
Abnorme uterine Blutung und Neoplasie
Autor:
Prof. Dr. med. Mathias Fehr
Chefarzt Gynäkologische Onkologie
Frauenklinik Spital Thurgau AG
Kantonsspital Frauenfeld
E-Mail: mathias.fehr@stgag.ch
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Gilt der Cut-off-Wert von 5mm Endometriumdicke noch und gilt er auch bei fehlender Blutung? Wie muss bei Endometriumpolypen vorgegangen werden, insbesondere aufgrund der neuen Endometriumkarzinomeinteilung?
Die erste Massnahme zur Abklärung einer abnormen uterinen Blutung ist die Kolposkopie, bei welcher nicht nur sofort die Blutung durch eine genitale Atrophie als häufige Blutungsursache erkannt werden kann, sondern auch ein Zervixkarzinomoder ein durch den Zervikalkanal vorwachsendes Endometriumkarzinom (Abb. 1).
Die Zytologie zum Zeitpunkt einer Blutung ist unzuverlässig und aufgrund von Blut und nekrotischem Gewebe oft falsch negativ. Die rektovaginale Untersuchung ergibt Hinweise auf die Grösse des Uterus, die Ausdehnung und Konsistenz der Zervix und die Infiltration der Ligg. sacrouterina und des parazervikalen Gewebes. Die transvaginale Sonografie ist nach wie vor die wichtigste bildgebende Diagnostik. Neben Raumforderungen der Zervix oder der Uteruswand können Endometriumpolypen und die Dicke und Begrenzung des Endometriums beurteilt werden.
Gilt der Cut-off von 5mm Endometriumdicke zur weiteren Abklärung noch?
Metaanalysen bestätigen, dass eine Endometriumdicke über 5mm nach wie vor den sensitivsten Cut-off-Wert für eine Neoplasie des Endometriums darstellt. Eine Metaanalyse mit 1341 Karzinomen und 15998 Kontrollen ergab für eine Endometriumdicke <5mm einen negativen Voraussagewert von 99,3% und eine Karzinomdetektionsrate von 96,2%, das heisst, weniger als 4% der Karzinome werden mit diesem Cut-off-Wert nicht diagnostiziert. Somit wird der SGGG-Expertenbrief durch Crosbie et al. 2022 bestätigt und es darf bei einer Endometriumdicke unter 5mm exspektativ unter der Annahme einer Atrophieblutung vorgegangen werden.1 Bei dickerem Endometrium mit jedoch glatter Begrenzung zum Myometrium kann bei benigner Histologie in der Aspirationshistologie (Pipelle de Cornier) zugewartet werden. Ist das asservierte Gewebe jedoch inadäquat (Blut, Nekrose, kein Endometrium) muss eine weitere Abklärung mittels Hysteroskopie erfolgen. Bei unregelmässiger basaler Endometriumkontur oder einem Polypen soll ebenfalls weiter hysteroskopisch abgeklärt werden.
So liegt die Inzidenz eines Endometriumkarzinoms oder einer atypischen Hyperplasie bei einer über 60-jährigen Frau mit uteriner Blutung bei einem Endometrium >4mm Dicke bei ca 22%. Ist die Endometriumdicke <5mm, liegt sie bei 4%. Bei Frauen, die jünger als 60 Jahre sind, liegt das Risiko bei einer Endometriumdicke >4mm bei ca. 13%, falls das Endometrium <5mm misst hingegen bei fast 0%.2 Auch bei postmenopausalen Frauen ohne uterine Blutung liegt der sensitivste Cut-off-Wert für ein Karzinom oder eine atypische Hyperplasie bei <5,9mm, wie eine Metaanalyse anhand von 10334 Frauen kürzlich zeigte.3 Wird der Cut-off auf <9,9mm erhöht, wird bereits die Hälfte der Neoplasien übersehen. Deshalb lautet unsere Empfehlung auch bei fehlender Blutung und einer Endometriumdicke von 6mm und mehr, eine Aspirationshistologie (Pipelle) zu gewinnen, wenn nicht ein Endometriumpolyp vorliegt.
Müssen Endometriumpolypen reseziert werden?
In einer retrospektiven Studie fanden sich unter 1445 Polypresektionen 16 Endometriumkarzinome und 39 Frauen mit atypischer Endometriumhyperplasie (insgesamt 3,8%).4 Bei 35 Frauen erfolgte die Hysterektomie wegen atypischer Hyperplasie, woraufhin sich bei 30,8% ein Endometriumkarzinom in der Nähe des Polypen zeigte. Somit fand sich bei 2% aller Frauen mit Polypen ein invasives Karzinom. Deshalb empfehlen wir bei Vorliegen eines Endometriumpolypen und bei abgeschlossener Familienplanung die hysteroskopische Resektion des Polypen und des restlichen Endometriums. Ein zusätzliches Argument für dieses Vorgehen ist die FIGO-Einteilung 2023 für Endometriumkarzinome. Findet sich in einem Endometriumpolypen ein seröses (p53-mutiertes) Endometriumkarzinom, ohne dass das umgebende Endometrium invasiv befallen ist, wird dieses als FIGO IC klassifiziert und es muss keine adjuvante Chemotherapie oder pelvine Radiotherapie erfolgen («ESGO intermediate risk group»). Ist das umliegende Endometrium jedoch auch von einem invasiven p53-mutierten Karzinom befallen, gilt dies als Stadium FIGO IIC mit entsprechender Notwendigkeit für eine adjuvante Therapie.Deshalb sollten auch die Polypresektate und die Endometriumresektate separat zur Histologie eingeschickt werden.
Vorgehen bei atypischer Endometriumhyperplasie
Aufgrund einer prospektiven GOG-Studie ist schon länger bekannt, dass sich im Hysterektomiepräparat nach atypischer Hyperplasie im Kürettagematerial bei ca. 30% ein invasives Karzinom findet. So ist bei Vorliegen einer atypischen Endometriumhyperplasie und abgeschlossener Familienplanung klar die Hysterektomie indiziert. Eine neuere Studie mit 378 Frauen mit der Diagnose einer atypischen Hyperplasie in der Pipelle oder im Kürettagematerial zeigte bei 27% ein Hysterektomiepräparat mit einem invasiven Karzinom.5 Es stellt sich nun die Frage, ob bei der Hysterektomie eine Exzision des Sentinellymphknotens erfolgen soll. Hier kann die Dicke des Endometriums zur Abschätzung des Risikos eines invasiven Karzinoms herangezogen werden. Bei einer Endometriumdicke von unter 15mm lag nur bei 21,4% ein invasives Karzinom vor, wohingegen bei einer Endometriumdicke über 20mm bei 46,5% ein Karzinom vorlag. Zudem waren von diesen Karzinomen 44% als «high risk» klassifiziert, sodass bei diesen eine Exzision des Sentinellymphknotens erforderlich ist. Wir umgehen dieses Dilemma, indem wir bei einem hyperplastischen Endometrium die Endometriumresektion durchführen, damit die histopathologische Untersuchung invasive Herde diagnostizieren kann und das Risiko einer Unterschätzung minimiert wird (Abb. 2).
Abb. 2: Endometriumkarzinom in linker Tubenecke 8 Jahre nach Endometriumresektion wegen atypischer Hyperplasie
Literatur:
1 Crosbie EJ et al.: Endometrial cancer. Lancet 2022; 399(10333): 1412-28 2 Clarke MA et al.: Risk assessment of endometrial cancer and endometrial intraepithelial neoplasia in women with abnormal bleeding and implications for clinical management algorithms. Am J Obstet Gynecol 2020; 223(4): 549.e1-549.e13 3Vitale GS et al.: Risk of endometrial cancer in asymptomatic postmenopausal women in relation to ultrasonographic endometrial thickness: systematic review and diagnostic test accuracy meta-analysis. Am J Obstet Gynecol 2023; 228: 22-354 Jacobs ISM et al.: Atypical endometrial polyps and the incidence of endometrial cancer: a retrospective cohort study. Br J Obstet Gynecol 2020; 127: 994-9 5 Abt D et al.: Endometrial stripe thickness: a preoperative marker to identify patients with endometrial intraepithelial neoplasia who may benefit from sentinel lymph node mapping and biopsy. Int J Gynecol Cancer 2022; 32: 1091-7