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Bilanz meiner Zeit als Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer

<p class="article-intro">2003 bin ich erstmals bei den Wiener Kammerwahlen angetreten, weil ich mithelfen wollte, unser ehemals vorbildliches, jedoch sukzessive schlechtgeredetes und kaputtgespartes Gesundheitssystem zu erhalten. Seitdem konnte ich als Kammerrätin die Veränderungen in unserem Gesundheitssystem hautnah miterleben. Als ich am 22. Mai 2012 durch die Wahl der Vollversammlung zur ersten Vizepräsidentin der Ärztekammer für Wien wurde, hatte ich unter anderem folgende Ziele.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM Digital_Allgemeinm_1701_Weblinks_dr._eva_raunig_c_fotodienst__anna_rauchenberger_-_wien.jpg" alt="Dr. Eva Raunig" width="717" height="478" /><br /><sup>&copy;Anna Rauchenberger</sup><br />Als Vizepr&auml;sidentin habe ich meine Aufgabe darin gesehen, als Bindeglied zwischen Allgemeinmedizinern und Fach&auml;rzten, zwischen angestellten und niedergelassenen &Auml;rzten zu fungieren sowie als Beraterin unseres Pr&auml;sidenten zu handeln. So habe ich auch in der Vollversammlung &uuml;ber wichtige Themen informiert, die ich in demokratiepolitischer Hinsicht f&uuml;r das wichtigste Gremium halte, weil sie alle Sektionen umfasst. Immerhin waren alle niedergelassenen &Auml;rzte auch einmal angestellte und werden einige angestellte &Auml;rzte in Zukunft auch niedergelassene &Auml;rzte sein.</p> <p>Besonders eingesetzt habe ich mich f&uuml;r die Arbeitsbedingungen der Niedergelassenen mit Kassenvertr&auml;gen, insbesondere die Haus&auml;rzte, sowie f&uuml;r mehr direkte Demokratie mittels Umfragen zu entscheidenden Themen innerhalb der jeweils betroffenen &Auml;rztegruppe und f&uuml;r besondere Ber&uuml;cksichtigung der Situation der &Auml;rztinnen mit Kindern, wozu ich auch entsprechende Antr&auml;ge gestellt habe.</p> <h2>Argumente gegen ELGA</h2> <p>Ein zentrales Bestreben war es f&uuml;r mich, ELGA mit dem damit verbundenen Opt-out als Zwangsverpflichtung zur&uuml;ckzuweisen, und ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass alle f&uuml;nf Bedingungen, die von der &Ouml;&Auml;K anfangs geforderten Bedingungen bei der Umsetzung von ELGA ignoriert wurden: 1. Freiwilligkeit (Opt-in), 2. Garantie f&uuml;r den Datenschutz sensibler Gesundheitsdaten der &ouml;sterreichischen Bev&ouml;lkerung, 3. vollst&auml;ndige Abgeltung jeglichen materiellen und zeitlichen Mehraufwandes, 4. Abschluss eines funktionierenden Pilotversuches und 5. Praktikabilit&auml;t f&uuml;r uns &Auml;rzte. Letztere ist schon deshalb nicht gegeben, weil die Patienten in ELGA Informationen vor uns zur&uuml;ckhalten k&ouml;nnten.</p> <h2>PHC konkurrenzieren Hausarztversorgung</h2> <p>Dank eines von mir initiierten Gutachtens des renommierten Medizinrechtsexperten Prof. Dr. Alfred Radner konnte verhindert werden, dass, wie geplant, pro Wiener Gemeindebezirk ein bis zwei PHC-Zentren errichtet wurden. Diese waren zwar von der Politik gew&uuml;nscht, durch die Gemeinde Wien hoch subventioniert, h&auml;tten aber die wohnortnahe Hausarztmedizin au&szlig;erhalb der derzeit g&uuml;ltigen Rahmenbedingungen (u.a. Umgehung des Stellenplans f&uuml;r Kassenstellen) zus&auml;tzlich konkurrenziert, anstatt diese, wie urspr&uuml;nglich versprochen, durch die Aufwertung der Haus&auml;rztin bzw. des Hausarztes als Gesundheitskoordinatoren zu st&auml;rken. <br />Nach meiner inhaltlichen Kritik an der tendenzi&ouml;sen Art der Ausschreibung eines PHC-Zentrums vor dem SMZ Ost haben auch die Medien diese eigenartige Ausschreibung zum Thema gemacht.</p> <p>In diesem Zusammenhang erschien mir auch wichtig, auf einen gesetzeskonformen Umgang mit der Vertretungsregelung in Gro&szlig;ordinationen, Gruppenpraxen sowie im PHC Mariahilf hinzuweisen, wo oftmals unklare Verh&auml;ltnisse herrschen, und stattdessen die Gesetzesfindung f&uuml;r eine Anstellung von &Auml;rzten bei &Auml;rzten zu forcieren. Es ist n&auml;mlich vertraglich und gesetzlich weder erlaubt, dass vertretender und vertretener Arzt parallel arbeiten, noch, dass der vertretene Kassenarzt in seiner Kassenordination kaum noch anwesend ist.</p> <h2>Mystery-Shopping mit freiem Arztberuf unvereinbar</h2> <p>Wichtig war mir auch das medienwirksame Aufzeigen der Unvereinbarkeit von &bdquo;Mystery-Shopping&ldquo; in Ordinationen im Zusammenhang mit dem freien Arztberuf. Per Sozialbetrugsbek&auml;mpfungsgesetz legalisiert sollen es uns von unserem Vertragspartner abgesandte Scheinpatienten nachweisen, wenn sich Patienten in den Ordinationen Krankenst&auml;nde, Untersuchungen und Medikamentenverschreibungen erschleichen. Es handelt sich auch hier offensichtlich um eine Kampfansage an die selbstst&auml;ndige freiberufliche &Auml;rzteschaft. Aus diesem Grund war ich f&uuml;r die Einrichtung einer zentralen Stelle in der Wiener &Auml;rztekammer, an die sich betroffene &Auml;rztinnen und &Auml;rzte im Vertrauen wenden k&ouml;nnen, um einen &Uuml;berblick zu bekommen, wie viele und welche Konfliktf&auml;lle &uuml;berhaupt vorliegen.</p> <h2>Parkpickerl f&uuml;r Hausbesuche</h2> <p>F&uuml;r Kassen&auml;rzte, die Hausbesuche anbieten und die Ordination nicht in ihrem Wohnbezirk haben, habe ich mich f&uuml;r das &bdquo;Parkpickerl&ldquo; zu Anrainerbedingungen eingesetzt, da das &bdquo;Arzt im Dienst&ldquo;-Schild zwar w&auml;hrend der Hausbesuche in ganz Wien ben&ouml;tigt wird, nicht aber f&uuml;r das Parken des Fahrzeugs w&auml;hrend der Ordinationszeit g&uuml;ltig ist.</p> <h2>Kompetenzstreitigkeiten mit Apotheken</h2> <p>Das von uns &Auml;rzten so empfundene Einmischen in die &auml;rztliche Behandlung durch Apotheker oder deren Angestellte &uuml;ber das Verkaufspult hinweg, das Patienten so verunsichert, dass sie zwar die Medikamente in der Apotheke kaufen, diese dann aber nicht einnehmen, wird sicher noch Thema im Hinblick auf Kompetenzen und Datenschutz werden. M&ouml;glich w&auml;re dagegen eine monatliche Information der niedergelassenen &Auml;rzte durch die Apothekerkammer zu Alternativoptionen f&uuml;r derzeit nicht erh&auml;ltliche Medikamente.</p> <h2>Forcieren von Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen</h2> <p>Ich habe auch die &Auml;rztekammer f&uuml;r Wien dazu bewegen k&ouml;nnen, f&uuml;r die &bdquo;t&auml;gliche Turnstunde&ldquo; in den Schulen einzutreten, weil Bewegung und Sport zu den wichtigsten Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen f&uuml;r viele sogenannte Wohlstandserkrankungen &uuml;berhaupt geh&ouml;ren. Teilweise zusammen mit dem Umweltreferat habe ich mich f&uuml;r gesunde Ern&auml;hrung in Schulen, Vermeiden der hormonell aktiven und kanzerogenen Plastikflaschen, wieder gesetzlich beschr&auml;nkte n&auml;chtliche Ausgehzeiten f&uuml;r Jugendliche, ein generelles Rauchverbot in allen &ouml;ffentlichen R&auml;umen und Beschr&auml;nkungen von exzessivem Handy- und Computergebrauch eingesetzt. K&ouml;nnte man wieder die Freude an Bewegung und Sport und das Interesse an der Natur bei unserer Jugend wecken, w&uuml;rde das viele Probleme lindern.</p> <h2>Mehr Effizienz und Transparenz</h2> <p>Von Anfang an habe ich mich f&uuml;r eine sparsame, effiziente mitgliedernahe und parteiunabh&auml;ngige Kammer und eine transparente Diskussion bei gr&ouml;&szlig;eren Ausgaben ausgesprochen. Beispielsweise k&ouml;nnten viele Referate zusammengelegt werden, statt viele, die Kammermitglieder teuer zu stehen kommende Parallelreferate &ndash; jeweils von Gesamtkammer und von den Kurien &ndash; zu betreiben. Da ich die Posten aller Pr&auml;sidialreferenten durch meine Funktion ersetzt habe, kam es hier zu betr&auml;chtlichen Einsparungen. Oftmals habe ich mich gegen sehr teure und mir unsinnig erscheinende Medienkampagnen gewandt. &Uuml;berhaupt habe ich immer darauf hingewiesen, dass Parteipolitik in unserer Standesvertretung nichts verloren haben sollte. Jedem Einzelnen ist es unbenommen, sich einer bestimmten politischen Partei zugeh&ouml;rig zu f&uuml;hlen, aber Parteieinfluss in der &Auml;rztekammer ist nicht im Sinne der &Auml;rztinnen und &Auml;rzte. Ich glaube, dass die &Auml;rztekammer prim&auml;r die Verpflichtung hat, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, und nicht dazu da ist, Politikern ohne soziale und medizinische Kompetenz dabei behilflich zu sein, f&uuml;r &Auml;rzte unbrauchbare Gesetze und Verordnungen umzusetzen. <br />Mein Antrag auf Auszahlung der Wohlfahrtsfonds-Pension bei Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters trotz Weiterf&uuml;hrens einer Kassenpraxis, analog zur gesetzlichen Pensionsauszahlung, wurde in der Wiener &Auml;rztekammer als diskussionsw&uuml;rdig befunden.</p> <h2>Fazit meiner Amtsperiode</h2> <p>R&uuml;ckblickend kann ich sagen, dass es mir gelungen ist, die genannten Themen in diversen Gremien wie Vorstand und Vollversammlung zur Diskussion zu stellen und den Pr&auml;sidenten der Wiener &Auml;rztekammer davon zu &uuml;berzeugen, ernsthaft gegen ELGA vorzugehen.</p> <p>PHC-Zentren in Verbindung mit verpflichtender ELGA, Diagnosen-Codierung, leitliniengetreuer Patientenbehandlung und Abh&auml;ngigkeit von hohen Subventionszahlungen durch die Gemeinde Wien sollen endg&uuml;ltig unser &ouml;sterreichisches Gesundheitssystem aushebeln, das mit seinen Einzel- und Gruppenpraxen, mit seiner weltweit einzigartigen wohnortnahen Rundumbetreuung seit Jahrzehnten ein St&uuml;tzpfeiler des sozialen Friedens in &Ouml;sterreich ist. Niedergelassene &Auml;rzte haben hohe monatliche Ausgaben (10.000 bis 15.000 Euro) und hohe Subventionen zu t&auml;tigen ohne irgendwelche sicheren Einnahmen. Es ist ein Leichtes, sie auf einen Schlag zu ruinieren. Es wird auch &ouml;ffentlich gesagt: &bdquo;Weg von den Einzelpraxen, die Gruppenpraxen nur als &Uuml;bergangsmodell, mehr Telemedizin, weg vom traditionellen Hausarztmodell, hin zu Versorgungszentren.&ldquo; Niedergelassene Fach&auml;rzte mit Kassen sind dabei &uuml;berhaupt nicht mehr eingeplant. <br />PHC-Gruppenpraxen bereiten alles f&uuml;r die &Uuml;bernahme unseres niedergelassenen selbstst&auml;ndigen Bereiches durch andere vor.</p> <p>Mein bekanntes Engagement gegen PHC-Zentren &bdquo;ohne Wenn und Aber&ldquo; bewog Kollegen, die ca. 160 Unterschriften von &Auml;rztinnen und &Auml;rzten, die zu PHC-Zentren befragt werden wollten, bei mir zu deponieren, mit dem Wunsch, ich m&ouml;ge diese an die Kammer weiterleiten. Dies wiederum gipfelte darin, dass in der Vollversammlung vom 16. Juni 2015 die im &Auml;rztegesetz vorgesehene Funktion der gew&auml;hlten Vizepr&auml;sidentin aus der Kammersatzung einfach eliminiert wurde. Ob die Abschaffung der Funktion der gew&auml;hlten Vizepr&auml;sidentin sich &uuml;berhaupt auf meine Funktion in der laufenden Funktionsperiode beziehen kann, kl&auml;ren derzeit die Gerichte.</p> <p>Ich habe 2012 die Pr&auml;sidentschaft Szekeres nicht wegen seiner Parteizugeh&ouml;rigkeit unterst&uuml;tzt, sondern um mehr Demokratie in die &Auml;rztekammer zu bringen, was bislang immer noch nicht &uuml;berall m&ouml;glich war.</p></p>
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