
Die vaginale Enterozelenversorgung
Autor:
Dr.med. Jörg Humburg
Co-Leitung a.i. Frauenmedizin
Chefarzt Gynäkologie und Beckenbodenzentrum
Klinik für Frauenmedizin
Bethesda Spital Basel
E-Mail: joerg.humburg@bethesda-spital.ch
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Es ist unklar, welche klinische Rolle die vaginale Enterozele spielt. Aber unter Berücksichtigung insbesondere der Befunde bildgebender Verfahren beim obstruktiven Defäkationssyndrom ist ihre Versorgung im Rahmen von Deszensusoperationen bei Beckenbodenfunktionsstörungen der Frau wichtig. Dies stellt jedoch eine Herausforderung dar, da die Datenlage zu allen Aspekten der Enterozele spärlich ist.
Keypoints
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Die klinische Diagnose und vaginale Versorgung der Enterozele ist schwierig
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Solange Sie vaginal operieren, sollten Sie die Enterozelenversorgung beherrschen
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operieren Sie im Kontext des Gesamtbildes (Stumpffixation, Raffungseingriffe)
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Denken Sie an die Prophylaxe des Rezidivdeszenus schon bei der Hysterektomie (Mitfassen der Ligamente)
Die Erstbeschreibung der Enterozele geht auf eine Publikation von Garengeot 1736 zurück. In den folgenden Jahrzehnten erfolgten immer wieder Einzelfallbeschreibungen, wobei die Vorstellung, was das anatomische Korrelat sei, unklar war. Eine Resektion bei Verdacht auf Uteruspolyp führte zur Resektion von Omentum und Kolon, in einem anderen Fall erfolgte eine fatale Punktion in der Annahme, es handle sich um eine Zyste, was zum Tod der Patientin führte.
Definition
Die Enterozele ist definiert als eine echte Hernie mit Bruchsack und -pforte, die von Peritoneum ausgekleidet ist. Sie kommt meist im Septum rectovaginale vor, nach Zystektomie auch im Septum vesicovaginale, isoliert (engl. «pulsion enterocele») oder kombiniert mit einem Vaginalstumpfdeszensus (engl. «traction enterocele»). Eine isolierte Enterozele ist angeboren, assoziiert mit einem tiefen Douglas-Raum und wahrscheinlich Folge einer fehlenden Verschmelzung des anterioren und posterioren Peritoneums in der Embryonalphase. Dies könnte auch erklären, warum man auch bei vollständig gesunden Probandinnen eine Enterozele findet. Die erworbene Form ist Folge von Eingriffen, bei welchen das hintere Kompartiment exponiert wird. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einer Kolposuspension oder auch einer «lateral vault suspension» nach Dubuisson, zumindest in einer publizierten retrospektiven Analyse eigener Eingriffe. Eine Graduierung fehlt. Die Enterozele entspricht einem Level-I-Defekt nach DeLancey, also der hinteren Schadenszone.
Symptome
Die Symptome sind unspezifisch, es besteht ein Senkungs- oder Fremdkörpergefühl, zudem Schmerz im kleinen Becken (möglicherweise durch Zug am Dünndarmmesenterium, der im Stehen oder beim Pressen zunimmt). Die Patientinnen schildern auch die Symptome eines obstruktiven Defäkationssyndroms (Tab. 1). Unter einem obstruktiven Defäkationssydrom versteht man eine Entleerungsstörung des Enddarms, die durch eine ventrale Rektozele (innere Ausbuchtung des Enddarms nach vorne) oder durch einen inneren Rektumprolaps (ein Teil des Enddarms stülpt sich in sich selbst ein, auch innere rektoanale Intussuszeption genannt) verursacht wird. Es besteht das Gefühl der unvollständigen Entleerung. Beim Pressen kommt es bei Vorliegen einer Enterozele durch ein Absenken des Dünndarms ins Septum rectovaginale zu einer mechanischen Obstruktion des Rektums.
Prävalenz
Die Prävalenz der Enterozele ist unklar, bei symptomatischen Patientinnen tritt sie mit einer Rate von 11–45% auf, bei hysterektomierten Patientinnen sind es 18%, und umgekehrt sind zwei Drittel der Patientinnen mit Symptomen einer Enterozele hysterektomiert.
Die Hauptursache für die Entwicklung einer Enterozele ist unklar. Als Risikofaktoren gelten ein tiefer Douglas-Raum, ein Zustand nach Spontangeburt, zudem ein chronisch erhöhter intraabdomineller Druck (Obstipation), eine Fixation des Uterus oder der Vagina in Richtung vorderer Bauchwand (Kolposuspension) und die Postmenopause. Interessant ist, dass bei 10% junger, gesunder, asymptomatischer Frauen im Rahmen einer Studie eine Enterozele nachgewiesen werden konnte.
Diagnose
Die Diagnosestellung in der vaginalen Untersuchung ist spekulär und bimanuell schwierig, insbesondere bei Zustand nach Hysterektomie mit einem instabilen Apex. Inspektorisch kann die Beobachtung der unterschiedlichen Fältelung der Scheidenwand, analog zur Unterscheidung der Traktions- oder Pulsationszystozele, helfen. Eine Enterozele weist in aller Regel keine Faltenbildung auf. Sehr unterschiedliche Empfehlungen zur Untersuchung und Diagnosestellung sind beschrieben worden, von der Untersuchung im Stehen (Meigs 1947), ergänzt durch Einführen des Daumens in die Scheide und des Zeigefingers ins Rektum (Nicols und Randall 1986), bis zum Einführen einer Lichtquelle ins Rektum als Transillumination (Altchek 1965), die sich aber nicht durchgesetzt hat. Hilfreicher, aber zum Teil deutlich aufwendiger und für die Patientin belastender ist die konventionelle bzw. heute eher die MR-Defäkografie, mit guter Sensitivtät und hoher Spezifität. Für den klinischen Alltag in der Sprechstunde besser geeignet und deutlich einfacher mit einer ebenfalls hohen Spezifität sind Ultraschalluntersuchungen (Tab. 2). Dabei spielt die schlechtere Spezifität in dieser Ausgangslage eigentlich keine Rolle.
Therapie
Eine Enterozele kann operativ vaginal, abdominell offen oder laparoskopisch/robotisch, mit oder ohne Einlage von Fremdmaterial (Mesh) versorgt werden. Dies illustriert auch die Geschichte der operativen Versorgung der Enterozele, die reich ist an unterschiedlichen Zugängen. Abdominell folgt sie dem Prinzip der Obliteration des Douglas-Raums durch zirkuläre Nähte (Moschkowits) – ursprünglich als Form einer Rektopexie gedacht – (mit dem Risiko, dass die Ureteren mitgefasst werden), durch längsgestellte Nähte (Halban) oder als Vereinigung der sakrouterinen Ligamente. Auch ein kombiniertes Vorgehen vaginal-abdominell (Bueerman) ist möglich. Ich möchte mich auf das vaginale Vorgehen beschränken. Ward definierte die Prinzipien einer erfolgreichen vaginalen Versorgung einer Enterozele: Zuerst erfolgt die Darstellung des Enterozelen-Bruchsacks, dann die Resektion, gefolgt von einem hohen Verschluss des Bruchsacks mit Vereinigung der Ligg. sacrouterina, so nah am Rektum wie möglich. Dies gilt auch heute noch bei der vaginalen Versorgung, wobei ich ergänzen möchte, dass ich insbesondere die Entfernung des Peritoneums für wichtig halte, denn wo kein Peritoneum ist, kann keine Enterozele sein. Eine Enterozelenversorgung bei Uterus in situ ist, da die Bruchpforte anatomisch definiert ist, gut möglich. Ist die Enterozele eine Peritoneozele mit präperitonealem Fettgewebe, liegt ein Rezidiv vor oder besteht eine Vernarbung nach Voreingriffen, dabei kann es vorkommen, dass das übliche Vorgehen technisch nicht gelingt. Dann kann durch eine zirkuläre Vereinigung der endopelvinen Faszie der Scheidenvorder- und -hinterwand ein Verschluss der Enterozele erreicht werden, gegebenenfalls kann hier eine Mesheinlage erfolgen. Sicherlich wichtig ist auch die gleichzeitige Korrektur anderer am Deszensus beteiligten Kompartimente, von Zystozele und Rektozele. Dies gilt insbesondere auch für die Fixation des Apex sowohl bei Uterus in situ als auch bei Zustand nach Hysterektomie. Dazu gibt es ja eine Vielzahl von Optionen, unter anderem die sakrospinale Fixation nach Richter, mit oder ohne Hysterektomie, bilateral mit oder ohne Netzinterponat, die McCall-Culdo-Plastik (und deren Modifikationen) oder die hohe Vereinigung der sakrouterinen Ligamente. Interessant und für den Alltag wichtig ist, dass die beste Prophylaxe für die Verhinderung des Auftretens einer Enterozele nach Hysterektomie darin besteht, den Stumpf ausreichend gut zu fixieren (Tab. 3).
Literatur:
beim Verfasser