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ESIO-Update Mammakarzinom 2016

Wertvolle Ergänzungen zur konventionellen Therapie

<p class="article-intro">Die Europäische Gesellschaft für Integrative Onkologie (ESIO) veranstaltet regelmässig Fortbildungen mit dem Ziel, die wissenschaftlich fundierte Komplementärmedizin in die konventionelle Medizin einzubinden und diese um verschiedene Behandlungskonzepte zu erweitern. Damit soll einerseits einem grossen Bedürfnis vonseiten der Patienten Rechnung getragen und andererseits die somatisch orientierte Medizin um die seelische und geistige Komponente ergänzt werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die kontrastverst&auml;rkende Mammografie und die Tomosynthese erweitern die diagnostischen M&ouml;glichkeiten.</li> <li>Dank der verbesserten systemischen Therapie und der Radiotherapie sinkt die Radikalit&auml;t der Lymphonodektomie in der Axilla.</li> <li>Neue Wirkstoffe ver&auml;ndern die Therapie des Mammakarzinoms vermehrt in Richtung einer individualisierten Behandlung.</li> <li>Komplement&auml;re Verfahren werden zunehmend unterst&uuml;tzend eingesetzt, um Nebenwirkungen zu behandeln. Ihr Nutzen wird inzwischen durch zahlreiche Studien belegt.</li> <li>Die Psychoonkologie ist eine wichtige S&auml;ule der Brustkrebstherapie, da sie den Patientinnen erm&ouml;glicht, ihre seelischen Kraftquellen zu erschliessen.</li> </ul> </div> <p>Das Mammakarzinom stand im Mittelpunkt der ESIO-Fortbildungsveranstaltung, denn Brustkrebspatientinnen haben im Vergleich mit anderen Tumorpatienten das gr&ouml;sste Interesse an komplement&auml;ren Methoden und wenden sie am h&auml;ufigsten an.</p> <h2>Highlights Senologie und medizinische Onkologie</h2> <p>In zwei Vortr&auml;gen wurden die neuesten Studien und Therapieempfehlungen in der konventionellen Therapie vorgestellt. Bei der Diagnostik geht der Fortschritt mit der kontrastverst&auml;rkenden Mammografie und der Tomosynthese weiter, um bei gr&ouml;sserer Sensitivit&auml;t und Spezifit&auml;t &Uuml;berdiagnosen zu vermeiden. W&auml;hrend die Tomosynthese in neueren Studien nur eine geringe Verbesserung der Spezifit&auml;t zeigte, bereits aber im klinischen Alltag eingesetzt wird, l&auml;sst die kontrastverst&auml;rkende Mammografie trotz erh&ouml;hter Spezifit&auml;t und Sensitivit&auml;t noch keinen breiten Einsatz in der Routine zu, da die Langzeittoxizit&auml;t der Kontrastmittel zurzeit noch unklar ist.<br /> Chirurgisch zeigt sich eine abnehmende Radikalit&auml;t in der Entfernung der Achsellymphknoten. Die Clipmarkierung des initial befallenen Lymphknotens erh&ouml;ht die Genauigkeit einer Sentinellymphonodektomie nach neoadjuvanter Chemotherapie und senkt die falsch negative Rate auf 1,4 % . In vergleichenden Studien ist eine onkoplastische Chirurgie gegen&uuml;ber einer konventionellen brusterhaltenden Therapie mit einer verringerten Zahl an Nachresektionen und verbesserten Kosmetik bei gleichbleibender Sicherheit verbunden. Eine angleichende Operation der gesunden Seite ist seit 2015 erfreulicherweise kassenpflichtig. Auch strahlentherapeutisch sind neuere Studien verf&uuml;gbar. So hatte die zus&auml;tzliche region&auml;re Bestrahlung des Lymphabflusses bei nodal-positiven Patientinnen zwar keinen &Uuml;berlebensvorteil, jedoch eine verringerte R&uuml;ckfallquote. Im Vergleich zwischen kompletter Axilladissektion und Radiotherapie der Axilla bei einem positiven Sentinellymphknoten fand sich in der AMAROS- Studie kein prognostischer Unterschied. In der Gruppe der bestrahlten Patientinnen kam es jedoch zu signifikant weniger Lymph&ouml;demen, sodass die Radiotherapie in diesen F&auml;llen eine valide Option darstellt.<br /> In der medizinischen Onkologie sind neuere Substanzen in Richtung individualisierter Medizin weiter auf dem Vormarsch. Palbociclib, ein oraler CDK4/6- Inhibitor, zeigt in Studien eine klare Verbesserung des progressionsfreien &Uuml;berlebens beim &Ouml;strogenrezeptor-positiven Mammakarzinom zur &Uuml;berwindung einer endokrinen Resistenz bei mehrfach vorbehandelten Patientinnen. In der Schweiz ist Palbociclib bisher jedoch noch nicht zugelassen. Dagegen ist Olaparib, ein oraler PARP-Inhibitor, seit August f&uuml;r Patientinnen mit einem ser&ouml;sen &laquo;High grade&raquo;- Ovarialkarzinom und einer somatischen oder Keimbahnmutation der BRCA-Gene zugelassen. Im Rahmen von Studien steht es auch f&uuml;r Patientinnen mit einer Keimbahnmutation der BRCA-Gene und Mammakarzinom als Erhaltungstherapie nach Abschluss der adjuvanten oder neoadjuvanten Chemotherapie zur Verf&uuml;gung.<br /> In der endokrinen Therapie liegen die Ergebnisse mehrerer grosser Studien endlich vor. Gewisse pr&auml;menopausale Patientinnen haben mit der zus&auml;tzlichen Verabreichung eines GnRH-Analogons zur Antihormotherapie Vorteile und auch die von f&uuml;nf auf zehn Jahre verl&auml;ngerte endokrine Therapie ist mit einem verl&auml;ngerten rezidivfreien &Uuml;berleben vergesellschaftet. Welche Patientin einen Nutzen davon hat und welche nicht, ist Gegenstand aktueller Diskussionen und m&ouml;glicherweise werden hier genomische Tests in Zukunft eine gute Hilfestellung sein.</p> <h2>Komplement&auml;re supportive Therapien</h2> <p>Die Komplement&auml;rmedizin wird in Erg&auml;nzung zur konventionellen Therapie mit dem supportiven Ziel einer verbesserten Lebensqualit&auml;t eingesetzt und inzwischen belegt eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen den Nutzen verschiedener Substanzen und Verfahren. Ein Beispiel ist die Anwendung von Akupunktur aus der traditionellen chinesischen Medizin in der Behandlung von Nausea, Emesis, Arthralgien, Hitzewallungen, Fatigue und bei Schmerzen. Andere Beispiele sind Weihrauch aus der ayurvedischen Medizin beim Hirn&ouml;dem, Honig bei einer Mukositis und Ingwer bei der Chemotherapie-induzierten Nausea. Die Misteltherapie aus der anthroposophischen Medizin kann zur Reduktion Chemotherapie- bedingter Nebenwirkungen, zur Verbesserung der Lebensqualit&auml;t und einer Fatigue eingesetzt werden. Die Verfahren der Mind-Body-Medizin haben inzwischen teilweise den Empfehlungsgrad A (= empfohlen bei hoher Gewissheit f&uuml;r substanziellen Benefit) erhalten, beispielsweise Hypnose und Yoga f&uuml;r die Behandlung der Fatigue, Meditation und Achtsamkeitstraining (MBSR = &laquo;mind-based stress reduction&raquo;) zur Verbesserung der Lebensqualit&auml;t und Entspannung, Yoga und MBSR zur Linderung depressiver Symptome.</p> <h2>Ern&auml;hrung und Fasten</h2> <p>Verschiedene Krebsdi&auml;ten erfreuen sich ungebrochen einer gewissen Beliebtheit. Die Idee, den Tumor auszuhungern oder durch die Korrektur einer falschen Nahrungsweise das Krebsgeschehen g&uuml;nstig beeinflussen zu k&ouml;nnen, ist nach wie vor recht popul&auml;r. Dabei kommt es unter Umst&auml;nden durch eine sehr einseitige und defizit&auml;re Nahrungsform zu negativen Gesundheitsfolgen. Dank neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen haben wir heute differenziertere Kenntnisse &uuml;ber den Einfluss der Ern&auml;hrung auf die Entstehung und das Fortschreiten einer Karzinomerkrankung. Die klassisch mediterrane Kost mit viel Gem&uuml;se, Salat, Oliven&ouml;l und Fisch sowie wenig Fleisch und ges&auml;ttigten Fetts&auml;uren gilt heute als die sehr wahrscheinlich empfehlenswerteste Nahrungsform. Es gilt, &Uuml;bergewicht zu reduzieren und/oder zu vermeiden und den Insulinspiegel m&ouml;glichst konstant zu halten. Ein besonderes Augenmerk kommt in letzter Zeit (wieder) der Nahrungskadenz, dem Fasten, zu. Die dahinterstehenden &Uuml;berlegungen basieren darauf, dass in verschiedenen Modellorganismen eine vor&uuml;bergehende Kalorienrestriktion die antioxidative Kapazit&auml;t gesunder Zellen erh&ouml;ht hat. Ein Mechanismus, den die Krebszellen aufgrund ihrer Wachstumsprogrammierung nicht haben und der sie daher m&ouml;glicherweise sogar sensibler f&uuml;r die Wirkung der Chemotherapie macht. Erste klinische Studien mit einem kurzzeitigen Fasten rund um die Chemotherapiegabe zeigen keine negativen Auswirkungen auf die Effektivit&auml;t der Chemotherapie, jedoch verringerte Nebenwirkungen &ndash; hier sind aktuelle Studien in Deutschland mit Spannung zu erwarten.<br /> Die Anpassung und/oder ggf. Umstellung der Ern&auml;hrung &ndash; zusammen mit moderater Bewegung &ndash; stellen eine relativ einfache und kosteng&uuml;nstige Massnahme dar, die von den Patientinnen selbst umgesetzt werden kann.</p> <h2>Anthroposophische Medizin und Pflege</h2> <p>Die anthroposophische Medizin stellt nicht nur die Behandlung der Krankheit in den Mittelpunkt, sondern bindet den erkrankten Menschen in ihr Behandlungskonzept mit ein, um damit den Genesungsprozess umf&auml;nglicher zu f&ouml;rdern. Durch die Anwendung einer Misteltherapie, durch pflegerische Massnahmen wie die rhythmischen Einreibungen, durch gestalterische Ausdrucksm&ouml;glichkeiten wie das Malen und durch die Besch&auml;ftigung mit der eigenen Biografie sollen die immer vorhandenen salutogenetischen Anteile im Menschen gest&auml;rkt und gef&ouml;rdert werden. Dabei geht der Blick &uuml;ber die rein somatische Ebene hinaus und bezieht die seelische und geistige Ebene des individuellen Menschen in den Heilungsprozess mit ein. Den betroffenen Menschen in seiner Entscheidung zu achten und zu begleiten steht im Mittelpunkt.</p> <h2>Seelenst&auml;rkung und F&ouml;rderung eigener Ressourcen</h2> <p>Die Diagnose Krebs als existenzielles und einschneidendes Erlebnis bedarf eines erg&auml;nzenden seelischen Beistands. In der Psychoonkologie sind verschiedene Methoden und M&ouml;glichkeiten vorhanden, die Patientin auf ihrem individuellen und sehr pers&ouml;nlichen Weg zur Krankheitsbew&auml;ltigung zu begleiten und zu unterst&uuml;tzen. Den Zugang zu den inneren Kr&auml;ften und seelischen Ressourcen als Verbindung zu wichtigen Lebenskr&auml;ften zu finden und die eigenen Schutzfaktoren zu st&auml;rken ist eine grosse Herausforderung. Es ist aber eine wichtige Komponente, um Resilienz und Selbstwirksamkeit zur Bew&auml;ltigung der aktuellen Lebenssituation zu entdecken. An konkreten Beispielen gelingt ein Einblick in die psychoonkologische Begleitung. Diesen Prozess durchlaufen die Frauen absolut individuell und einmalig in der Erkrankung. Dabei entdecken sie behutsam und auf ihre Bed&uuml;rfnisse abgestimmt innere Ressourcen, wodurch sich neue Lebensperspektiven auf unterschiedlichen Ebenen entwickeln. Es wird deutlich, wie wichtig und hilfreich eine solche Unterst&uuml;tzung im Heilungsprozess ist.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die integrative Onkologie als eine Kombination wissenschaftlich fundierter konventioneller wie auch komplement&auml;rer Verfahren zeigt sich an diesem Kongress einmal mehr nicht nur als Bereicherung des Therapiespektrums, sondern auch als eine M&ouml;glichkeit, die somatische Perspektive um eine seelische und geistige Dimension zu erweitern und damit einem grossen Bed&uuml;rfnis der betroffenen Frauen gerecht zu werden.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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