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Richtungsweisendes in der Therapie des multiplen Myeloms

<p class="article-intro">Neue Substanzen und diagnostische Möglichkeiten verändern die Therapie des multiplen Myeloms. Wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Klinik auswirken, beleuchteten bei der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie unter anderem die wissenschaftlichen Symposien zur Therapiesequenz und zur Therapiesteuerung.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei Patienten bis 70 oder 75 Jahre ohne erhebliche Komorbidit&auml;t ist die Hochdosis-Chemotherapie mit anschlie&szlig;ender ASZT die Therapie der Wahl.</li> <li>Die Induktion sollte auf einem Proteasominhibitor plus immunmodulierender Substanz basieren und mindestens als Dreierkombination verabreicht werden.</li> <li>Bei Hochrisiko-MM und Patienten, die nach ASZT kein vollst&auml;ndiges Ansprechen erreichen, sollte eine zweite ASZT erfolgen.</li> <li>F&uuml;r nicht transplantationsf&auml;hige Patienten sind Rd und DVMP Therapien der Wahl f&uuml;r die erste Linie.</li> <li>Die MRD wird als prognostisches Kriterium zur Beurteilung der Remission zunehmend wichtiger.</li> </ul> </div> <h2>Therapie j&uuml;ngerer transplantationsf&auml;higer Patienten</h2> <p>Prof. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universit&auml;tsklinikum W&uuml;rzburg, erl&auml;uterte die Therapiestrategie f&uuml;r j&uuml;ngere Patienten, die f&uuml;r eine Stammzelltransplantation geeignet sind. Vor einigen Jahren habe man das multiple Myelom (MM) erst dann behandelt, wenn ein Endorganschaden nach den CRAB-Kriterien (erh&ouml;htes Serumkalzium, Niereninsuffizienz, An&auml;mie oder Knochendestruktion) entstanden war, sagte er. Zus&auml;tzlich seien geh&auml;ufte bakterielle Infektionen, das Vorliegen einer Amyloidose oder Hyperviskosit&auml;t in die &Uuml;berlegungen einbezogen worden. Aktuell werden die SLiM-CRAB-Kriterien (Tab. 1) angewandt, um vorherzusagen, ob der Patient innerhalb der n&auml;chsten zwei Jahre einen Endorganschaden erleiden wird und entsprechend behandelt werden sollte.<sup>1</sup><br /> In der Phase-II-Studie GEM-CESAR wurden bereits Patienten mit einem Hochrisiko- Smoldering-MM sehr intensiv behandelt: Auf eine Induktion mit einer Dreierkombination aus einem Proteasominhibitor (PI), einer immunmodulierenden Substanz (IMiD) und Dexamethason (Carfilzomib/Lenalidomid/Dexamethason: KRd) und eine Hochdosistherapie mit Melphalan folgte die Stammzelltransplantation (ASZT). In der Konsolidierungsphase erhielten die Patienten erneut KRd und schlie&szlig;lich die Erhaltungstherapie mit Rd. Die Ansprechraten waren sehr gut.<sup>2</sup> Einsele schr&auml;nkte jedoch ein, dass man Patienten nur dann einem so intensiven Regime unterziehen sollte, wenn eine kurative Absicht besteht. Zudem m&uuml;sse man nun beobachten, ob es zu Langzeittoxizit&auml;ten kommt.<br /> Eine Alternative zur ASZT gibt es laut Einsele bei den f&uuml;r die Transplantation geeigneten Patienten nicht. Aufgrund der genetischen Instabilit&auml;t des MM sollte diese so fr&uuml;h wie m&ouml;glich erfolgen, betonte er. Wie die EMN02/HO95-Studie gezeigt hat, f&uuml;hrt eine Tandemtransplantation im Vergleich zu einer Einfachtransplantation zu einem im Mittel um 12 % besseren progressionsfreien &Uuml;berleben (PFS), wobei vor allem Hochrisikopatienten von einer Doppeltransplantation profitieren.<sup>3</sup> EMN02 zeigte zudem eine Verl&auml;ngerung des PFS bei einer Konsolidierung mit Bortezomib/Lenalidomid/Dexamethason (VRD).<sup>4</sup><br /> Etwa 15 bis 20 % der Patienten sprechen auf die Induktion nicht an. W&auml;hrend Patienten mit einer stabilen Krankheit (&bdquo;stable disease&ldquo;) von einer ASZT profitieren und ein &auml;hnliches PFS erreichen wie die chemosensitiven Patienten, ist dies bei progredienten Patienten nicht der Fall. Laut Einsele sollten Letztere nochmals eine Induktion mit einem anderen Therapieregime erhalten und falls sie darauf ansprechen anschlie&szlig;end einer ASZT unterzogen werden.<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1806_Weblinks_jatros_onko_1806_s16_tab1.jpg" alt="" width="400" height="238" /></p> <h2>Therapie von nicht f&uuml;r die ASZT geeigneten Patienten</h2> <p>Prof. Katja Weisel, Leiterin des Myelomzentrums am Universit&auml;tsklinikum T&uuml;bingen, ging auf die Behandlung jener Patienten ein, die nicht f&uuml;r eine Transplantation geeignet sind. Wichtig sei, dass man diese Patienten fr&uuml;h so effektiv wie m&ouml;glich behandle, da viele eine Zweitlinientherapie nicht mehr erreichen, betonte sie. Die aktuellen ESMOLeitlinien empfehlen f&uuml;r die Erstlinientherapie entweder die EMA-zugelassene Kombination aus dem PI Bortezomib (V) mit Melphalan/Prednison (MP) oder die Kombination aus Lenalidomid/Dexametason (Rd).<sup>6</sup> Bisher noch nicht von der EMA zugelassen ist VRd, das in den USA bereits Standard sei und bewusst in die Leitlinien aufgenommen wurde, erkl&auml;rte Weisel. Sie hoffe, dass auch dieses Regime bald in Europa zugelassen werde, da die Kombination im Vergleich zu Rd ein signifikant verl&auml;ngertes PFS (43 Monate vs. 30 Monate, p=0,0018) und Gesamt&uuml;berleben (OS: 75 Monate vs. 64 Monate, p=0,025) gezeigt hat.<sup>7</sup><br /> Ganz aktuell von der EMA f&uuml;r die Erstlinientherapie des MM bei nicht transplantationsf&auml;higen Patienten zugelassen: die Viererkombination von VMP plus Daratumumab, einem monoklonalen Anti-CD38- Antik&ouml;rper.<sup>8</sup> In der Zulassungsstudie ALCYONE reduzierte die Zugabe von Daratumumab zu VMP das Risiko f&uuml;r Progression oder Tod um 50 % (p&lt;0,001). Die Ansprechraten unter DVMP lagen bei 90,9 % (vs. 73,9 % ; p&lt;0,001) und 22,3 % der Patienten waren MRD-negativ (vs. 6,2 % ; p&lt;0,001).<sup>9</sup> Die Viererkombination habe auch bei &auml;lteren Patienten keine unerwartete Toxizit&auml;t gezeigt, abgesehen von signifikant h&auml;ufigeren Infektionen, sagte Weisel. Sie sprach auch die Frage der geeigneten Kombinationspartner f&uuml;r den Antik&ouml;rper an, da Melphalan und Prednison das Immunsystem eher hemmen, w&auml;hrend der Antik&ouml;rper immunmodulierend wirkt und zu einem Anstieg der zytotoxischen T-Zellen f&uuml;hrt.</p> <h2>Therapiesequenz nach relapsiertem MM</h2> <p>Prof. Heinz Ludwig, Leiter des Wilhelminenkrebsforschungsinstituts Wien, befasste sich mit der Behandlung nach einem MM-Rezidiv. Ein Problem sei die genetische Instabilit&auml;t des MM, die im Verlauf der Krankheit zu neuen Tumorzellklonen mit zunehmender Behandlungsresistenz f&uuml;hre, erkl&auml;rte er. Von den zahlreichen m&ouml;glichen Regimen werden in Europa beim Rezidiv nach ASZT und nach konventioneller Erstlinientherapie vor allem Rd und Vd eingesetzt.<sup>10</sup> Nach dem ersten Rezidiv ist grunds&auml;tzlich eine weitere ASZT bei daf&uuml;r geeigneten Patienten m&ouml;glich. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient von der zweiten Transplantation profitiert, umso gr&ouml;&szlig;er, je l&auml;nger es von der ersten ASZT bis zum Rezidiv gedauert hat.<sup>11</sup> Die Induktionstherapie h&auml;ngt vom vorhergehenden Therapieregime ab. Bei Patienten, die entweder eine IMiD- oder PI-basierte Behandlung hatten, sollte die Medikamentenklasse gewechselt werden. Enthielt das vorangegangene Regime beide Wirkstoffklassen, sollte die Zugabe eines monoklonalen Antik&ouml;rpers erwogen werden. Sofern der Patient die vermehrten Nebenwirkungen toleriert, sollte eine Dreierkombination eingesetzt werden. Generell profitierten Patienten mit wenigen Vortherapien am meisten, so Ludwig.<sup>12</sup> Bei Rezidiven nach zwei oder drei vorangegangenen Therapielinien sind Dreifachkombinationen mit Rd und Substanzen neuer Wirkstoffklassen sinnvoll. Bei den weiteren Therapielinien sind vor allem Pomalidomid-Kombinationen, Daratumumab oder Panobinostat/Vd indiziert.<sup>1</sup></p> <h2>Bedeutung der minimalen Resterkrankung (MRD)</h2> <p>In Studien wird die MRD als Parameter f&uuml;r das Therapieansprechen immer wichtiger. Prof. Hartmut Goldschmidt, Leiter der Sektion Multiples Myelom an der Medizinischen Klinik V, Universit&auml;tsklinikum Heidelberg, erkl&auml;rte die Bedeutung der MRD in Diagnostik und Therapie. Inzwischen seien verschiedene hochwirksame Medikamente f&uuml;r die MM-Therapie zugelassen; die Kombination dieser Substanzen verst&auml;rke die Tiefe der Remission, sagte er. Deshalb hat die International Myeloma Working Group (IMWG) neue Remissionsklassen definiert. Zudem sind sensitivere Methoden zur Beurteilung der Remission in klinischen Studien notwendig.<sup>13, 14</sup> Eine ist die MRD, und es hat sich gezeigt, dass eine MRD-Negativit&auml;t mit einer signifikanten Verl&auml;ngerung des PFS und besserem OS einhergeht (Abb. 1).<sup>15, 16</sup> Die MRD kann auf verschiedene Weise bestimmt werden, etwa mit multiparametrischer Durchflusszytometrie (MFC), allelspezifischer Oligonukleotid-Polymerase-Kettenreaktion (ASO-PCR) und DNA-Sequenzierung mittels Next Generation Sequencing (NGS).<sup>14</sup> Diese Methoden weisen laut Goldschmidt eine Sensitivit&auml;t zwischen 10<sup>&ndash;5</sup> bis 10<sup>&ndash;6</sup> Zellen auf. Sie k&ouml;nnen mit funktioneller Bildgebung kombiniert werden, um MRD au&szlig;erhalb des Knochenmarks nachzuweisen.<sup>14</sup> Aufgrund der stetigen Weiterentwicklung und Standardisierung dieser Verfahren habe die MRD gro&szlig;es Potenzial als prognostischer Faktor in klinischen Studien zum MM, schloss Goldschmidt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1806_Weblinks_jatros_onko_1806_s17_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="1513" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Fortbildung „Multiples Myelom: Therapiesequenz“, wissenschaftliches Symposium „Multiples Myelom: Therapiesteuerung“ im Rahmen der DGHO-Jahrestagung, 28. September bis 2. Oktober 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Rajkumar SV et al.: Lancet Oncol 2014; 15: e538-48 <strong>2</strong> Mateos MV et al.: ASH 2017; Abstract 402 <strong>3</strong> Cavo M et al.: Blood 2016; 128: 991 <strong>4</strong> Sonneveld P et al.: Blood 2016; 128: 242 <strong>5</strong> Rosi&ntilde;ol L et al.: Haematologica 2012; 97: 616- 21 <strong>6</strong> Moreau P et al.: Ann Oncol 2017; 28: iv52-61 <strong>7</strong> Durie BG et al.: Lancet 2017; 389: 519-27 <strong>8</strong> www.ema.europa. eu: Darzalex (Daratumumab) EMA/551466/2018 <strong>9</strong> Mateos MV et al.: N Engl J Med 2018; 378: 518-28 <strong>10</strong> Mohty M et al.: Clin Lymphoma Myeloma Leuk 2018; 18: e401-19 <strong>11</strong> Kumar S et al.: Bone Marrow Transplant 2008; 42: 413- 20 <strong>12</strong> Spencer A et al.: Haematologica 2018; pii: haematol. 2018.194118. doi: 10.3324/haematol.2018.194118. (Epub ahead of print) <strong>13</strong> Rajkumar SV et al.: Blood 2011; 117: 4691-5 <strong>14</strong> Paiva B et al.: Blood 2015; 125: 3059-68 <strong>15</strong> Landgren O et al.: Bone Marrow Transplant 2016; 51: 1565-8 <strong>16</strong> Paiva B et al.: Blood 2008; 112: 4017-23</p> </div> </p>
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