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«Old but gold»

Die Zystoskopie – heute noch aktuell?

Hat die Aussagekraft der Zystoskopie im Zeitalter von Biomarkern, PCR-Untersuchungen und diversen radiografischen Untersuchungsmodalitäten nachgelassen? Dieser Frage geht der folgende Artikel auf den Grund.

Die Urethrozystoskopie ist eines der wichtigsten Werkzeuge in der Urologie und Urogynäkologie zur Abklärung des unteren Harntraktes. Der Frankfurter Arzt Phillip Bozzini stellte im Jahr 1806 ein erstes Gerät vor, das es möglich machte, mit einer Kerzenbeleuchtung in die Harnröhre und Harnblase zu blicken.1 Das erste moderne Urethrozystoskop wurde 1879 von Maximilian Nitze präsentiert, der hierzu eine Optik mit Lichtquelle im Organinneren entwickelt hatte, und gilt als Meilenstein der modernen urologischen Endoskopie.2 Im Jahr 2022 stellt die Weisslichtzystoskopie mit modernen starren oder flexiblen Endoskopen den diagnostischen Standard im Bereich der Harnröhre und -blase dar und zeigt dabei insbesondere eine hohe Sensivität und Spezifität für die Detektion papillarer Harnblasentumoren. Mit der Anwendung hochauflösender Bildtechniken wurde die Weisslichtzystoskopie in den letzten Jahren fortlaufend verbessert.1

Das starre Zystoskop

Das starre Zystoskop besteht aus mehreren Komponenten.

Es handelt sich um ein gerades, hohles Metallinstrument. Am proximalen Ende befinden sich zwei Hähne, die für den Ein- und Auslass der Spülflüssigkeit verwendet werden. Der Aussendurchmesser des starren Zystoskops variiert zwischen 15 und 25 Charrière.

Der Einsatz von unterschiedlichen Optiken ermöglicht dem Untersuchenden verschiedene Blickwinkel. Man unterscheidet die direkte 0°-Optik, bei der sich die Sichtachse in der Achse des Geräts befindet, von der klassischen 30°-Optik. Hierbei ist der Blickwinkel nach vorne unten gerichtet. Somit können beispielsweise die Harnleiterostien besser eingesehen werden.

Im Gegensatz dazu bietet die 70°-Optik einen seitlicheren Blickwinkel und mit der 130°-Optik kann beispielsweise die Vorderseite der Harnblase gut inspiziert werden.3

Das flexible Zystoskop

Im Gegensatz zum starren Zystoskop ist das flexible Zystoskop ein einteiliges Instrument. Es besteht aus einem Hauptschlauch und einem Handgriff. Mit dem Handgriff wird das Instrument gesteuert. Im Hauptschlauch befinden sich der Spülwasserkanal, der auch als Funktionskanal genutzt werden kann.3 Ein Monitor gibt das optische oder digitale Bild aus.

Kontraindikation und Vorsichtsmassnahmen

Die korrekte Indikationsstellung und fachkundige Durchführung der Untersuchung gewährleisten eine geringe Komplikationsrate. Es treten Schmerzen, Blutungen, Infektionen und sehr selten eine Traumatisierung der Blase oder Urethra auf, die zu einer narbigen Abheilung mit Ausbildung einer Harnröhrenstriktur führen können.1

Harnwegsinfektionen

Vor jeder Zystoskopie sollte ein Harnwegsinfekt mittels Urinanalyse ausgeschlossen werden. Eine Antibiotikaprophylaxe ist bei sterilem Urin nicht indiziert, da sie die Inzidenz einer postoperativen Harnwegsinfektion nicht senkt. Risikopersonen hingegen, beispielsweise Menschen mit Herzklappen etc., sollten eine Antibiotikaprophylaxe erhalten.3

Antikoagulanzien

Es gibt keine speziellen Vorsichtsmassnahmen für Personen, die Antikoagulanzien regelmässig einnehmen müssen. Somit ist eine Pausierung vor Durchführung einer diagnostischen Zystoskopie nicht notwendig.3

Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft ist keine Kontraindikation für eine diagnostische Zystoskopie.3

Indikation der Zystoskopie

Die wesentliche Voraussetzung für jede diagnostische Massnahme stellt die korrekte Indikationsstellung dar. Hierbei stellen im Alltag die häufigsten Fragestellungen die Abklärung asymptomatischer Mikrohämaturie, Makrohämaturie und Vorstellungen bei rezidivierenden Harnwegsinfekten dar. Weitere Indikationen für eine Zystoskopie sind:1

  • der radiologische oder klinische Verdacht auf Blasentumoren sowie zur lokalen Nachsorge bei Urothelkarzinomen

  • der Verdacht auf urethrale, vesikovaginale oder vesikoenterale Fisteln

  • der Verdacht auf Fremdkörper vesikal oder urethral

  • Abklärung rezidivierender Harnwegsinfekte, Blasenentleerungsstörungen oder eine subvesikale Obstruktion

  • Abklärung einer Harninkontinenz bzw. Harnblasenüberaktivität

  • zur DK-Einlage bei Via falsa oder Harnröhrentrauma

  • im Rahmen der erweiterten Diagnostik bei einer neurogenen Blasenentleerungsstörung

  • Darstellung und Beurteilung der Ureterostien

  • Darstellung und Beurteilung der Urethra (z.B. Tumor, Divertikel, Striktur)

Pathologie der Blase

Blasentumoren

Die Zystoskopie der Harnblase stellt den Standard in der primären Diagnostik des Harnblasenkarzinoms dar. Die Sensitivität und Spezifität der Weisslicht-Zystoskopie in der Detektion von Harnblasenkarzinomen ist jedoch limitiert und liegt Untersucher-abhängig bei 62–84% (Sensitivität) und 43–98% (Spezifität).4

Carcinoma in situ

Das Carcinoma in situ der Harnblase ist ein nichtinvasives, nichtpapilläres (flaches) High-Grade-Urothelkarzinom und tritt begleitend bei 5–19% der Patienten mit einem oberflächlichen Urothelkarzinom auf. Patienten mit primärem Carcinoma in situ weisen als Leitsymptome häufig Pollakisurie, Dysurie und Schmerzen, die suprapubisch oder perineal lokalisiert werden, auf. Die Diagnostik stützt sich auf Zystoskopie und Spülzytologie.5 Die Zystoskopie zeigt typischerweise umschriebene, gerötete, samtartige, einzelne oder multiple, etwas erhabene Harnblasenschleimhautbezirke.

Anomalien
Implantationsanomalien der Ureteren

In der Zystoskopie können Anomalien des unteren Urogenitaltraktes diagnostiziert werden. Dazu zählen beispielsweise ein Ureter duplex, eine Ureterozele, eine Zystozele oder ein ektopisch mündender Ureter.

Infektiöse Pathologien
Tuberkulose

Die Läsionen befinden sich vor allem trigonal und sind oftmalig als Granulationen um die Ureterostien lokalisiert. Die Diagnostik beruht heutzutage auf einer PCR. Dabei sollten mindestens drei, besser fünf Kulturen von Urin, Ejakulat und Prostatasekret unter Verwendung automatisierter Systeme (z.B. PCR) erfolgen.6

Bilharziose

In der Zystoskopie erscheint diese Erkrankung als sogenannte Sandkornzystitis («sandy patches»). In den Kapillaren der Mukosa und Submukosa liegen Eier, die später eine ulzerierende Zystitis mit bakterieller Superinfektion hervorrufen können.6

Interstitielle Zystitis

Die Zystoskopie ist hierbei sowohl diagnostisch als auch therapeutisch.

Die Untersuchung der Schleimhaut kann normal oder hyperäm imponieren. Der zweite Schritt besteht in einer Hydrodistension, bei der hämorrhagische Petechien auftreten können. Eine unauffällige Zystoskopie nach Hydrodistension oder eine unauffällige Harnblasenbiopsie schliessen eine interstitielle Zystitis nicht aus. Nur der Nachweis von Hunner-Ulzerationen sichert die Diagnose.7

Pathologien der Harnröhre
Harnröhrenenge

Die Zystoskopie erlaubt zwar den Nachweis und die Lokalisation einer Harnröhrenenge, wenn sie jedoch mit dem Instrument nicht passiert werden kann, gibt sie keinerlei Informationen über die Länge oder weitere vorgeschaltete Stenosen. Daher spielt die Zystoskopie in der Diagnostik der Harnröhrenenge nur eine untergeordnete Rolle.8

Prostatahypertrophie

Die Zystoskopie ermöglicht bei der benignen Prostatavergrösserung die Beurteilung der prostatischen Harnröhre, das Vorhandensein eines Mittellappens und anderer Harnblasenpathologien, beispielsweise Harnblasendivertikel. Untersuchungen ergaben jedoch, dass die optische Beurteilung des unteren Harntraktes eine unzuverlässige Methode zur Beurteilung der Harnblasenauslassobstruktion und des Trabekularisierungsgrades ist.9

Harnblasensteine

Blasensteine machen 5% aller Harnsteine aus und sind in der Regel auf Fremdkörper, Obstruktion, Resturin oder Infektionen zurückzuführen. Die Diagnose wird oft radiologisch oder mittels Zystoskopie gestellt. Männer, welche an einer BPH leiden, und Frauen, die sich einer Inkontinenzoperation unterziehen, haben ein höheres Risiko für die Entwicklung von Blasensteinen. Ernährung, Blasenentleerungsstörungen und unkorrigierte anatomische Anomalien, wie z.B. hintere Harnröhrenklappen und vesikoureteraler Reflux, prädisponieren sie für die Bildung von Steinen in der Blase. Zur Entfernung von Blasensteinen gibt es eine Reihe von Techniken und Modalitäten.10

Fazit

Bis heute ist die Zystoskopie ein wichtiges diagnostisches Instrument bei der Untersuchung urogenitaler Beschwerden. Gerade im Hinblick auf Harnblasen- oder Harnröhrenpathologien ist sie aus dem klinischen Alltag weiterhin nicht wegzudenken.

1 Schöne M et al.: Cystoscopy in the outpatient clinical routine: things to keep in mind. Aktuelle Urol 2023; 54(2): 129-34 2 Kremling H: Die Zystoskopie: historische Betrachtungen. Wurzbg Medizinhis Mitt 1993; 11: 5-8 3 Coulange C: Cystoscopy. Prog Urol 2010; 20(11): 822-6 4 Jocham D et al.: Photodynamic diagnosis in urology: state-of-the-art. Eur Urol 2008; 53(6): 1138-48 5 Kretschmer A et al.: Carcinoma in situ der Harnblase: Therapie. Rübben H et al. (Hg.): Uroonkologie. Springer, 2019 6 Naber KG et al.: Urogenital tuberculosis and schistosomiasis (bilharzia): Urological challenges in displaced persons.Urologe A 2018; 57(10): 1191-9 7 Vahlensieck W: Interstitielle Zystitis/Blasenschmerzsyndrom (IC/BPS). Die Urologie 2023 8 Gozzi C et al.: Management of urethral strictures. Urologe A 2008; 47(12): 1615-22 9 Oelke M et al.: Fake news BPH - what is really true! Urologe A 2019; 58(3): 271-83 10 Schwartz BF, Stoller ML: The vesical calculus. Urol Clin North Am 2000; 27(2): 333-46

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