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Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen!
DAM
Autor:
Dr. Christian Euler
30
Min. Lesezeit
14.07.2016
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<p class="article-content"><p>Ist es wirklich so, dass sich erst ab einem gewissen Alter der Blick schärft (bis er sich dann langsam zu trüben beginnt)?<br /> <br /> Die ersten Berufsjahre ist man auf die eigene Ordination, den eigenen Kredit, auf vielerlei Privates konzentriert. Hauptsache, „alles rennt“ und man gehört dazu. Mit Begeisterung, statt mit von Erfahrung geprägter Zurückhaltung, stürzt man sich auf jede Neueinführung, frequentiert Fortbildungen mit ansprechendem Rahmenprogramm, lässt sich vom Bezirksärztevertreter beraten oder auch beschwichtigen. Es dauert Jahre, bis man sich als wohl funktionierendes Rad eines profitorientierten Systems erkennt, das einen so sehr beansprucht hat, dass kritische Selbstbetrachtung zu kurz gekommen ist.<br /> <br /> Diese Situation ist weder originell noch berufsspezifisch. Eine ganze Regenerations-, Wellness- und Freizeitindustrie lebt davon, den Erwerbstätigen Freizeitstress als Erholung zu verkaufen, damit sie wieder unkritisch und mit dem Gefühl, gestärkt zu sein, in den Berufsstress zurückkehren können. Eine zukunftsweisende Gesundheitsreform sollte diesem Phänomen Aufmerksamkeit schenken – ganz allgemein in Anbetracht einer bis zur Menschenverachtung profitorientierten Arbeitswelt und im Besonderen als Reaktion auf eine finanzbasierte Medizin (John P. A. Ioannidis). <br /> <br /> Wenn aber dieser Entwicklung ernsthaft gegengesteuert werden soll, dann wird eine selbstbewusste Allgemeinmedizin unverzichtbar sein. Eine selbstbewusste Allgemeinmedizin wird getragen von vollwertigen Lehrstühlen an allen medizinischen Fakultäten, von freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen, die einzeln oder in selbstgewählten und selbstverwalteten Gemeinschaften arbeiten, von einer Ausbildungskultur, in der die Lehrpraxis ihren festen Platz hat. Gerade dort werden den jungen Kolleginnen und Kollegen die Sinne geschärft, damit sie nicht erst alt werden müssen, um so manche prestigeträchtige Geschäftigkeit zu hinterfragen.<br /> <br /> Aktuell ist nicht nur die allgemeinmedizinische Ausbildung schlecht, auch die Zahl derer, die in Ausbildung zur Allgemeinmedizinerin, zum Allgemeinmediziner stehen, ist dramatisch gering.<br /> <br /> „Trotz alledem, ich bleibe stur voll rabenschwarzer Zuversicht“ (Wolf Biermann) und wünsche Ihnen und allen, die Sie in Phasen der Regeneration gerne um sich haben, erfüllte und bestärkende Ferientage!<br /> <br /> Ihr Dr. Christian Euler</p></p>
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