HPV-Impfung bei jungen Erwachsenen
Autorin:
Dr. med. Samia El-Hadad
Klinik für Reproduktions-Endokrinologie Universitätsspital Zürich
E-Mail: samia.el-hadad@usz.ch
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Die HPV-Impfung gilt als eine der wirksamsten Präventionsmassnahmen gegen Krebs – und doch bleibt die Umsetzung in vielen europäischen Ländern lückenhaft. Unsere repräsentative Schweizer Studie zeigt: Während 40,9% der jungen Frauen geimpft sind, liegt die Quote bei Männern bei nur 7,8%. Wissenslücken, verpasste Gelegenheiten und das hartnäckige Image als „Frauenimpfung“ bremsen den Erfolg – mit Folgen für die öffentliche Gesundheit weit über die Landesgrenzen hinaus.
Hintergrund und Relevanz
Humane Papillomaviren (HPV) gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Erregern weltweit. Über 80% der sexuell aktiven Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mindestens einmal. Während viele Infektionen spontan ausheilen, können persistierende Infektionen mit Hochrisiko-HPV-Typen zu Krebsvorstufen und malignen Tumoren führen – am bekanntesten ist das Zervixkarzinom, aber auch Vulva-, Vaginal-, Anal- und Oropharynxkarzinome sind relevant. Niedrigrisikotypen verursachen genitale Warzen, die zwar benigne, aber therapieintensiv sein können.
Seit der Einführung prophylaktischer HPV-Impfstoffe vor knapp zwei Jahrzehnten hat sich deren Wirksamkeit in zahlreichen Studien bestätigt. Länder mit hoher Durchimpfungsrate verzeichnen deutliche Rückgänge bei HPV-Infektionen, Genitalwarzen und zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN). Trotz dieser Evidenz sind die Impfquoten in vielen Ländern, auch in der Schweiz, noch ausbaufähig –insbesondere bei Männern, die kürzer als Frauen in die Basisimpfempfehlungen einbezogen werden.
Die Schweiz empfiehlt seit 2024 die HPV-Impfung für Jungen und junge Männer im Alter von 11–19 Jahren als Basisimpfung; für 20- bis 26-Jährige gilt eine ergänzende Empfehlung (3-Dosen-Schema). Dieser Wandel eröffnet Chancen, auch im jungen Erwachsenenalter Impfangebote zu platzieren.
Studiendesign und Methodik
Unsere Studie basiert auf einer landesweit repräsentativen, online erhobenen Querschnittserhebung aus dem Jahr 2017. Ziel war es, den selbstberichteten HPV-Impfstatus sowie Wissen, Einstellungen und relevante soziodemografische und verhaltensbezogene Faktoren zu erfassen. Die Teilnehmenden wurden mittels Zufallsauswahl aus Einwohnerregistern rekrutiert und erhielten eine Einladung zur webbasierten Befragung. Um eine repräsentative Abdeckung zu gewährleisten, wurden die Daten nach Geschlecht, Region und Bildungsniveau gewichtet.
Der Fragebogen umfasste demografische Angaben (Alter, Geschlecht, Geburtsland, Bildung, sozialer Status, Wohnregion), gesundheitsbezogene Faktoren (Facharztkonsultationen, Vorsorgeuntersuchungen), Sexualbiografie (Alter bei erster fester Partnerschaft, Anzahl der Lebenszeitpartner:innen), den mentalen Gesundheitsstatus (Selbstbeurteilungsskalen zu Depression und Angst) sowie Wissen und Einstellungen zur HPV-Impfung. Der Impfstatus wurde durch die Frage „Haben Sie jemals eine HPV-Impfung erhalten?“ erhoben (Antwortoptionen: Ja/Nein/Weiss nicht).
Für die statistische Auswertung wurden zunächst deskriptive Analysen durchgeführt. Unterschiede zwischen geimpften und ungeimpften Teilnehmenden wurden mit Chi2-Tests für kategoriale Variablen und t-Tests für kontinuierliche Variablen geprüft. Zur Identifikation unabhängiger Prädiktoren einer Impfung setzten wir multivariable logistische Regressionsmodelle ein, die potenzielle Störfaktoren kontrollierten. Effektstärken wurden als Odds-Ratios (OR) mit 95%-Konfidenzintervallen (KI) angegeben. Das Signifikanzniveau lag bei p<0,05.
Zentrale Ergebnisse
Impfquoten
40,9% der Frauen gaben an, mindestens eine Dosis der HPV-Impfung erhalten zu haben, gegenüber nur 7,8% der Männer (Tab.1). Dieser Unterschied ist statistisch hochsignifikant und spiegelt die historische Fokussierung der Impfprogramme auf Mädchen wider.
Barrieren
Als Hauptgründe,die Impfung nicht durchführen zu lassen, nannten Teilnehmende «kein Wunsch nach Impfung» und «fehlender Nutzen». Männer berichteten signifikant häufiger, gar nicht oder nur unzureichend über die HPV-Impfung informiert zu sein. Auch Missverständnisse, etwa dass eine Impfung nach dem ersten Geschlechtsverkehr keinen Nutzen mehr habe, waren verbreitet (Tab. 2).
Determinanten
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Frauen: Regelmässige gynäkologische Vorsorge im Jugendalter und höherer sozioökonomischer Status waren mit höherer Impfquote assoziiert. Ein Migrationshintergrund (Eltern im Ausland geboren) korrelierte in unserer Analyse ebenfalls mit einer höheren Impfquote.
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Männer: Jüngeres Alter bei erster fester Partnerschaft und eine höhere Anzahl sexueller Partner:innen im Leben waren signifikant mit einer höheren Impfquote verknüpft. Dies könnte auf eine gesteigerte Risikowahrnehmung hinweisen.
Wissensstand
Beide Geschlechter wiesen erhebliche Informationsdefizite auf. Nur eine Minderheit wusste, dass eine HPV-Impfung auch nach dem Sexualdebut wirksam ist.
Interpretation im internationalen Kontext
Unsere Ergebnisse decken sich mit internationalen Studien, die ebenfalls eine deutlich niedrigere Impfquote bei Männern im Vergleich zu Frauen zeigen. In Australien und Grossbritannien, wo die HPV-Impfung seit Jahren für beide Geschlechter in Schulprogrammen verankert ist, erreichen die Durchimpfungsraten bei Jugendlichen über 80%. Dort wurden auch signifikante Rückgänge bei HPV-assoziierten Erkrankungen bei Männern dokumentiert. Dies unterstreicht das Potenzial einer geschlechterübergreifenden Strategie zur frühzeitigen Impfung.
In vielen Ländern ist die Wahrnehmung der HPV-Impfung als „Frauenimpfung“ weiterhin ein zentrales Hindernis. Aufklärungskampagnen, die den Nutzen für Männer klar kommunizieren, haben sich als wirksam erwiesen. Unsere Daten legen nahe, dass in der Schweiz ein ähnlicher Ansatz – kombiniert mit strukturierten Impfangeboten in Arztpraxen – dringend notwendig ist.
Gesundheitspolitische Implikationen für die Schweiz
Die Ausweitung der Basisempfehlung auf Jungen bietet eine einmalige Gelegenheit, die Impfquote nachhaltig zu steigern. Entscheidend ist jedoch, dass kantonale Impfprogramme, Schulen, Hausarztpraxen und Fachärzt:innen eng zusammenarbeiten. Finanzielle Hürden (z.B. fehlende Kostenübernahme ausserhalb der kantonalen Programme) müssen konsequent abgebaut werden. Zudem sollte die elektronische Impfkarte stärker in der Praxis etabliert werden, um den Impfstatus lückenlos zu dokumentieren und Recall-Systeme zu erleichtern. Gezielte Informationskampagnen über soziale Medien, Hochschulen und Sportvereine können junge Erwachsene in Lebensphasen erreichen, in denen sie nicht mehr regelmässig in ärztlicher Betreuung sind. Dabei sollten geschlechtergerechte Botschaften und Testimonials von männlichen Vorbildern eingesetzt werden, um die Wahrnehmung der HPV-Impfung als allgemeines Gesundheitsthema zu stärken.
Was bedeutet das für die gynäkologische Praxis?
Gynäkolog:innen sind zentrale Akteure in der HPV-Prävention. Neben der Beratung weiblicher Patientinnen können sie über Paar- und Familienkontakte auch Männer erreichen. Entscheidend ist ein strukturierter Ansatz, der Wissensvermittlung und Impfgelegenheit kombiniert.
Fünf praxisnahe Bausteine
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Opportunistisch impfen: Impfstatus bei jedem passenden Besuch erheben und «catch up» bis 26 Jahre aktiv ansprechen.
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Kurzberatung: HPV ist häufig; die Impfung schützt zuverlässig; früh ist optimal – spät ist besser als gar nicht. Männer profitieren ebenfalls direkt.
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Terminieren und erinnern: Folgedosen (0/2/6 Monate) sofort festlegen und Recall-Systeme nutzen.
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Team-Workflow: Zuständigkeiten im Team klären; Impfstoffverfügbarkeit sicherstellen.
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Partner einbinden: Impfgespräch auch bei Begleitungen zu Terminen führen.
Fazit
Die HPV-Impfung ist ein zentraler Bestandteil der Krebsprävention bei Frauen und Männern. Unsere Studie zeigt klare Handlungsfelder: fragen, aufklären, anbieten, terminieren, erinnern. Wer diese Schritte in der Routine verankert, kann die Impfquote junger Erwachsener in der Schweiz nachhaltig verbessern.
Literatur:
bei der Verfasserin
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