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Landarztpraxis: Enteignung als Dauergefahr

<p class="article-intro">Altlengbach, Schwadorf und St. Veit/Gölsen: Zwangsschließungen von Hausapotheken sind eine Bankrotterklärung der Ärztevertretung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Seit Jahrzehnten werden Land&auml;rzte mit Hausapotheke schlechtgeredet &ndash; von Nachbarkollegen im Stadtbereich, von Funktion&auml;ren der Apothekerkammer, von Patientenanw&auml;lten oder von Lokalpolitikern mit Apothekenwunsch. Das Image des Hausapothekers sinkt gegen null. Pl&ouml;tzlich wendet sich das Blatt. Seit Monaten schreiben sich Journalisten die Finger wund, um die Leserschaft &uuml;ber Details des Lande&auml;rztemangels zu informieren. Kleinlaut muss jeder Redakteur bei den Recherchen erkennen, dass frei werdende Kassenstellen mit Hausapotheke weggehen wie die warmen Semmeln. Das klingt bei Jakob Winter im &bdquo;Profil&ldquo; vom 23. April etwa so: &bdquo;Stellen mit Hausapotheke sind leichter zu vermitteln, sie werfen mehr Ertrag ab.&ldquo; &Uuml;ber Nacht bekommen die Einnahmen aus der &auml;rztlichen Apotheke eine positive Bedeutung. Oft k&ouml;nnen nur diese Gelder die Wirtschaftlichkeit einer Landpraxis gew&auml;hrleisten. So las man im &bdquo;Profil&ldquo;: &bdquo;So manche Landordination ist allerdings ohne angegliederte Hausapotheke nicht rentabel &ndash; diese macht knapp die H&auml;lfte des Umsatzes eines Hausarztes aus.&ldquo;</p> <h2>Prim&auml;rversorgungszentren mit Schattenseiten</h2> <p>Im &bdquo;Profil&ldquo;-Beitrag kommt dann Patientenanwalt Hofrat Bachinger zu Wort. Wie nicht anders zu erwarten, setzt er seine Hoffnungen auf einen H&ouml;henflug der Prim&auml;rversorgungseinheiten. Zur Erinnerung: Per 15a-Vereinbarung werden 200 Mio. Euro daf&uuml;r eingesetzt, um frei werdende Hausarztstellen in 75 Prim&auml;rversorgungszentren umzuwandeln. Was Bachinger nicht erw&auml;hnt, muss an dieser Stelle gesagt werden. Das Betreiben von Hausapotheken ist f&uuml;r die neuen Versorgungseinheiten nur in einer Grauzone m&ouml;glich. Eine entsprechende Judikatur liegt nicht vor. Die Konzession f&uuml;r eine &auml;rztliche Apotheke ist eine h&ouml;chstpers&ouml;nliche, also an eine Person gebunden. Daher werden Prim&auml;rversorgungszentren wohl keine Bewilligung zur direkten Medikamentenabgabe bekommen. Einzelne Hausapothekenstandorte drohen damit von der Landkarte zu verschwinden. So bleibt f&uuml;r mich pers&ouml;nlich die Hoffnung, dass die geplanten Einheiten im l&auml;ndlichen Raum zum &bdquo;Rohrkrepierer&ldquo; verkommen.</p> <h2>Mit dem Baby in die Apotheke</h2> <p>Zur Auflockerung darf auch Humorvolles Platz haben. Dabei denke ich an bezahlte Anzeigen der Apothekerkammer, welche oft f&uuml;r Heiterkeit sorgen. Kaum spricht die &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Kinder- und Jugendheilkunde (&Ouml;GKJ) den heimischen Haus&auml;rzten aufgrund angeblich zu kurzer Ausbildung die F&auml;higkeit ab, S&auml;uglinge und Kleinkinder kompetent zu versorgen, melden sich die Apotheker in dieser Angelegenheit zu Wort. In einem Zeitungsinserat erheben sie den Anspruch, erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen zu sein: &bdquo;F&uuml;r das Baby, die Mutter, die ganze Familie. 365 Tage im Jahr rund um die Uhr!&ldquo; Mit fetter &Uuml;berschrift wird der Inhalt des Textes zusammengefasst: &bdquo;Alles rund um die Gesundheit Ihres Babys.&ldquo; Motto der Ausf&uuml;hrungen: Bringen Sie auch Ihr Kleinstes mit in die Apotheke! Dort werde geholfen, so die Versprechungen, wenn Bl&auml;hungen qu&auml;len oder die ersten Z&auml;hne kommen. Mit dem letzten Satz der bezahlten Anzeige wird auch gleich das Ziel dieser Apothekerkonsultationen festgelegt: &bdquo;Damit aus dem kleinen, verletzlichen Lebewesen ein gesunder, starker Erwachsener wird.&ldquo;</p> <h2>Zwangsschlie&szlig;ung kann jede Hausapotheke treffen</h2> <p>Sollte so ein ehemals verletzliches Wesen nach 30 Jahren Landarzt mit Hausapotheke sein, ist die in Aussicht gestellte St&auml;rke von gro&szlig;em Nutzen. Prim&auml;r Nervenst&auml;rke ist gefragt. Niederlassungswillige Pharmazeuten sind ein Damoklesschwert &uuml;ber jeder &auml;rztlichen Apotheke. F&auml;lle wie Schwadorf beweisen, dass &Auml;rzten auch mitten im Berufsleben das Dispensierrecht entzogen werden kann. M&ouml;glichkeit Nummer 1: Befindet sich ein zweiter Mediziner mit Hausapotheke im Ort, wird das Zittern vor Zwangsschlie&szlig;ung zum Dauerzustand. Diese sogenannten Zwei-Arzt-Gemeinden sind vor Etablierung einer &ouml;ffentlichen Apotheke nicht gesch&uuml;tzt. Im Gegenteil! Sie sind Hauptziel f&uuml;r Neuer&ouml;ffnungen. Sobald dort die Verkaufsportale &ouml;ffnen, m&uuml;ssen die Mediziner im Ort, nach kurzer Schonzeit, ihre Direktabgabe von Medikamenten einstellen. M&ouml;glichkeit Nummer 2: Auch Land&auml;rzte in sogenannten Ein-Arzt-Gemeinden sind nicht hundertprozentig vor Zwangsschlie&szlig;ungen sicher, wie es das aktuelle Beispiel von Schwadorf beweist. Hier wurde 1999 um die Apothekenkonzession angesucht. Aufgrund der Verfahrensdauer von 13 Jahren kommt in diesem Fall die alte Rechtslage mit dem 4-km-Mindestabstand zu tragen. Auch Gemeindefusionen k&ouml;nnen dem Hausapotheker einen Schrecken einjagen, denn das derzeit bestehende Gesetz ist nicht in Stein gemei&szlig;elt. Verblendete Gesundheitsreformer und eine zielgerichtete Apothekerschaft lassen keine Gelegenheit aus, um nach Ab&auml;nderungen in ihrem Sinne zu rufen. So m&uuml;ssen Jung&auml;rzte vor der Niederlassung klipp und klar dar&uuml;ber aufgekl&auml;rt werden, dass es f&uuml;r keine einzige Hausapotheke im Land eine Bestandsgarantie bis zum Pensionsantritt gibt.</p> <h2>Strategiewechsel: Warnung vor Stellen&uuml;bernahme</h2> <p>Die aktuelle Diskussion &uuml;ber vakante Hausarztstellen beweist: Das Verlangen nach einem Mediziner vor Ort ist gro&szlig;. Land&auml;rztemangel geht den Leuten unter die Haut. Demgegen&uuml;ber ist der Ruf der Bev&ouml;lkerung nach neuen zus&auml;tzlichen Apotheken eher ein verhaltener. Tatsache: Die verzweifelten Hilferufe der von Enteignung betroffenen Hausapotheker gehen neben den millionenschweren Werbekampagnen der Apotheker unter. Aufgrund meines Detailwissens beschr&auml;nke ich mich bei Fallbeschreibungen und Aktivit&auml;ten auf das Bundesland Nieder&ouml;sterreich. Wie bereits ausgef&uuml;hrt, musste Dr. Claudia Ertl in Schwadorf Anfang April des laufenden Jahres, nach knapp zwei Jahrzehnten T&auml;tigkeit in der Kassenpraxis, die direkte Medikamentenausgabe beenden. Mit Ende des Jahres ist Dr. G&uuml;nther Malli in Altlengbach von der Schlie&szlig;ung betroffen. Auch in St. Veit/ G&ouml;lsen liegt bereits eine Apothekenbewilligung vor. F&uuml;r die Hauspotheken im Ort besteht noch eine &bdquo;Galgenfrist&ldquo; bis Mai 2020. Beide &Auml;rzte, Dr. Martin Feistritzer und Dr. Alfred Stalzer, k&uuml;ndigen an, ihre Praxen bei Verlust der Hausapotheken zu schlie&szlig;en. Was die Aufkl&auml;rung der Bev&ouml;lkerung betrifft, finden in Nieder&ouml;sterreich seit 10 Jahren Podiumsdiskussionen statt. Von Zwangsschlie&szlig;ungen betroffene B&uuml;rger hatten auf insgesamt sieben Gro&szlig;veranstaltungen Gelegenheit, gegen das Hausapothekensterben Stellung zu beziehen. Chronologie: am 6. M&auml;rz 2008 in Wilfersdorf, am 11. Oktober gleichen Jahres im Stift G&ouml;ttweig, am 4. November 2009 in Paudorf bei Krems, am 13. Oktober 2010 in Rabenstein/Pielach, am 4. Oktober 2011 in Raabs/Thaya, am 8. J&auml;nner 2015 in Altlengbach und am 3. April 2018 in Schwadorf. Ergebnis: Hilflosigkeit in Reinkultur!<br /> Ein radikaler Strategiewechsel ist angesagt. Der Land&auml;rztemangel bietet die einmalige Chance, dem Abwehren von &auml;rztlichen Apotheken ein Ende zu bereiten. Schluss mit dem unw&uuml;rdigen Betteln um Gnade. Eine einzige Presseveranstaltung der &Ouml;sterreichischen &Auml;rztekammer w&uuml;rde gen&uuml;gen, um die Themenf&uuml;hrerschaft an sich zu rei&szlig;en. Die Botschaft muss lauten: Finger weg von Landarztpraxen, solange den Hausapotheken die &bdquo;Exekution&ldquo; droht! Das damit verbundene wirtschaftliche Risiko ist f&uuml;r Jung&auml;rzte nicht kalkulierbar. Auch den Absolventen der Medizin-Unis ist bei derzeit geltender Rechtslage dezidiert vom Er&ouml;ffnen einer Landarztpraxis abzuraten. Schon h&ouml;re ich im Hintergrund: &bdquo;Unm&ouml;glich, in laufende Verfahren von Apothekenbewilligungen kann nicht eingegriffen werden!&ldquo; Wer 21 Sozialversicherungstr&auml;ger auf f&uuml;nf zusammenstutzt, findet auch einen Weg, die besagten Zwangsschlie&szlig;ungen im Apothekengesetz zu streichen. Sobald dies vollzogen ist, engagiert sich die &Auml;rztekammer wieder bei der Nachbesetzung von frei werdenden Stellen.</p></p>
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