
Abnorm invasive Plazenta: Geburt und Komplikationsmanagement
Autorin:
Dr. Petra Pateisky
Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin,
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien
E-Mail: petra.pateisky@meduniwien.ac.at
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Das „Placenta accreta“-Spektrum (PAS) stellt ein Krankheitsspektrum dar, welches sowohl in der Diagnostik als auch insbesondere im klinischen Management große Herausforderungen an die Geburtshilfe stellt. Für ein optimales Management bedarf es der pränatalen Detektion einer PAS sowie eines multidisziplinären und operativ individuell angepassten Therapiemanagements mit dem Ziel der Reduktion maternaler (sowie neonataler) Komplikationen. Dieser Artikel soll einen Überblick über praktische Empfehlungen und Maßnahmen in der Betreuung solcher Patientinnen geben.
Keypoints
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Bei sonomorphologisch und/oder klinisch präpartal starkem Verdacht (Beachten der anamnestischen Hochrisikofaktoren!) auf das Vorliegen einer PAS-Erkrankung sollte die Patientin für die weitere Betreuung und interdisziplinäre Planung der Entbindung per Kaiserschnitt an ein spezialisiertes perinatales Zentrum transferiert werden. Die multidisziplinäre Planung und Betreuung des peripartalen Managements sind wesentlich für ein optimales maternales Outcome.
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Eine intrapartal diagnostizierte PAS als Zufallsbefund ist das denkbar ungünstigste Szenario. Es ist nach Möglichkeit jegliche transplazentare Manipulation zu vermeiden – „do not touch the placenta“ – und die Kindsentwicklung ist durch einen Zugang oberhalb der Plazenta durchzuführen. Bei hämodynamischer Stabilität der Patientin sollte zur endgültigen Versorgung ein Transfer mit in situ belassener Plazenta an ein spezialisiertes Zentrum erfolgen.
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Die Sectio-Hysterektomie ist eine oftmals nötige Therapieform, welche einer genauen Vorbereitung, engen Zusammenarbeit im multidisziplinären Team, eines gut vorbereiteten Transfusionsmanagements und vorausschauender, schrittweiser Operationstechnik bedarf. Die verschiedenen lokalen Resektionstechniken oder auch das exspektative Vorgehen sollten nur nach genauer Aufklärung der Patientin, gewissenhafter Selektion bzgl. des PAS-Grades und der Möglichkeit einer durchgehenden Versorgung bei akut auftretenden Komplikationen durchgeführt werden.
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Es sind weitere multizentrische Studien mit klaren und vergleichbaren Kriterien des PAS-Gradings, klar formulierten Selektionskriterien für das jeweils gewählte Management samt zusätzlichen Maßnahmen sowie Ausschlussgründen nötig, um genauere evidenzbasierte Empfehlungen für das Management orientierend anhand der präpartalen Befunde zu geben.
Hintergrund und Risikofaktoren
Die Bezeichnungen abnorm invasive Plazenta (AIP) oder Placenta-accreta-Spektrum (PAS) bezeichnen Krankheitsbilder, bei denen das Trophoblastengewebe abnorm tief in die Gebärmutterwandschichten (Myometrium und darüber hinaus) hineinwächst.1 Die international am weitesten verbreitete Bezeichnung PAS (welche nun auch in Europa übernommen wird) umfasst alle pathologisch adhärenten Plazentationsstörungen unterschiedlichen Grades, nämlich die Placenta accreta, increta und percreta.2 Die genaue Diagnose ist letzten Endes nur durch die histopathologische Zuordnung der Invasionstiefe der Plazentazotten postpartum möglich. Das histologisch wesentlichste Kriterium ist das nahezu komplette Fehlen der Decidua basalis im Bereich der pathologisch anhaftenden Plazenta.3
Über die letzten Jahrzehnte ist eine steigende Inzidenz von PAS zu beobachten, welche mit 1/2500 bis zu 1/533 Patientinnen angegeben wird.4,5 Über alle medizinische Versorgungsstufen hinweg zeigt sich eine pränatale Detektionsrate von insgesamt nur ca. 50%,6 in spezialisierten Zentren mit gezielter sonografischer Abklärung beträgt sie jedoch bis zu 90%.7,8
In bis zu 95% der Fälle mit PAS sind anamnestisch identifizierbare Risikofaktoren vorhanden, welche sehr gut als primäres Screeningtool eingesetzt werden können in der Entscheidung, welche Patientinnen einer spezialisierten Abklärung zugeführt werden sollten.9 Die präpartale, frühzeitige Diagnosestellung bzw. der hochgradige Verdacht auf das Vorliegen einer PAS-Störung sind essenziell für eine Verbesserung insbesondere des maternalen Outcomes z.B. hinsichtlich des peripartalen Blutverlustes (medianer Blutverlust 4500ml bei bekannter versus 7800ml bei intrapartal entdeckter PAS).10 Dies hat auch zu einer deutlichen Senkung der maternalen Mortalität geführt, welche bis dato mit bis zu 6–7% angegeben wurde, teilweise höher.4
Die zwei wichtigsten anamnestischen Risikofaktoren stellen eine vorangegangene Entbindung mittels Kaiserschnitt sowie das Vorhandensein einer Placenta praevia dar. Die Inzidenz von PAS wird mit 0,3% für Frauen mit einer vorangegangenen Sectio angegeben11 sowie mit bis zu 11% bei Frauen mit einer vorangegangenen Sectio und gleichzeitig vorhandener Plazenta praevia.12 Insgesamt wird davon ausgegangen, dass bei circa einer von 20 schwangeren Frauen mit einem vorangegangenen Kaiserschnitt und gleichzeitig vorhandener Plazenta praevia im dritten Trimenon eine PAS vorliegt.13
Empfehlungen für das unmittelbar prä- und peripartale Management von PAS-Patientinnen basierend auf internationalen Leitlinien und Expertenkonsensus
Aufgrund der Schwierigkeit, bei Patientinnen mit PAS große randomisierte, kontrollierte Studien durchzuführen, sind solche bezüglich des optimalen operativen Managements derzeit nicht vorhanden.14 Die meisten Studien sind Kohortenstudien aus einzelnen Zentren, welche die jeweils dort vorherrschende Managementstrategie evaluieren. Es finden sich teils unklare Selektionskriterien für das jeweils angewendete Therapieschema, unterschiedliche, teils unklare Kriterien für klinische PAS-Diagnostik, und direkte Vergleiche in einem Patientinnenkollektiv mit anderen Managementstrategien sind nicht ausreichend beschrieben bzw. aufgrund unklarer Kriterien, warum bestimmte Patientinnen primär welcher Therapieform zugeführt wurden, schwer zu verallgemeinern.6,15–20 Dies hat zur Etablierung einer Arbeitsgruppe von internationalen Experten (International Society for Abnormally Invasive Placenta, im Oktober 2020 Namensänderung zur International Society for Placenta Accreta Spectrum, IS-PAS) aus 13 Ländern (ständig wachsende Mitgliederzahl) geführt, welche evidenzbasierte Empfehlungen für das Intra-partum-Management von PAS-Patientinnen anhand einer systematischen Literatursuche und modifizierten Delphi-Technik publiziert haben.14 Im Folgenden werden die wesentlichsten Punkte für die Betreuung und das Management solcher Patientinnen dargestellt (basierend auf IS-PAS-14 und FIGO-Empfehlungen21–23) mit speziellem Bezug auf die Handhabung an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Wien.
Das zentrale Element für die adäquate prä- und perinatale Betreuung ist eine zeitgerechte Verdachtsdiagnose mit Überweisung an ein Zentrum für PAS-Erkrankungen.24–26 Desweiteren ist nachgewiesen, dass die Behandlung im multidisziplinären Team27,28 an Zentren mit Erfahrung im Management solcher Patientinnen wesentlich zur Reduktion der maternalen Morbidität (Hämorrhagie etc.)29 beiträgt. Die Kriterien für ein solches Zentrum sind in Tabelle 1 beschrieben.
Empfehlungen zur klinischen Diagnose intrapartumnach FIGO und IS-PAS14,21
Eine klinische Diagnose bzw. Verdachtsdiagnose anhand des sich bei der Entbindung darstellenden Situs ist wesentlich, um die weiteren Schritte ggf. anzupassen und auch eine Zuordnung zu den präpartal sonografisch erhobenen Befunden zu ermöglichen. Hier ist es essenziell, eine einheitliche Definition zu verwenden, um auch unterschiedliche Ergebnisse verschiedener Zentren adäquat vergleichen zu können.
Die FIGO hat nun eine sehr übersichtliche und klare Einteilung in 3 klinische Grade (Stadien) vorgegeben – mit Diagnosekriterien (insbesondere hilfreich bei präpartal unbekannter PAS):
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Grad 1: abnormal adhärente Plazenta (Placenta adherens oder accreta)
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Grad 2: abnormal invasive Plazenta (Placenta increta)
Grad 3: abnormal invasive Plazenta (Placenta percreta).
Abb. 1: Intraoperative Aufsicht auf den Uterus mit ausgeprägter Neovaskularisation an der Uterusvorderwand, stark suspekt für das Vorliegen einer höhergradigen PAS
Die Schwierigkeit bzw. Uneinigkeit in der klinischen Diagnostik ergibt sich meistens bei Grad 1. Hierfür gelten als klinisch diagnostische Zeichen bei vaginaler Geburt die Notwendigkeit einer manuellen Exstirpation der Plazenta und die Feststellung eines erfahrenen Geburtshelfers, dass es keine klare „plane of cleavage“ bei der manuellen Cavumexploration zwischen Plazenta/Teilen der Plazenta und dem Myometrium gibt. Im Rahmen einer Sectio, bei nicht klarem Vorliegen einer PAS, gilt es zuerst, die Uterusoberfläche zu beurteilen und auf eine eventuell vorliegende ausgeprägte Neovaskularisation und/oder bläulich-dunkelrotes durchscheinendes Plazentagewebe an der Uterusvorderfläche zu prüfen: Danach gelten dieselben Kriterien wie oben (Abb.1 und 2).
Abb. 2: Intraoperative Aufsicht auf die Uterusvorderwand mit im unteren Bereich stark ausgedünnter Uteruswand und sich vorwölbendem, durchscheinendem Plazentagewebe, milde Gefäßzeichnung, suspekt für PAS
Zusätzlich kann hier das „dimple sign“ (Einziehung der Uteruswand bei vorsichtiger Traktion an der Nabelschnur ohne Lösungszeichen der Plazenta während sichtbarer Uteruskontraktion an anderen Stellen) als Zeichen für eine PAS gesehen werden.
Empfehlung zum Entbindungszeitpunkt
Die Entbindung bei Verdacht auf das Vorliegen einer PAS sollte immer mit geplantem Kaiserschnitt erfolgen.14 Wesentlich ist die Erhebung des individuellen Risikos der Patientin für eine vorzeitige Entbindung anhand der eigenen Anamnese (vorzeitiger Blasensprung, vorzeitige Wehentätigkeit oder Episoden von vaginalen Blutungen in dieser Schwangerschaft, vorangegangene Frühgeburt vor SSW 36+0). Bei Vorhandensein solcher Risikofaktoren besteht ein bis zu 50%iges Risiko für eine nach SSW 36+0 ungeplante Entbindung aufgrund vaginaler Blutungen.30 Somit sollte die Entbindung in der Schwangerschaftswoche 36+0 bis 37+0 stattfinden, wenn in dieser Schwangerschaft keine der zuvor genannten Risiken vorhanden sind. Bei mehreren kleineren Blutungsepisoden sowie einer signifikanten vaginalen Blutungsepisode oder einem vorzeitigen Blasensprung sollte ein Entbindungszeitpunkt um die Schwangerschaftswoche 34+0 angestrebt werden.14
Präpartale Vorbereitung für Patientinnen mit PAS14,17
Im Laufe der Schwangerschaft soll der präpartale Ausgangshämoglobinwert bestimmt werden. Bei Werten von <11g/dl vor SSW 28+0 oder <10,5 g/dl nach SSW 28+0 ist zusätzlich der Eisenstatus zu bestimmen und die Anämie sollte dementsprechend ausgeglichen werden (wo indiziert, mit Eisensupplementierung entweder oral oder bei Nichtansprechen bzw. ausgeprägter Anämie intravenös).
Weiters empfiehlt sich die stationäre Aufnahme 2–3 Tage vor der Entbindung (variierend je nach Zentrum und lokalen Gegebenheiten) zur Verabreichung der fetalen Lungenreifung (an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Wien routinemäßig bis SSW 37+0) und zur optimalen präoperativen Vorbereitung. Es ist eine stationäre Aufnahme bei vaginaler Blutung, vorzeitiger Wehentätigkeit oder anderen Risiken für eine vorzeitige Entbindung jederzeit zur Observatio bzw. zur Vorbereitung der peripartalen Maßnahmen früher möglich und indiziert. Im Rahmen der präpartalen Aufnahme sollte das gesamte multidisziplinäre Team, welches unmittelbar in die Betreuung der Patientin peripartal involviert ist, das geplante Management interdisziplinär besprechen.
Bis dato gibt es keine Evidenz für eine routinemäßige präoperative Durchführung einer Zystoskopie bei PAS-Patientinnen, ebenso ist die Durchführung eines MRT nicht primär nötig, aber zusätzlich hilfreich bei speziellen Fragestellungen (z.B. posteriore Plazenta, Invasion ins Parametrium?).
Bei jedem Fall ist eine individuelle, umfassende Patientinnenaufklärung mit folgenden Inhalten des Gesprächs essenziell:
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Aufklärung über das Krankheitsbild mit den Risiken und möglichen Komplikationen
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Erläutern vonpersönlichen anamnestischen Risikofaktoren für eventuell ausgeprägten intraoperativen Befund
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Erklärung der geplanten operativen sowie sonstigen peripartalen Maßnahmen (z.B. Intensivstationsaufenthalt)
Erhebung, inwiefern die Familienplanung abgeschlossen ist.
Eine separate Aufklärung seitens der Neonatologie sollte, wo nötig und gewünscht, bei Patientinnen möglich sein, bei denen die Entbindung aus medizinischer Indikation zu einer Frühgeburt vor der SSW 36+0 führt.
Unmittelbar perioperative Maßnahmen14,17
Für die äußerst wichtige Vermeidung einer transplazentaren Schnittführung („do not touch the placenta!“) – unabhängig von der primär gewählten Operationsmethode – sollte ein unmittelbar präoperativer oder intraoperativer Ultraschall zur genauen Evaluierung, wo sich der obere Plazentarand im Bezug zur Höhe der Blasenumschlagsfalte/Plazentavorderwand befindet, stattfinden. Dies ermöglicht den möglichst blutarmen Zugang zur Entwicklung des Fetus oberhalb des Plazentarandes.
Weiters sollten, zusätzlich zu eventuell anderen Maßnahmen zur Blutungsreduktion, Erythrozytenkonserven bereitgestellt sein. (An unserer Klinik sind routinemäßig 2 Erythrozytenkonserven im Operationssaal, weitere 4–6 sind auf Abruf bestellt.)
Die Verwendung eines Cell-Savers zur raschen autologen Blutrücktransfusion ist empfohlen.
Es sollten 2–3 großlumige intravenöse Zugänge sowie ein arterieller Zugang vorhanden sein. Bei Notwendigkeit (intraoperativ stärkere Blutung – Absprache Operateur/Anästhesist) ist eine frühzeitige Gabe von 1–2g Tranexamsäure intravenös empfohlen.
Eine perioperative prophylaktische Antibiose,wiederholtnach 2–3 Stunden Operationsdauer und/oder einem Blutverlust über 1500ml,ist ebenso vorgesehen. Im Rahmen eines gemeinsamen Team-Briefings (sowie präoperativen Sign-Ins) sollten alle getroffenen Vorbereitungen durchbesprochen werden.
Empfehlungen zu vorhandenen operativen Therapieverfahren14–16,18–20,22,23
Die peripartale Hysterektomie mit der Kindsentwicklung über einen Fundusschnitt (bzw. Uterotomie oberhalb der Plazenta – „do not touch the placenta!“) ist nach wie vor der „Standard of Care“ bei Patientinnen mit PAS. Dieses Verfahren ist neben dem exspektativen Vorgehen („Leaving the placenta in situ“-Zugang) die in der Literatur über die Jahre hinweg am häufigsten angewandte Therapiemethode bei PAS-Patientinnen. In den letzten Jahren haben einige Zentren an der Entwicklung und Etablierung verschiedener konservativer Therapieansätze für PAS-Patientinnen gearbeitet. Bei den uteruserhaltenden Maßnahmen steht nicht per se der Wunsch der Schwangeren nach Fertilitätserhalt im Vordergrund, sondern oft die Reduktion des perioperativen Risikos bei sehr ausgeprägten Befunden (kurzer Überblick siehe Tab. 2). Die Problematik ist hier, dass oft die Indikationen und Auswahlkriterien, warum welche Patientin welches Verfahren erhalten hat, nur mangelhaft beschrieben sind. Dies macht evidenzbasierte Empfehlungen auf Basis großer Studien schwierig. Mögliche Komplikationen bei den vielfach zusätzlich (65% und mehr) angewandten endovaskulären Maßnahmen sind zu bedenken (6–15% interventionell bedingte Komplikationen). Somit lautet die Empfehlung der IS-PAS, kein geplant zweizeitiges Vorgehen (geplante sekundäre Hysterektomie im Intervall), sondern entweder eine unmittelbare chirurgische Lösung (Hysterektomie oder fokale Exzision) oder ein exspektatives Vorgehen anzustreben.
Tab. 2: Kurze Übersicht über die Therapiemöglichkeiten mit Uteruserhalt bei PAS2, 6, 14, 15, 22, 31, 32
Die ausgeprägte Placenta percreta stellt die seltenste Variante von PAS-Erkrankungen dar (Angaben zwischen 7% und 10% aller PAS-Erkrankungen), ist jedoch auch die chirurgisch und im allgemeinen Management anspruchvollste. An der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Wien wird bei höhergradiger PAS zur Vermeidung sekundärer Komplikationen – nach genauer Aufklärung – in erster Linie die primäre Hysterektomie unter Einsatz des Cell-Savers und Einhaltung der in Tabelle 3 aufgezählten Prinzipien angewandt.
Die wesentlichsten Strategien zur Minimierung des Blutverlustes bei einer Sectio-Hysterektomie unter Berücksichtigung der Vorgangsweise an der Universitätsfrauenklinik Wien13, 23, 33 sind in Tabelle 3 dargestellt.
Wesentliche Überlegungen bei präpartal unbekannter PAS bei vaginaler Geburt sowie bei Kaiserschnittentbindung14,17,34
Falls es bei einer vaginalen Geburt zum Verdacht auf das Vorliegen einer PAS kommt, ist es wichtig, jeglichenVersuch zur Lösung der Plazenta zu unterlassen (bei misslungener Plazentalösung und Feststellung , dass keine klare Lösungsfläche vorhanden ist – „plane of cleavage“). Es gilt, unmittelbar die klinische Situation der Patientin zu evaluieren und bei klinisch hämodynamischer Stabilität den Transfer mit der Plazenta in situ an ein Zentrum zur endgültigen Therapie zu organisieren (ggf. Einleitung eines exspektativen Vorgehens mit Anbindung an ein adäquat ausgerüstetes Zentrum zur weiteren Betreuung). Bei hämodynamischer Instabilität bzw. durch initialen Lösungsversuch entstandener Blutung muss die Patientin rasch in den Kreißsaal-OP gebracht werden: Involvierung eines breiten Teams, Vorbereiten von Notfalltransfusionen sowie Hinzuziehen des erfahrensten Geburtshelfers/Gynäkologen und Vorbereitung zur eventuell nötigen Durchführung einer Notfallshysterektomie.
Im Fall eines Zufallsbefundes einer PAS bei Sectio in einem allgemeinen Versorgungskrankenhaus sollten ebenfalls alle forcierten Plazentalösungsversuche unterlassen werden. Bei hämodynamischer Stabilität gilt erneut: „do not touch the placenta“, Durchführung der Kindsentwicklung oberhalb derselben, Ligatur der Nabelschnur, Verschluss der Uterotomie und des Abdomens, ggf. prophylaktische Verabreichung von Tranexamsäure i.v. und Transfer an ein Zentrum unter Intensivmonitoring.
Management der häufigsten Komplikationen intraoperativ
Bei intraoperativem Zufallsbefund und forciert (teils) gelöster Plazenta mit Blutung ist die Inspektion des Ausmaßes des vermutlichen Invasions-/Blutungsareals wesentlich. Initial kann bei diffuser Blutung versucht werden, dieses Gebiet mittels Matratzennähten (oder Ähnlichem) zu übernähen. Ein Bakri-Ballon, allein oder in Kombination mit Kompressionsnähten (z.B. B-Lynch-Nähten), kann ebenso angewendet werden.14,17 Bei einer kleinflächigen fokalen Invasion kann die Exzision des Areals zusammen mit allfällig redisualem Plazentagewebe probiert werden sowie die Applikation von lokalen Hämostyptika (z.B. Fibrinkleber, Gelatine-Thrombinmatrix)35 unter gleichzeitiger Kompression (bis zu 10 Minuten) mit Operationstüchern oder Ähnlichem. Bei persistierend starker Blutung kann als erster chirurgischer Weg der Blutstillung eine Ligatur oder Klemmung der Aa. uterinae (sowie der A. iliaca interna) versucht werden. Eine intermittierende Kompression der infrarenalen Aorta/A. iliaca communis ist ebenfalls bei starker Blutung ein probates Mittel, um einen Überblick und Zeit zu gewinnen (z.B. zur Involvierung interventioneller Radiologen bzgl. fraglicher Intervention). Gleichzeitig müssen so rasch wie möglich „Massive Transfusion“-Protokolle abrufbar sein. Als Ultima Ratio bei diffusen Blutungen im kleinen Becken nach bereits erfolgter Notfallshysterektomie kann das Becken austamponiert werden (Tücher etc.) und bis zu 24Stunden unter Intensivmonitoring zugewartet werden.14,17,34
Bezüglich der häufig beschriebenen Blasen- (6–29% bei Peripartum-Hysterektomie) bzw. Ureterläsionen (2–7%)36 ist es ratsam, in einem Zentrum den Urologen hinzuzuziehen. Weiters sollte bei Unklarheit eine intraoperative Zystoskopie mit direkter Visualisierung der Uretereinmündungen (Applikation von Indigokarminblau i.v.) zur Klärung relativ unkompliziert möglich sein.
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema bei der virtuellen Herbsttagung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) im September 2020.
Literatur:
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