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Medizinstudium neu: Blick über die Grenze
DAM
Autor:
Dr. Christian Euler
E-Mail: ch.euler@a1business.at
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
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<p class="article-intro">Während in Österreich seit vielen Jahren mit mäßigem Erfolg und dramatischen Verzögerungen an einer alle Probleme verkennenden glänzenden, überteuerten elektronischen Fassade gebaut wird, wurde im Nachbarland Deutschland sechs Jahre lang an einem kausalen Therapieansatz für ein vergleichbare Schwächen zeigendes, bewährtes Gesundheitssystem gearbeitet.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Am 31. März wurde der „Masterplan Medizinstudium 2020“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin wurden Ziele für die ärztliche Ausbildung formuliert und realistische Wege aufgezeigt, die sofort beschritten werden können. „Mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 stellen wir die Weichen für die Ausbildung der nächsten Medizinergenerationen, die den Herausforderungen einer Gesellschaft des längeren Lebens gerecht werden kann“, heißt es im Pressetext. Im Folgenden wird zu den einzelnen Themenkreisen aus dem Masterplan zitiert.</p> <h2>Zulassung zum Medizinstudium</h2> <p>Das Hochschulzulassungsrecht wird dahingehend verändert, dass die Hochschulen in ihren Auswahlverfahren neben der Abiturnote mindestens zwei weitere Auswahlkriterien anwenden. Diese sollen insbesondere die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sowie die Leistungsbereitschaft der Studienbewerberinnen und -bewerber einbeziehen. Unser besonderes Augenmerk gilt der Arzt-Patienten- Kommunikation, die maßgeblich die Arzt- Patienten-Beziehung, den Behandlungserfolg und das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten beeinflusst. Aber auch die Zusammenarbeit mit mitbehandelnden Ärztinnen und Ärzten anderer Fachrichtungen – etwa bei der Begleitung mehrfach und chronisch erkrankter Patientinnen und Patienten – und mit Angehörigen der anderen Gesundheitsberufe wird noch stärkeres Gewicht erhalten.<br /> Dafür, dass diese Ziele erreicht werden, halten die Autoren des Masterplanes die Allgemeinmedizin offensichtlich für unverzichtbar.</p> <h2>Stellenwert von Allgemeinmedizin und Lehrpraxis</h2> <p>Mit der Stärkung der Allgemeinmedizin in Studium und Forschung wollen wir erreichen, dass der bereits von zahlreichen medizinischen Hochschulen in Kooperation mit hausärztlich ausgerichteten Praxen eingeschlagene Weg konsequent und nachhaltig fortgesetzt wird. Die Allgemeinmedizin muss im Studium den Stellenwert erhalten, der ihr auch in der Versorgung zukommt. An allen hochschulmedizinischen Standorten soll die allgemeinmedizinische Ausbildung wissenschaftlich qualifiziert angeboten werden. Dazu wird das Ziel verfolgt, an den medizinischen Hochschulen Lehrstühle für Allgemeinmedizin zu errichten. So wird die Attraktivität des Faches Allgemeinmedizin für Studierende erhöht und werden die Hochschulen bei der Stärkung ihrer Profilierung in der Allgemeinmedizin unterstützt. Lehrpraxen werden verstärkt in die ärztliche Ausbildung einbezogen. Um ein ausreichendes Netz an Lehrpraxen aufzubauen, werden die medizinischen Fakultäten neue Praxen rekrutieren und Lehrärztinnen und Lehrärzte qualifizieren. Wir erwarten, dass Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen sowie die ärztlichen Berufsverbände dies unterstützen. Die Ausbildung selbst steht weiterhin unter der Aufsicht der medizinischen Fakultäten.</p> <h2>Allgemeinmedizinische Wissenschaft</h2> <p>Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird einen Impuls zur weiteren Stärkung der Allgemeinmedizin in der Forschung durch die Förderung einer nachhaltigen Netzwerkstruktur von Forschungspraxen geben. Dadurch soll eine stabile Infrastruktur für die allgemeinmedizinische Forschung in Deutschland geschaffen werden, durch die auch klinische Studien patientenorientiert, effizient und den methodischen Standards entsprechend durchgeführt werden können. Die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten werden wir weiter stärken. Der wissenschaftliche Fortschritt eröffnet neue diagnostische und therapeutische Optionen. Ärztinnen und Ärzte müssen im Stande sein, das eigene Handeln vor den Hintergrund neuer medizinischer Erkenntnisse fortwährend zu prüfen.<br /> Die Verbesserung und Weiterentwicklung einer bewährten Ausbildung, die von Anfang an auf ein vertrauensvolles Arzt- Patienten-Verhältnis, respektvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten und Aufwertung der Allgemeinmedizin ausgerichtet ist und nicht nur Kompetenz, sondern auch Haltung für unverzichtbar hält, haben offensichtlich keine Technik-geleitete Krankheitsverwaltung zum Ziel. Dieser Masterplan stellt den Menschen in den Mittelpunkt, fordert von allen Verantwortungsträgern, beginnend beim Gesundheitsministerium über Interessenvertretungen, Krankenversicherungen bis hin zu den Universitäten, diesen humanistischen Zugang ein und liegt damit weit weg von der Devise des österreichischen Sektionsleiters Dr. Clemens Martin Auer. Dieser postuliert, nunmehr unter dem vierten Gesundheitsminister, dass das Paradigma der besonderen Intimität zwischen Arzt und Patient im Zeitalter von „e-health“ zu hinterfragen sei. Auch wird die umfassende Unterstützung einer leistungsfähigen Allgemeinmedizin konkret beschrieben und die dafür notwendigen Aufgaben werden den einzelnen Institutionen zugeteilt. In dem zwölf Seiten umfassenden Positionspapier kommen die Wörter Versorgungszentrum, Gesundheitselektronik oder Informationstechnik nicht vor. Es ist selbstverständlich, dass in den Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium auch diese Dinge ihren Platz haben werden, aber als Werkzeuge im Dienste einer qualitäts- und vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung und nicht als deren Ersatz. Die „Grenzüberschreitung“ österreichischer Medizinerinnen und Mediziner scheint auch in Zukunft gesichert.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Gemeinsame Presseaussendung des Bundesministeriums
für Gesundheit und des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung, Berlin, 31. März 2017, und der Beschlusstext
„Masterplan Medizinstudium 2020“, abrufbar unter
www.bundesgesundheitsministerium.de
</p>
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