eine Teilnehmerin (1%) unterzog sich 29 Monate nach der Operation einer erneuten Operation.
Abb. 2: Vergleich zwischen Zystozelenkorrektur mit und ohne Netzunterstützung («native tissue repair»). Die netzunterstützte vordere Kolporrhaphie weist zwar eine höhere Heilungsrate aus, doch deutlich mehr Komplikationen wie intraoperative Blasenperforationen, De-novo-Belastungsinkontinenz (SUI) und postoperative chirurgische Interventionen (wegen Netzerosionen). Daten nach Altman et al.20
Das mittlere Kompartiment (apikaler Deszensus): Level I nach DeLancey17
Geschädigte Parametrien mit den Ligamenta cardinalia und sacrouterina oder Parakolpium können zum apikalen Deszensus führen. Auch wenn historisch die erste Senkungsoperation eine vaginale Hysterektomie war, so ist diese nicht als solche klassifiziert. Mittlerweile wird diskutiert, ob der Uterus im Rahmen einer Senkungsoperation belassen werden kann. Zumindest zeigt eine aktuelle Cochrane-Übersichtsarbeit von 2023 anhand der Daten von vier randomisiert-kontrollierten Studien mit 620 eingeschlossenen Patientinnen und einem Follow-up zwischen sechs Monaten und fünf Jahren keine oder nur geringe Unterschiede zwischen der vaginalen Hysteropexie und der vaginalen Hysterektomie mit apikaler Fixation hinsichtlich subjektiven Senkungsbeschwerden (RR: 1,0; 95% CI: 0,44–2,24), Rezidivoperationen (RR: 1,32; 95% CI: 0,67–2,60) und postoperativ objektivierter Senkung (RR: 1,44; 95% CI: 0,79–2,61).13 Die Unterschiede für Operationszeit, Dyspareunie und Belastungsinkontinenz waren allenfalls gering. Die totale Vaginallänge war nach vaginaler Hysterektomie mit durchschnittlich 0,89cm deutlich kürzer (95% CI: 0,49–1,28cm). Wir diskutieren mit der Patientin die vaginale Hysteropexie bei fehlender Uteruspathologie und Risikofaktoren und ihrem Wunsch nach Uteruserhalt. Im Rahmen einer Hysterektomie kann die «opportunistische Salpingektomie» beidseits zur Senkung des Ovarialkarzinomrisikos besprochen werden.24 Die apikale Fixation erfolgt von vaginal mit der sakrospinalen Fixation nach Richter, indem der Scheidenstumpf oder die Portio am rechten Ligamentum sacrospinale mit z.B. langsam resorbierbaren Fäden fixiert wird; die Vaginalachse weicht dabei leicht ab.25,26 Die Scheide muss aber für den Eingriff genügend lang sein. Eine alternative apikale Fixation ohne Netzunterstützung ist die Duplikation der uterosakralen Ligamente (hohe uterosakrale Ligamentfixation).
Das hintere Kompartiment (Rektozele oder erweiterter Introitus): Level II oder III nach DeLancey 17
Die Kolpoperineoplastik zur Korrektur einer Rektozele ohne Netzunterstützung weist von allen Senkungseingriffen das geringste Rezidivrisiko auf. Sie besteht aus der Vereinigung der rektovaginalen Faszie mit resorbierbaren Nähten; die Levatorenraffung ist aufgrund der hohen Dyspareunierate obsolet.27 Da die typischen Beschwerdeneiner Rektozele mit Obstipation oder «Stool-Outlet-Symptomatik» auch durch z.B. eine Intussuszeption bedingt sein können, ist mitunter vor der Operation oder bei Persistenz nach Kolpoperineoplastik ein interdisziplinäres Vorgehen mit den Proktologen und eine erweiterte Bilddiagnostik mittels MRI-Defäkografie zu diskutieren. Die Introitusplastik erfolgt im Level III (im Bereich der vorderen Vaginalwand entspricht dies dem pubovesikalen Ligament bzw. der Korrektur derselben bei Harninkontinenz).
Abschlussbemerkungen
Die operativen Techniken zur Behandlung vaginaler Senkungszustände entwickeln sich weiter und hängen vom jeweiligen wissenschaftlichen Stand ab. In jüngster Zeit führten die Kontroversen und Verbote von Netzen in einigen Ländern zur Neubeurteilung des vaginalen «native tissue repair» und unterstreichen dessen Stellenwert. Dazu bedarf es der anatomischen Kenntnisse und der chirurgischen Expertise. Dafür sind die vaginalen Operationen bei fast allen Patientinnen auch in Regionalanästhesie und bei niedrigem perioperativem Risiko möglich. Mögliche höhere Rezidivraten sollten aber mit der Patientin im präoperativen Gespräch angesprochen werden. Da der Deszensus ein sehr individuelles Leiden ist, sollte dessen Behandlung den Wünschen und Bedürfnissen der Patientin entsprechend angepasst erfolgen. Bei komplexen Beckenbodenproblemen ist die interdisziplinäre Besprechung im Zuge eines Beckenbodenboards sinnvoll und hilfreich.
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