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Das prämenstruelle Syndrom (PMS)

Ausdruck einer hormonellen Dysfunktion

<p class="article-intro">Menstruationsassoziierte Beschwerden sind weitverbreitet: Nahezu jede Frau leidet darunter. Die Ausprägung der Symptome ist jedoch individuell sehr verschieden und auch die genaue Ätiologie ist noch nicht geklärt. In sehr vielen, aber nicht in allen Fällen können Hormongaben die Beschwerden lindern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Gleich zu Beginn: Ja, auch das pr&auml;menstruelle Syndrom (PMS) ist Ausdruck der hormonellen Schwankungen im weiblichen K&ouml;rper. Frauen, klinisch t&auml;tige &Auml;rzte und auch Wissenschaftler sind sich dar&uuml;ber einig, dass der weibliche K&ouml;rper in Zeiten hormoneller und damit reproduktiver &bdquo;H&ouml;chstleistungen&ldquo; (Ovulation, Menstruation, Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit) besonders hormonsensitiv reagiert. Die dabei auftretenden Symptome k&ouml;nnen oft genau dem Wirkmechanismus einer Steroidhormongruppe zugeordnet werden, bestehen eine gewisse Zeit und legen sich auch wieder. Im n&auml;chsten Monat k&ouml;nnen diese Unp&auml;sslichkeiten erneut auftreten. Im Laufe der Jahre verst&auml;rken sich manchmal die menstruationsassoziierten Beschwerden, aber sie k&ouml;nnen auch sistieren. Es werden von den betroffenen Frauen zahlreiche Beschwerdevariationen berichtet und es gibt viele &auml;u&szlig;ere Triggerfaktoren.</p> <h2>Hormonelle Regulation im Verlauf des Lebens</h2> <p>Die wissenschaftliche Diskussion geht deshalb einen Schritt weiter und postuliert, dass der weibliche Organismus &uuml;ber die gesamte Zeitspanne der fertilen Jahre immer &ndash; in unterschiedlichen Auspr&auml;gungsgraden &ndash; hormonell abh&auml;ngig reagiert. Allerdings &ndash; und das ist die gute Nachricht &ndash; nicht bei allen Frauen in gleichem Ausma&szlig;. In der englischsprachigen Literatur wird dies als &bdquo;hormonal sensitivity syndrome&ldquo; bezeichnet.<sup>1</sup> Es beginnt mit der Menarche und setzt sich fort &uuml;ber die Jahre der Pubert&auml;t, inklusive der Zeiten der hormonellen Kontrazeption, Schwangerschaft, Geburt und Stillperioden bis hin zur Perimenopause.<br /> Die segensreichen, aber auch belastenden Begleiterscheinungen durch die Hormonschwankungen sind der Frau grundgelegt. Die klinischen Tatsachen unterst&uuml;tzen die Hypothese, dass es Frauen gibt, die mehr, und solche, die weniger stark &bdquo;Hormon-gesteuert&ldquo; durchs Leben gehen. Sie reagieren unterschiedlich anf&auml;llig auf physische und psychische Herausforderungen des Lebens. Alles wie gesagt unter dem Blickwinkel der hormonellen Regulation, die im Idealfall monatlich gesteuert ist. Selbst wenn diese monatliche Regulation w&auml;hrend der fertilen Jahre ausf&auml;llt &ndash; nicht durch Schwangerschaft/ Geburt/Stillzeit bedingt &ndash;, ist der weibliche K&ouml;rper nicht davor gesch&uuml;tzt, Beschwerden zu entwickeln. Auch im Zustand der unphysiologischen Amenorrh&ouml;, wo man glauben k&ouml;nnte, dass die Probleme nicht mehr auftreten, sp&uuml;rt die Frau das Fehlen der hormonellen Regulation und sucht deshalb &auml;rztlichen Rat.</p> <h2>Fast jede Frau hat menstruationsassoziierte Beschwerden</h2> <p>Die Liste der menstruationsassoziierten Beschwerden ist lang und fast jede Frau hat mit dem einen oder anderen Symptom, manchmal auch mit mehreren gleichzeitig, schon Bekanntschaft gemacht (Tab. 1).<br /> Der h&auml;ufigste Manifestationszeitraum w&auml;hrend der fertilen Jahre ist die Lutealphase. Es gibt aber auch Berichte dahin gehend, dass vorrangig die follikul&auml;re Phase eine k&ouml;rperliche und psychische Belastung darstellt.<br /> Wenn die Symptome des PMS vorwiegend psychischer Natur sind, lassen sich verschiedene Manifestationen beobachten: Angstzust&auml;nde, manisch-depressive Phasen mit bipolarem Charakter, Essst&ouml;rungen, Kopfschmerzen bis zu Migr&auml;ne und psychische Zust&auml;nde bis zum PMDS (pr&auml;menstruelles dysphorisches Syndrom).<br /> Die k&ouml;rperlichen Auswirkungen des PMS sind meist auf den Unterbauch mit den typischen Beschwerden der Dysmenorrh&ouml; in unterschiedlichem Schweregrad sowie mit (Magen-)Darmbeteiligung lokalisiert. M&auml;dchen in der Adoleszenz berichten auch oft von Schwindelattacken bis zu Ohnmachtsanf&auml;llen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1801_Weblinks_jatros_gyn_1801_s17_tab1_korr.jpg" alt="" width="350" height="692" /></p> <h2>&Auml;tiologie des PMS</h2> <p>Die urs&auml;chlichen Faktoren werden noch immer nicht ganz verstanden und auch die wissenschaftliche Literatur ist diesbez&uuml;glich zu wenig deutlich. Die wissenschaftlichen Berichte zu diesem Thema beginnen meist wie folgt: &bdquo;Die genauen Ursachen des PMS sind nicht vollst&auml;ndig bekannt. Die komplexe Interaktion der hormonellen Schwankungen innerhalb des Menstruationszyklus, insbesondere das Zusammenspiel von &Ouml;strogen und Progesteron mit den immunologischen und neuroendokrinen Schwankungen, ist mit der Ausbildung und Manifestation von pr&auml;menstruellen Beschwerden verbunden.&ldquo;</p> <h2>&Ouml;strogene</h2> <p>Das Abfallen des &Ouml;strogenspiegels bei Eintritt der Blutung wird als Trigger f&uuml;r Migr&auml;ne gesehen. Schwangere berichten einstimmig davon, w&auml;hrend der Schwangerschaft (notabene: hohe &Ouml;strogenlevel) keine Migr&auml;nebeschwerden zu haben. Der &Ouml;strogenentzug im Rahmen einer IVFVorbereitung mit Gonadotropin-Releasing- Hormonen (GnRH) beg&uuml;nstigt andererseits das Auftreten von Kopfschmerzen, wie viele betroffene Frauen in IVF-Zentren berichten. Paradoxerweise beeinflusst der niedrige &Ouml;strogenspiegel in der Menopause das Sistieren von Migr&auml;ne positiv. Es besteht demnach eine gro&szlig;e Ambivalenz des &Ouml;strogeneffekts bei Kopfschmerzen und Migr&auml;ne!<br /> Hat nun die polymorphe Gegebenheit des &Ouml;strogenrezeptors einen Einfluss auf die Entstehung von PMS? Dem scheint so zu sein, denn in einer &ndash; kleinen &ndash; Studie konnte gezeigt werden, dass unterschiedliche Genotypen des &Ouml;strogenrezeptors auch die pr&auml;menstruellen Beschwerden unterschiedlich stark auftreten lassen.<sup>2</sup><br /> &Ouml;strogene beeinflussen auch die Entstehung und Differenzierung der zellul&auml;ren (T-Zellen) und humoralen (B-Zellen) Immunit&auml;t. Dadurch bedingt verschlechtern oder verbessern sich immunologisch gesteuerte Pathologien innerhalb eines Monats. Betroffene berichten &uuml;ber eine verst&auml;rkte Anf&auml;lligkeit f&uuml;r allergische Reaktionen, f&uuml;hlen sich manchmal sogar wie bei einem grippalen Infekt oder neigen au&szlig;ergew&ouml;hnlich oft zu urogenitalen Infekten.<br /> &Ouml;strogene wirken auch als Neuromodulatoren der Neurotransmitter mit diversen Effekten auf das zentrale Nervensystem, wodurch sich einige psychiatrische Krankheitsbilder sowohl in den fertilen Jahren als auch perimenopausal/postmenopausal &auml;tiologisch &bdquo;ko-erkl&auml;ren&ldquo; lassen.</p> <h2>Progesteron</h2> <p>Der pr&auml;menstruelle Progesteronabfall macht sich in erster Linie durch die zahlreichen Facetten des Einflusses von Progesteron auf den GABA-Rezeptor bemerkbar. Die Verschlechterung des psychischen Zustandes in dieser Phase wird von vielen Frauen beschrieben und kann in allen Auspr&auml;gungsgraden beobachtet werden. Depressionen, Phobien und bipolare Zust&auml;nde bis zu schweren psychiatrischen Krankheitsbildern k&ouml;nnen diese Tage kennzeichnen. Die Erstmanifestation kann sich auch erst perimenopausal bemerkbar machen, wenn es bedingt durch den Beginn der Menopause zu einem &bdquo;bleibenden&ldquo; Progesteronmangel kommt (notabene: die Menopause beginnt mit einem Progesteronmangel). Dass Progesteron eine urs&auml;chliche Rolle beim pr&auml;menstruellen Auftreten von Beschwerden hat, kann durch die Unterdr&uuml;ckung der Ovulation mit Ovulationshemmern sehr gut nachgewiesen werden. Dieser therapeutische Nutzen kommt f&uuml;r jene Frauen infrage, die auch eine hormonelle Kontrazeption w&uuml;nschen. Manchmal ist es aber auch notwendig, die Betroffenen mit einem hormonellen Kontrazeptivum von ihrem PMS zu befreien, ohne dass Kontrazeption als prim&auml;rer Wunsch ge&auml;u&szlig;ert wird.<br /> Therapiestudien mit GnRH-Analoga zeigten ebenfalls eine positive Auswirkung auf PMS-Beschwerden, was auch belegt, dass Progesteron ein das PMS promovierendes Steroid darstellt. Warum nun manche Frauen mehr und manche Frauen weniger anf&auml;llig f&uuml;r PMS-Beschwerden sind, d&uuml;rfte an der individuell h&ouml;chst unterschiedlichen Suszeptibilit&auml;t der Neurone f&uuml;r Progesteron liegen.<br /> In einer sehr aktuellen Beobachtungsstudie wurde nun der Frage nachgegangen, ob nicht mit einem Progesteronantagonisten die Beschwerden des PMS verbessert werden k&ouml;nnten.<sup>3</sup> Betroffene Frauen, die Ulipristalacetat (UPA) als selektiven Progesteronrezeptor- Modulator zur Myomtherapie erhielten und begleitend &uuml;ber PMS-Beschwerden berichteten, wurden mittels Fragebogenanalyse bez&uuml;glich PMS-Beschwerden untersucht. Als Benefit zur gew&uuml;nschten Amenorrh&ouml; verringerten sich bei 80 % der Befragten auch die PMS-Beschwerden. Die Antwort, ob mittels UPA auch junge Frauen von Beschwerden durch PMS befreit werden k&ouml;nnen, bleibt dennoch offen.</p> <h2>M&ouml;gliche Therapien</h2> <p>Es liegt nahe, dass &Ouml;strogen, aber bevorzugt Progesteron/Gestagen als hormonelle Therapie infrage kommen. Dabei erfolgt eine sequenzielle oder auch kontinuierliche Gabe entweder des einen oder des anderen Hormons. Nat&uuml;rliche Hormone, aber auch die Hormone der hormonellen Kontrazeptiva finden Verwendung. Im Fall einer gew&uuml;nschten hormonellen Verh&uuml;tung ist durch die Wahl eines geeigneten Produktes auch an den g&auml;nzlichen Verzicht einer Entzugsblutung zu denken. Dadurch ist die beschwerdefreie Zeit m&ouml;glichst lange gew&auml;hrleistet.<br /> Auch die Phytohormontherapie sowie die Gabe von Spurenelementen, Kalzium und Omega-3-Fetts&auml;uren sind probate M&ouml;glichkeiten. Einen hohen Stellenwert nimmt der allgemeine Lebensstil ein. So selbstverst&auml;ndlich und trivial es auch klingen mag, aber ein geordneter Tag-Nacht- Rhythmus mit vern&uuml;nftigen Essenszeiten und wenig exogenen Noxen (Alkohol, Nikotin) verbessert wesentlich die Beschwerdesymptomatik.<br /> Trotzdem gibt es eine nicht allzu kleine Gruppe von Frauen, die nach verschiedensten Therapieangeboten keine Linderung vor allem der Unterbauchbeschwerden erf&auml;hrt. Dann gilt es, weitere Ma&szlig;nahmen zu treffen und m&ouml;glicherweise auch eine operative Exploration des kleinen Beckens vorzunehmen. Die Diagnose &bdquo;Endometriose&ldquo; als Ursache f&uuml;r die anhaltenden dysmenorrhoischen Beschwerden ist nur histologisch zu stellen. Die sich aus dieser Diagnose ableitenden Therapiem&ouml;glichkeiten sind ausreichend publiziert. Unter Ber&uuml;cksichtigung der individuellen Situation sollte sich jeder betroffenen Frau ein therapeutischer Weg aufzeigen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Pope CJ et al.: The hormonal sensitivity hypothesis: A review and new findings. Med Hypotheses 2017; 102: 69-77 <strong>2</strong> Pakharenko L: Effect of estrogen receptor gene ESR1 polymorphism on development of premenstrual syndrome. Georgian Med News 2014; 235: 37-41 <strong>3</strong> Chen BF et al.: An observation study of the clinical evaluation of symptom relief and side effects associated with taking ulipristal acetate (Esmya) including its effect on pre-menstrual syndrome. J Obstet Gynaecol 2017; 37: 645-8 <strong>4</strong> Pinkerton JA et al.: Menstrual cycle-related exacerbation of disease. Am J Obstet Gynecol 2010; 202: 221-31</p> </div> </p>
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