© Satjawat - stock.adobe.com

Sensoren, Stimulatoren und Stammzellen

Perspektiven innovativer Technologien für die Parkinsontherapie

App-gestützte Sensoren, Rückenmarkstimulatoren und Stammzelltransplantationen könnten in Zukunft die Therapie von Menschen mit Parkinson weiter verbessern.

Nach 5 Jahren entwickeln etwa 50% der Menschen mit Parkinson und nach 10 Jahren sogar 90% motorische und nicht motorische Symptomschwankungen unter einer konventionellen oralen Levodopa-Therapie. „Das Erfassen solcher Schwankungen in Relation zur Medikamenteneinnahme könnte zur Optimierung der Therapie beitragen“, so die Einschätzung von Prof. Storch, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Rostock. Allerdings könnten bisherige Monitoring-Strategien zur Dokumentation des funktionalen Status, wie Tagebücher, Befragung der Patient:innen und ärztliche Aufzeichnungen, lückenhaft sein. Daher untersuchte Storch mit seiner Arbeitsgruppe im Rahmen einer prospektiven Studie (VALIDATE-PD), inwiefern eine sensorgestützte, kontinuierliche Dokumentation motorische Fluktuationen bei fortgeschrittener Parkinsonerkrankung genauer erfasst als simultane Tagebuchdokumentationen von Betroffenen und Behandelnden. Die Dokumentation erfolgte mit einem Akzelerometer-System, einem kleinen Gerät ähnlich einer Smartwatch, um über einen bestimmten Zeitraum Daten zu sammeln. Das Ausmaß der Übereinstimmungen zwischen den Ergebnissen des Akzelerometer-Systems und den Tagebuchbewertungen über 2 Tage hinweg wurde statistisch ausgewertet.1 „In unserer Arbeit konnten wir eine moderate Validität für die Detektion von motorischen Off-Phasen und dyskinetischen Phasen über den Verlauf eines Tages dokumentieren. Für die Erkennung plötzlicher und unerwarteter motorischer Schwankungen waren die Ergebnisse hingegen schwächer.“

Weitere Untersuchungen mit anderen Wearables bei Menschen mit Parkinson erzielten ähnliche Ergebnisse mit milden bis moderaten Korrelationen zum Monitoring der Motorik, lediglich Tremor wird durch die meisten verfügbaren Wearables mit einer guten Validität im Vergleich zur klinischen Bewertung detektiert.2

Vielversprechende Pilotstudien zu Neuroprothesen bei schweren Gangstörungen

Erfreulich sind die ersten Erkenntnisse zur Implantation von epiduralen Elektroden (epidurale elektrische Stimulation, EES) bzw. einer Neuroprothese bei schweren Gangstörungen, wie Freezing of Gait. Die TEES („targeted epidural spinal stimulation“) wurde anhand eines Primaten-Modells entwickelt und nun erstmals an einem 61-jährigen Parkinsonpatienten untersucht. Dieser Patient war bereits seit 30 Jahren an Parkinson erkrankt und entwickelte im Laufe der Zeit unter anderem ein schweres Freezing of Gait, das mehrfache Stürze pro Tag provozierte.3

Zur Reduktion seiner schweren motorischen Symptomlast wurden die TEES und etablierte Verfahren wie eine tiefe Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus angesetzt und seine dopaminerge Medikation wurde optimal ausgeschöpft. „Mit diesem kombinierten Ansatz konnten wesentliche Gangparameter gebessert bis normalisiert werden. Seine Sturzfrequenz sank dramatisch, was sich ebenfalls positiv auf die Lebensqualität auswirkte. Die Symptome des Freezing of Gait waren mit TEES nahezu verschwunden“, zitierte Storch.3,4

Aktuell läuft eine größere Studie (STIMO-PARK, NCT04956770) zur Wirksamkeit der TEES über einen Follow-up-Zeitraum von drei Jahren. In Bezug auf Freezing of Gait wird aktuell ein weiterer, roboterassistierter Ansatz mit soften Prothesen untersucht. In einer Proof-of-Concept-Studie mit einem Parkinsonprobanden (männl., 73 Jahre alt) wurden relevante Verbesserungen der Gangquantität und -qualität über mehrere Tage hinweg beobachtet.5

Interessante Ergebnisse zur Stammzelltherapie bei Parkinson

Restaurative Therapien mittels Stammzelltransplantation erleben bei Parkinson laut Einschätzung von Storch derzeit eine Renaissance. Darunter scheinen Ansätze mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs, „induced pluripotent stem cells“) und insbesondere embryonalen Stammzellen die aussichtsreichsten Zellquellen zu sein. Als einen der klinisch am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten für eine pluripotente Stammzelltherapie nannte der Experte Bemdaneprocel. Bisherige Ergebnisse aus einer Phase-I-Studie (NCT04802733) mit einer Nachbeobachtungszeit von mittlerweile 18 Monaten sind nach seiner Einschätzung ermutigend. In Bezug auf die Sicherheit wurde Bemdaneprocel bei allen 12 Proband:innen mit Parkinson in niedriger und hoher Dosis gut vertragen. Zudem konnte die Off-Zeit reduziert und die On-Zeit gesteigert werden, ohne dass Dyskinesien auftraten. „In der Hochdosis-Kohorte wurden die größten Effekte zur Reduktion der Off-Zeit erzielt“, ergänzte Storch. Eine Phase-II-Studie zur weiteren klinischen Untersuchung von Bemdaneprocel wird noch 2024 mit der Rekrutierung von Studienteilnehmer:innen beginnen. (red)

Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V. vom 24. April 2024

1 Löhle M et al.: NPJ Digit Med 2023; 6: 194 2 Lipsmeier F et al.: Sci Rep 2022; 12(1): 12081 3 Milekovic T et al.: Nat Med 2023; 29: 2854-65 4 Mizrahi-Kliger A, Ganguly K: Nat Med 2023; 29: 2713-5 5 Kim J et al.: Nat Med 2024; 30: 177-85

Back to top