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Mastodynie, Mastopathie bis Mammakarzinom
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Rebekka Welter
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe FMH<br> Baden<br> E-Mail: rebekka.welter@googlemail.com
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Tomosynthese, MRI und Brust-CT: Die Möglichkeiten der Mammadiagnostik werden immer vielfältiger und unübersichtlicher. Welche Möglichkeiten haben wir als Gynäkologen in der Praxis aber für eine rasche Diagnostik und gute Dignitätseinschätzung? Ganz und gar unberechtigt ist die Sonografie in den Hintergrund gerückt, obwohl die Anwendung einfach und der Benefit enorm ist.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mammasonografie ist Methode der Wahl bei symptomatischer Patientin</li> <li>Möglichkeit zur direkten Intervention</li> <li>Gute Dignitätseinschätzung durch Ultraschall</li> <li>Zeitaufwand, Untersucherabhängigkeit</li> <li>Direkte Einschätzung für Patientin</li> </ul> </div> <p>Die Möglichkeiten der Früherkennung sind heute vielfältig. Neben der Tastuntersuchung stehen uns die Sonografie, die Mammografie und das MRI zur Verfügung. Schnell ist die Anmeldung zur Mammografie ausgefüllt, wenn eine Patientin mit einem Palpationsbefund die Sprechstunde aufsucht. Das Warten auf den Termin im radiologischen Zentrum oder im Spital wird für die Patientin zu einer Zerreissprobe. Zudem hat die Mammografie gerade bei jungen Frauen vor dem 40. Lebensjahr entscheidende Nachteile: Die Durchlässigkeit des dichten Drüsengewebes ist schlecht, sodass die Untersuchung nicht nur sehr schmerzhaft für die Patientin ist, sondern die Befunde häufig auch falsch positiv sind. Es kommt zu unnötigen Biopsien und einer unnötigen Verunsicherung der Patientin.</p> <h2>Mammografie ab dem 40. Lebensjahr oder in Ausnahmesituationen</h2> <p>Die Indikation zur Mammografie sollte daher vor dem 40. Lebensjahr zurückhaltend gestellt werden. Eine viel besser geeignete Methode ist die Mammasonografie. Sie stellt längst nicht nur eine Ergänzung zur Mammografie dar, sondern ist unter anderem bei dichtem Mammaparenchym oder Implantaten Untersuchungsmethode der Wahl. So kann ein vermeintlicher Herdbefund schnell entkräftet werden, wenn der Ultraschall eine Mastopathie zeigt. Wir können die Sonografie auch zur Verlaufkontrolle bei Herdbefunden oder in der Nachsorge bei Patientinnen nach Karzinomerkrankung nutzen. Im präoperativen Staging gewinnen wir wichtige Informationen zur Operationsplanung: Die im Befund erhobene Grösse kommt der wahren Grösse des Tumors meist am nächsten, während die Mammografie tendenziell die Grösse des Befundes eher unterschätzt und das MRI diese eher überschätzt. Zudem lässt sich der Lymphknotenstatus einschätzen und eine Aussage über den Bezug des Tumors zu Mamille, Haut und Thoraxwand treffen.</p> <h2>Sofort verfügbar: Ultraschall in der Praxis</h2> <p>Der Ultraschall ermöglicht die sofortige Durchführung von sonografischen Biopsien und damit den schnellsten Weg zur Histopathologie eines Befundes. Für die symptomatische Patientin ist der Ultraschall damit Untersuchungsmethode der ersten Wahl. Dem erfahrenen Untersucher ist hierbei eine rasche und zuverlässige Dignitätseinschätzung möglich.</p> <h2>Nachteile der Mammasonografie</h2> <p>Bei allen Vorteilen der Sonografie dürfen die Nachteile nicht unerwähnt bleiben. Die Sensitivität und Spezifität des Ultraschalls sind gering, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Methode zeitaufwendig und untersucherabhängig ist. Zudem lässt sich im Gegensatz zur Mammografie kein Mikrokalk detektieren.</p> <h2>Ideale Vorbereitung vor der Untersuchung</h2> <p>Bevor wir mit der Untersuchung beginnen, ist eine ideale Vorbereitung unerlässlich. Der ideale Zeitpunkt der Untersuchung ist zwischen dem 7. und 14. Zyklustag. Die Anamnese gibt uns erste wichtige Informationen über den Grund der Vorstellung, die Beschwerden und die Familienanamnese. Eine anschliessende klinische Untersuchung sollte Fragestellungen nach Symmetrie, Rötung, Einziehung/Vorwölbung, Mamillenretraktion, Peau d’orange etc. mit einbeziehen. Die Patientin sollte anschliessend in Rückenoder Schräglage mit abduziertem Arm gelagert werden. Ein 7,5–15-Mhz-Linearschallkopf wird nach Auftragen von genügend Gel senkrecht zur Haut gehalten und die Brust sollte systematisch radiär zur Mamille, horizontal oder sagittal abgesucht werden. Bildgrösse, Eindringtiefe, Helligkeit und Fokus optieren die Einstellungen des Ultraschallgeräts.</p> <h2>BIRADS auf dem Weg zur Diagnose</h2> <p>Die Dokumentation erfolgt anhand der BIRADS(«Breast Imaging Reporting and Data System»)-Kriterien (Tab. 1), die analog zur Mammografie vom American College of Radiology festgelegt wurden, um eine Einschätzung der Befunde und eine Festlegung des Prozederes zu ermöglichen. Ein BIRADS-3-Befund kann stanzbioptisch abgeklärt oder sonografisch kontrolliert werden. Ab BIRADS 4 ist eine histologische Sicherung zwingend indiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_lo_gyn_1903_tab1_s42_welter.png" alt="" width="340" height="327" /></p> <h2>Ultraschallkriterien</h2> <p>Die primären Ultraschallkriterien sind die Form (oval/rund vs. unregelmässig), die Achse (horizontal vs. vertikal), die Echogenität (homogen vs. inhomogen) sowie die Begrenzung (scharf vs. unscharf). Binnenechos (homogen vs. inhomogen), echoreiche Spots und das dorsale Schallverhalten geben uns eine zusätzliche Information. Gutartige Befunde sind in der Regel oval oder rund, horizontal ausgerichtet, glatt begrenzt, weisen ein homogenes Echomuster auf und haben eine dorsale Schallverstärkung. Karzinome dagegen sind gekennzeichnet durch eine unregelmässige Form, eine vertikale Achse, die unscharfe Begrenzung und eine dorsale Schallauslöschung. Die gutartige Läsion ist in der Regel verschieblich, da sie das umgebende Gewebe verdrängt, während ein Karzinom durch das invasive Wachstum eine fehlende Komprimierbarkeit aufweist.</p> <h2>Zyste</h2> <p>Einfache Zysten zeigen eine typische Sonomorphologie und können als BIRADS 2 klassifiziert werden: Sie sind queroval oder rund, glatt begrenzt und haben einen echoleeren Inhalt sowie einen schmalen Randsaum. Die Umgebungsarchitektur wird nicht durchbrochen und das dorsale Schallverhalten ist verstärkt. Mit einer einfachen Feinnadelpunktion lässt sich der Inhalt abziehen und die Verdachtsdiagnose ist schnell und einfach bestätigt.</p> <h2>Fibroadenom</h2> <p>Fibroadenome sind ebenfalls horizontal ausgerichtet und haben einen echoarmen, aber homogenen Inhalt. Auch hier finden wir eine dorsale Schwallverstärkung und in einem Viertel der Fälle den typischen lateralen Schallschatten. Differenzialdiagnostisch können gerade bei jungen Patientinnen Karzinome wie Fibroadenome imponieren. Wir klassifizieren Fibroadenome als BIRADS 3 und müssen mit der Patientin eine sonografische Kontrolle versus eine histologische Abklärung mittels Stanzbiopsie diskutieren.</p> <h2>Karzinom</h2> <p>Eine unregelmässige Form, die vertikale Ausrichtung des Befundes sowie die unscharfe Kontur sind neben dem inhomogenen, echoarmen Muster die typischen Kriterien eines Karzinoms. Das Karzinom ist schlecht verschieblich, die Umgebungsstrukturen sind unterbrochen und wir sehen meist eine dorsale Schallabschwächung oder -auslöschung. Häufig werden nicht alle Kriterien gleichzeitig erfüllt. Die Vergabe eines BIRADS 5 macht die Verdachtsdiagnose eines Karzinoms zu > 95 % wahrscheinlich.</p> <h2>Spezielle Ultraschalldiagnostik</h2> <p>Die 3D-Mammasonografie, bei der gleichzeitig drei räumliche Ebenen eines Objektes zu einem dreidimensionalen räumlichen Bild zusammengefasst werden, erweitert die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen gut- und bösartigen Befunden. In der koronaren Aufsichtsperspektive kann ein Herdbefund optimal in seiner Beziehung zur Umgebungsstruktur dargestellt werden. So lässt sich häufig darstellen, ob ein Befund ein verdrängendes Verhalten zeigt oder Umgebungsreaktionen bewirkt, wie z. B. sternförmige Einziehungen. Die 3D-Sonografie erhöht auch die Treffsicherheit der Stanzbiopsie durch die Möglichkeit zur exakten Lagekontrolle.<br /> Das TUI («tumographic ultrasound imaging») ist eine ergänzende Möglichkeit der 3D-Unterschung, bei der mehrere parallele Schnitte nebeneinander auf einem Übersichtsbild abgebildet werden. Weitere Hinweise auf einen malignen Befund kann die Farbdoppler-Sonografie geben. Auch sehr geringe Flussgeschwindigkeiten in einem Tumor können hiermit dargestellt werden.<br /> Der Panoramascan (SieScape) ist ein zweidimensionales Übersichtsbild, welches Lagebeziehungen von zwei Herdbefunden zueinander, aber auch die Beziehung eines Befundes zu Mamille, Haut und M. pectoralis verdeutlichen kann.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Trotz aller Fortschritte und vieler Vorteile der Mammasonografietechnik ist sie bis heute nicht als Screeningmethode geeignet, da die Ergebnisse zu sehr von der Erfahrung des Untersuchers und der Qualität der eingesetzten Geräte abhängen. Dennoch sollten wir die Möglichkeiten der raschen Dignitätseinschätzung bei einer symptomatischen Patientin und die Möglichkeit der sofortigen Intervention zur histologischen Abklärung als Gynäkologen in der Praxis nicht ungenutzt lassen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<ul> <li>American College of Radiology (ACR). ACR BI-RADS: ultrasound. In: Breast imaging reporting and data system: breast imaging atlas. 4th edition. Reston VA: American College of Radiology, 2003; 1-86</li> <li>Athansiou A et al.: How to optimize breast ultrasound. Eur J Radiol 2009; 69(1): 6-13</li> <li>Giuliano V et al.: Improved breast cancer detection in asymptomatic women using 3D-automated breast ultrasound in mammographically dense breasts. Clin Imaging 2013; 37(3): 480-6</li> <li>Khouri NF: Breast Ultrasound. In: Harris JR et al.: Diseases of the Breast, 4th Edition, Chapter 13, Lippincott Williams & Wilkins: Philadelphia2009; 131-51</li> <li>Kim SJ et al.: Ultrasound screening of contralateral breast after surgery for breast cancer. Eur J Radiol 2015; 84(1): 54-60</li> <li>Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe (SGUMGG): Empfehlungen zu Ultraschalldiagnostik in der Gynäkologie. 2. Auflage; 67-71</li> <li>Sree SV et al.: Breast imaging systems: a review and comparative study. Journal of Mechanics in Medicine and Biology 2010; 10(1): 5-34</li> </ul>
</div>
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