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Führt der Routineultraschall der axillären Lymphknoten bei Frauen ohne Malignom zu unnötigen Biopsien?
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Laura Knabben
Universitäres Brustzentrum, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern<br> E-Mail: laura.knabben@insel.ch
Autor:
Prof. Dr. med. Michael Mueller
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Die Evaluation des regionären Lymphknotenstatus mittels Axillasonografie ist ein wichtiger Schritt im präoperativen Staging bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem Mammakarzinom. Der axilläre Ultraschall ist mittlerweile aber auch fester Bestandteil der sonografischen Routineuntersuchung der Mamma. Es fehlen allerdings Leitlinien zur Interpretation und Abklärung suspekter Lymphknoten bei normaler Bildgebung der Brust.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Isolierte axilläre Lymphadenopathien sind rar und nur selten durch maligne Erkrankungen bedingt.</li> <li>Bei nicht palpablen Lymphknoten sollten Biopsien zurückhaltend indiziert werden.</li> <li>Es fehlen Leitlinien zum Management sonografisch suspekter Lymphadenopathien bei ansonsten unauffälliger Mammadiagnostik.</li> <li>Der Nutzen der Axillasonografie als Routinediagnostik muss infrage gestellt werden.</li> </ul> </div> <h2>Evaluation des axillären Lymphknotenstatus</h2> <p>Die klinische Untersuchung der Axilla im Sinne der Palpation weist mit 30 % nur eine geringe Sensitivität auf.<sup>1</sup> Interessanterweise basierte aber die Selektion der Patientinnen der ACOSOG-Z0011-Studie ausschliesslich auf der klinischen Untersuchung.<br /> In den meisten Brustzentren wird zusätzlich der axilläre Ultraschall zur Evaluation des Lymphknotenstatus eingesetzt.<br /> Die Axilla wird in der Regel mit einem 7,5 MHz-Schallkopf untersucht. Als Leitstrukturen dienen die A./V. axillaris, der M. pectoralis major und der M. latissimus dorsi. Ein systematisches Vorgehen ist essenziell, um möglichst alle Strukturen zu erfassen. Im Ultraschall haben normale Lymphknoten eine längsovale Form mit hyperechogenem Mark und hypoechogenem Kortex (s. Abb. 1). In der Literatur werden verschiedene sonografische Malignitätskriterien beschrieben. Ein verbreiterter Kortex ≥ 3 mm, eine komplett aufgehobene Mark-Rinden-Struktur, eine runde Form (s. Abb. 2) oder auch eine arterielle Perfusion in der Doppleruntersuchung können Hinweise auf einen metastatischen Befall sein. Die Grösse eines Lymphknotens lässt keinen Rückschluss auf seine Dignität zu. Suspekte Lymphknoten sollten mittels Feinnadelpunktion (FNP) oder Stanzbiopsie weiter abgeklärt werden.<br /> In der Literatur variieren die Werte zur Sensitivität der Axillasonografie zwischen 25 und 87 % bei einer Spezifität von 77–100 %.<sup>2</sup> Es handelt sich um eine leicht verfügbare nicht invasive Methode. Die Resultate sind allerdings sehr untersucherabhängig.<br /> Viele Senologen setzten den Ultraschall der Axilla routinemässig auch bei unauffälliger Bildgebung der Brust ein. Bei isolierten suspekten axillären Lymphadenopathien muss differenzialdiagnostisch an okkulte Mammakarzinome (die Inzidenz wird auf 0,3–1 % geschätzt), Infektionen (z. B. Tuberkulose, HIV), maligne hämatologische (z. B. Lymphome) oder systemische (z. B. Sarkoidose) Erkrankungen gedacht werden. Es gibt jedoch keine Leitlinien zum Vorgehen bei auffälligen axillären Lymphknoten als Zufallsbefund bei Patientinnen ohne synchrones Mammakarzinom. In unserer Arbeit haben wir die Wertigkeit der Routineaxillasonografie bei asymptomatischen Frauen untersucht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_lo_gyn_1903_abb1_s26_knabben.png" alt="" width="620" height="366" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_lo_gyn_1903_abb2_s27_knabben.png" alt="" width="450" height="502" /></p> <h2>Isolierte axilläre Lymphadenopathien bei unauffälliger Bildgebung der Brust</h2> <p>Wir haben retrospektiv die Daten von 82 Patientinnen analysiert, die im SGS- und DKG-zertifizierten Brustzentrum der Frauenklinik am Inselspital Bern zwischen Januar 2014 und Januar 2019 aufgrund eines auffälligen axillären Ultraschalls eine Biopsie und/oder Feinnadelpunktion erhalten haben.<br /> Die Abklärungen erfolgten bei 26 (31,7 %) im Rahmen der Tumornachsorge, bei 25 (30,5 %) aufgrund eines neu diagnostizierten Mammakarzinoms und bei 16 (19,5 %) Patientinnen wegen Zufallsbefunden in der vorangegangenen Bildgebung bei bekannten Malignomen. Bei 15 (18,3 %) Frauen wurden suspekte Lymphadenopathien im Rahmen einer Routineuntersuchung der Mamma z. B. bei Mastodynie oder in der Früherkennung bei ansonsten unauffälliger senologischer Bildgebung diagnostiziert. Das Durchschnittsalter in dieser Gruppe war 51 Jahre (36–76 J.). Bei einer Patientin zeigte die Biopsie eine bereits bekannte CLL. Alle anderen Histologien zeigten benigne reaktive Veränderungen. Auch die klinische Untersuchung brachte keinen wesentlichen Zusatznutzen. 7 (46,7 %) Patientinnen hatten klinisch auffällige Lymphknoten mit benigner Histologie in 6 von 7 Fällen. In unserem Kollektiv führte somit die Axillasonografie bei ansonsten unauffälliger Bildgebung der Brust zu 14 unnötigen Biopsien. Den Nutzen der Routineaxillasonografie bei Frauen ohne bekanntes Malignom oder Systemerkrankung muss man somit kritisch hinterfragen.</p> <h2>Datenlage</h2> <p>Es gibt nur wenige Studien, die die Rolle der Axillasonografie bei unauffälliger Bildgebung der Brust untersuchen. Raj et al. publizierten 2017 eine retrospektive Analyse von 40 000 senologischen Ultraschalluntersuchungen. Bei nur 7 Frauen wurden suspekte axilläre Lymphadenopathien als Zufallsbefund bei ansonsten unauffälliger Bildgebung diagnostiziert. Bei 5 Patientinnen zeigte die Biopsie einen benignen Befund. Die anderen 2 Patientinnen wurden über 4 Jahre nachkontrolliert, ohne dass eine Neoplasie diagnostiziert wurde.<sup>3</sup> In einer Arbeit aus Korea von 2015 wurden die Ultraschallbefunde von 12 000 Frauen ausgewertet. Hier fanden sich bei 73 (1,3 %) Patientinnen ohne bekannte maligne Erkrankung nicht palpable, aber sonografisch suspekte axilläre Lymphknoten. Bei 53 Patientinnen wurde eine Histologie gewonnen. Die Befunde waren eine reaktive Hyperplasie in 45 (85 %), ein Kikuchi-Syndrom in 4 (8 %), eine Tuberkulose in 3 (6 %) Fällen und eine Sarkoidose. 20 Patientinnen wurden mittels Ultraschall nachkontrolliert, ohne dass ein Karzinom auftrat.<sup>4</sup> Die Autoren beider Studien folgern, dass bei Patientinnen ohne Mammakarzinom oder eine Systemerkrankung bei klinisch unauffälligen Lymphknoten trotz suspekter Axillasonografie auf eine Biopsie verzichtet werden sollte, da dies eine psychologische Belastung für die Patientin bedeutet und unnötige Kosten generiert; Nachkontrollen mittels Sonografie seien ausreichend.<br /> In einer älteren Studie mit Patientinnen am Inselspital Bern kamen die Autoren zu einer anderen Schlussfolgerung. Bei 51 Patientinnen wurden suspekte axilläre Lymphadenopathien diagnostiziert bei unauffälligem Mammaultraschall und unauffälliger Mammografie (+/– MRI Mammae). 18 (35 %) Histologien zeigten einen malignen Befund (11 NHL, 4 Melanommetastasen, 2 Metastasen von Karzinomen des unteren Genitaltraktes und ein okkultes invasiv lobuläres Mammakarzinom). Bei 4 Patientinnen zeigte sich eine Tuberkulose, 2 litten unter einer HIV-Infektion. Insgesamt führte die histologische Abklärung bei 53 % zu einer therapierelevanten Diagnose.<sup>5</sup> Die abweichenden Ergebnisse lassen sich durch die unterschiedlichen Studienpopulationen erklären. Schwab et al. schlossen Patientinnen mit bekanntem Malignom und /oder palpatorisch auffälligen Lymphknoten ein, während dies bei Raj und Kim Ausschlusskriterien waren. Eine sehr viel ältere Arbeit von Shetty et al. hatte bereits gezeigt, dass bei Frauen mit palpablen Lymphknoten bzw. auffälligen Lymphknoten in der Mammografie die Wahrscheinlichkeit für Malignität sehr viel höher liegt (bis zu 33 %).<sup>6</sup></p> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend kann man festhalten, dass isolierte axilläre Lymphadenopathien bei unauffälliger Mammadiagnostik selten sind. In den meisten Fällen liegt keine Malignität vor, sodass Biopsien zurückhaltend indiziert werden sollten.<br /> Anhand der Datenlage in der Literatur und unserer eigenen Erfahrungen muss die Routineaxillasonografie bei asymptomatischen Patientinnen kritisch diskutiert werden.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Majid S et al.: Clinical assessment of axillary lymph nodes and tumor size in breast cancer compared with histopathological examination: a population-based analysis of 2,537 women. World J Surg 2013; 37(1): 67-71 <strong>2</strong> Black D: Axillary ultrasound: for all, for none, to diagnose positive nodes, or to support avoiding sentinel lymph node biopsy altogether. Ann Surg Oncol 2017; 24(1): 64-9 <strong>3</strong> Raj SD et al.: Incidental suspicious regional lymph nodes on breast sonography: Is sampling necessary? Curr Probl Diagn Radiol 2017; 46(2): 100-4 <strong>4</strong> Kim SJ, Park YM: Clinical importance and sonographic features of nonpalpable axillary lymphadenopathy identified on breast sonography in patients without malignancy. J Ultrasound Med 2015; 34(12): 2193-202 <strong>5</strong> Schwab FD et al.: Suspicious axillary lymph nodes in patients with unremarkable imaging of the breast. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2010; 150(1): 88- 91 <strong>6</strong> Shetty MK, Carpenter WS: Sonographic evaluation of isolated abnormal axillary lymph nodes identified on mammograms. J Ultrasound Med 2004; 23(1): 63-71</p>
</div>
</p>
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