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Update 2020

Evidenzbasierte Behandlung des Pankreaskarzinoms

Die bisher als äußerst schlecht angenommene Prognose des Pankreaskarzinoms („pancreatic ductal adenocarcinoma“, PDAC) erfährt durch Zunahme der Radikalität in der operativen Behandlung sowie durch die Einführung besserer Chemotherapie-Schemata eine ersichtliche Besserung. Eine besondere Rolle kommt dabei der neoadjuvanten Therapie zu, und zwar nicht nur bei lokal fortgeschrittenen, sondern auch bei „borderline“ resektablen PDAC.

Keypoints

  • Die chirurgische Behandlung des PDAC soll auf das Erreichen einer strikten R0-Resektion (R0 >1mm Tumorfreiheit) zielen, damit durch die adjuvante Therapie der maximale Überlebensvorteil für den Patienten erreicht werden kann.

  • Die neoadjuvante Therapie könnte auch bei primär resektablem PDAC einen Überlebensvorteil bringen. Weitere randomisierte Studien müssen jedoch diesen potenziellen Vorteil in größeren Kollektiven zuerst noch bestätigen.

  • Eine Arterienresektion kann bei neoadjuvant behandelten PDAC-Patienten in erfahrenen Händen zu einer besseren Prognose als eine rein palliative Behandlung führen.

Rolle der R0-Resektion beim PDAC

Die Inzidenz des PDAC stieg in den letzten Jahren stetig an, das PDAC ist derzeit die vierthäufigste Ursache, krebsbedingt zu sterben.1 Weiterhin hat das PDAC eine schlechte Prognose, sodass zu erwarten ist, dass die Sterberate noch mehr zunehmen wird.

So geht die European Cancer Patient Coalition (ECPC) davon aus, dass 2025 die Todesursache PDAC in Europa um 30 bis 120% ansteigen wird.2

Sieht man auf die Prognose für Mitte der 1990er-Jahre zurück, so lag die Rate für das 5-Jahres-Überleben bei 0,2%.3Erst durch die Kombination aus R0/R1-Resektion und adjuvanter Chemotherapie zeigten die Patienten eine Verlängerung der medianen Überlebenszeit. Aktuell ist das modifizierte (m) FOLFIRINOX(5-Fluorouracil, Leucovorin, Irinotecan, Oxaliplatin)-Schema mit 54,4 Monaten und einem 3-Jahres-Überleben von 63% der Gemcitabin-Monotherapie mit 34 Monaten und 48,6% deutlich überlegen.4 Einen deutlichen Einfluss auf das Überleben zeigt ebenfalls die neue Definition des Resektionsstatus. Nach der alten Definition R0 (tumorfreies Gewebe <1mm) zeigten die Patienten ein medianes Überleben von 28,6 Monaten, wobei diesesdurch die Definition von R0 als tumorfreies Gewebe >1mm auf 31,7 Monate anstieg.5, 6 Der Einfluss ist vor allem bei Pankreaskopfkarzinomen von Bedeutung.6 Daher muss die chirurgische Radikalität in der Resektion angestrebt werden, denn breitere Resektionsränder erhöhen die R0-Raten (>1mm).

Neoadjuvante Therapie: auch für resektable PDAC zu erwägen

Hierbei kann die neoadjuvante Therapie (als Chemotherapie/CTx oder als Radiochemotherapie/RCTx) von großer Bedeutung sein. Bei Diagnosestellung sind lediglich 10–20% der Tumoren primär resektabel, 30–40% sind „borderline“ resektabel, 50–60% sind metastasiert und werden somit einer palliativen Chemotherapie zugeführt.7, 8 Durch die neoadjuvante Therapie konnte erreicht werden, dass nicht nur die Rate der R0 (>1mm) zunimmt, sondern auch dass ein Teil der „borderline“ resektablen Tumoren R0-reseziert werden kann.9 So konnte in einer ersten kontrollierten, randomisierten Studie gezeigt werden, dass bei „borderline“ resektablen Tumoren durch eine neoadjuvante Radiochemotherapie, im Vergleich zu Patienten, welche primär reseziert wurden, eine signifikant höhere R0-Resektionsrate – 52% vs. 26% – erreicht werden konnte. Auch die 2-Jahres-Überlebensrate stieg signifikant von 26 auf 41%.10

In einer weiteren randomisierten, kontrollierten Studie (PREOPANC-1-Studie) mit Intention-to-treat-Analyse haben Van Tienhoven et al. 246 Patienten mit („borderline“) resektablem PDAC aus den Niederlanden in die Arme „primäre Resektion“ versus „neoadjuvante Radiochemotherapie (neoRCTx)“ randomisiert.11 Die mediane Überlebensdauer war mit 17,1 Monaten signifikant länger nach neoRCTx als nach primärer Resektion (p=0,047). Die Resektionsrate war 72% (91/127) in der primär resezierten Gruppe und 62% (74/119) in der neoRCTx-Gruppe (p=0,15). In der Subgruppenanalyse der tatsächlich resezierten Patienten war die mediane Überlebensdauer mit 29,9 Monaten nach RCTx ebenfalls deutlich länger als nach primärer Resektion (16,8 Monate, p<0,001). Interessanterweise führte die neoRCTx zu einer deutlich höheren R0-Resektionsrate von 65% als die primäre Resektion (31%, p=0,001).11

In einer randomisierten, kontrollierten Phase-II-Studie aus Italien haben Reni et al. 88 Patienten mit primär resektablem PDAC in drei Therapiearme randomisiert.12 Erstens: primäre Resektion gefolgt von adjuvanter Therapie mit 6 Zyklen Gemcitabin; zweitens: primäre Resektion gefolgt von adjuvanter Therapie mit 6 Zyklen PEXG (Gemcitabin, Cisplatin, Epirubicin, Capecitabin) oder drittens: 3 Zyklen PEXG vor Resektion und 3 Zyklen PEXG nach Resektion. Die Gruppe 3 wies dabei eine längere mediane Überlebensdauer (38,2 Monate) als die Gruppe 1 (20,4 Monate) und die Gruppe 2 (26,2 Monate) auf. Des Weiteren war die Gruppe 1 durch eine signifikant längere mediane krankheitsfreie Überlebensdauer gekennzeichnet. Auch die R0-Resektionsrate war in der Gruppe 3 mit 63% deutlich höher als in Gruppe 1 (27%) und Gruppe 2 (37%).12

Arterieninfiltration: ggf. keine Kontraindikation nach neoadjuvanter Therapie

Derzeit wird in der chirurgischen Behandlung des PDAC eine Infiltration der umgebenden Arterien (wie z.B. Truncus coeliacus, Arteria hepatica, Arteria mesenterica superior) als eine Kontraindikation gegen Resektion betrachtet, weil eine Arterienresektion in vielen Fällen mit erheblichen postoperativen Komplikationen einhergeht.13 Diese Prämisse wird jedoch in letzter Zeit insbesondere bei neoadjuvant behandelten Patienten zunehmend infrage gestellt, weil diese Patienten, falls sie auf die neoadjuvante Therapie ansprechen, eine günstigere Tumorbiologie und auch eine geringere postoperative Pankreasfistelrate aufweisen. So haben Del Chiaro et al. in einer retrospektiven Analyse von 1540 PDAC-Patienten aus dem Karolinska-Institut in Schweden (1981–2018) bei 34 Patienten eine Arterienresektion durchgeführt.14 Die Autoren haben die postoperative Komplikationsrate sowie die Überlebensrate dieser Patienten mit den Raten einer Gruppe palliativchirurgisch behandelter Patienten (d.h. Doppelbypass mit Hepatikojejunostomie und Gastroenterostomie) verglichen. Die Resektionsgruppe hatte eine deutlich längere mediane OP-Dauer als die Palliationsgruppe (426 vs. 171 Minuten, p<0,0001). Dahingegen waren die postoperative Morbidität, Mortalität und die Gesamtkomplikationsrate in beiden Gruppen vergleichbar. Interessanterweise war unter den neoadjuvant behandelten Patienten die Überlebensrate der arteriell resezierten Patienten mit 50% deutlich höher als die der palliativ operierten Patienten (28%, p=0,003).14

1 Siegel RL et al.: Cancer statistics, 2020. CA Cancer J Clin 2020; 70(1): 7-302 United European Gastroenterology: Pancreatic cancer across Europe. 2018. Online unter https://www.spg.pt/wp-content/uploads/2018/11/Pancreatic_Cancer_Report.pdf. Abgerufen am 17.03.2020 3 Carpelan-Holmstrom M et al.: Does anyone survive pancreatic ductal adenocarcinoma? A nationwide study re-evaluating the data of the Finnish Cancer Registry. Gut 2005; 54(3): 385-7 4 Conroy T et al.: FOLFIRINOX or gemcitabine as adjuvant therapy for pancreatic cancer. N Engl J Med 2018; 379(25): 2395-406 5 Esposito I et al.: Most pancreatic cancer resections are R1 resections. Ann Surg Oncol 2008; 15(6): 1651-60 6 Demir IE et al.: R0 versus R1 resection matters after pancreaticoduodenectomy, and less after distal or total pancreatectomy for pancreatic cancer. Ann Surg 2018; 268(6): 1058-68 7 Neoptolemos JP et al.: A randomized trial of chemoradiotherapy and chemotherapy after resection of pancreatic cancer. N Engl J Med 2004; 350(12): 1200-10 8 Neoptolemos JP et al.: Adjuvant chemotherapy with fluorouracil plus folinic acid vs gemcitabine following pancreatic cancer resection: a randomized controlled trial. JAMA 2010; 304(10): 1073-81 9 Gillen S et al.: Preoperative/neoadjuvant therapy in pancreatic cancer: a systematic review and meta-analysis of response and resection percentages. PLoS Med 2010; 7(4): e1000267 10 Jang JY et al.: Oncological benefits of neoadjuvant chemoradiation with gemcitabine versus upfront surgery in patients with borderline resectable pancreatic cancer: a prospective, randomized, open-label, multicenter phase 2/3 trial. Ann Surg 2018; 268: 215-22 11 Versteijne E et al.: Preoperative chemoradiotherapy versus immediate surgery for resectable and borderline resectable pancreatic cancer: results of the dutch randomized phase III PREOPANC trial. J Clin Oncol 2020; JCO1902274 12 Reni M et al.: Safety and efficacy of preoperative or postoperative chemotherapy for resectable pancreatic adenocarcinoma (PACT-15): a randomised, open-label, phase 2-3 trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 2018; 3(6): 413-23 13 Mollberg N et al.: Arterial resection during pancreatectomy for pancreatic cancer: a systematic review and meta-analysis. Ann Surg 2011; 254: 882-93 14 Del Chiaro M et al.: Pancreatectomy with arterial resection is superior to palliation in patients with borderline resectable or locally advanced pancreatic cancer. HPB (Oxford) 2019; 21(2): 219-25

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