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Bilanz meiner Zeit als Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer
DAM Digital
Autor:
Dr. Eva Raunig
E-Mail:drraunigeva@gmail.com
30
Min. Lesezeit
30.01.2017
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<p class="article-intro">2003 bin ich erstmals bei den Wiener Kammerwahlen angetreten, weil ich mithelfen wollte, unser ehemals vorbildliches, jedoch sukzessive schlechtgeredetes und kaputtgespartes Gesundheitssystem zu erhalten. Seitdem konnte ich als Kammerrätin die Veränderungen in unserem Gesundheitssystem hautnah miterleben. Als ich am 22. Mai 2012 durch die Wahl der Vollversammlung zur ersten Vizepräsidentin der Ärztekammer für Wien wurde, hatte ich unter anderem folgende Ziele.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM Digital_Allgemeinm_1701_Weblinks_dr._eva_raunig_c_fotodienst__anna_rauchenberger_-_wien.jpg" alt="Dr. Eva Raunig" width="717" height="478" /><br /><sup>©Anna Rauchenberger</sup><br />Als Vizepräsidentin habe ich meine Aufgabe darin gesehen, als Bindeglied zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten, zwischen angestellten und niedergelassenen Ärzten zu fungieren sowie als Beraterin unseres Präsidenten zu handeln. So habe ich auch in der Vollversammlung über wichtige Themen informiert, die ich in demokratiepolitischer Hinsicht für das wichtigste Gremium halte, weil sie alle Sektionen umfasst. Immerhin waren alle niedergelassenen Ärzte auch einmal angestellte und werden einige angestellte Ärzte in Zukunft auch niedergelassene Ärzte sein.</p> <p>Besonders eingesetzt habe ich mich für die Arbeitsbedingungen der Niedergelassenen mit Kassenverträgen, insbesondere die Hausärzte, sowie für mehr direkte Demokratie mittels Umfragen zu entscheidenden Themen innerhalb der jeweils betroffenen Ärztegruppe und für besondere Berücksichtigung der Situation der Ärztinnen mit Kindern, wozu ich auch entsprechende Anträge gestellt habe.</p> <h2>Argumente gegen ELGA</h2> <p>Ein zentrales Bestreben war es für mich, ELGA mit dem damit verbundenen Opt-out als Zwangsverpflichtung zurückzuweisen, und ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass alle fünf Bedingungen, die von der ÖÄK anfangs geforderten Bedingungen bei der Umsetzung von ELGA ignoriert wurden: 1. Freiwilligkeit (Opt-in), 2. Garantie für den Datenschutz sensibler Gesundheitsdaten der österreichischen Bevölkerung, 3. vollständige Abgeltung jeglichen materiellen und zeitlichen Mehraufwandes, 4. Abschluss eines funktionierenden Pilotversuches und 5. Praktikabilität für uns Ärzte. Letztere ist schon deshalb nicht gegeben, weil die Patienten in ELGA Informationen vor uns zurückhalten könnten.</p> <h2>PHC konkurrenzieren Hausarztversorgung</h2> <p>Dank eines von mir initiierten Gutachtens des renommierten Medizinrechtsexperten Prof. Dr. Alfred Radner konnte verhindert werden, dass, wie geplant, pro Wiener Gemeindebezirk ein bis zwei PHC-Zentren errichtet wurden. Diese waren zwar von der Politik gewünscht, durch die Gemeinde Wien hoch subventioniert, hätten aber die wohnortnahe Hausarztmedizin außerhalb der derzeit gültigen Rahmenbedingungen (u.a. Umgehung des Stellenplans für Kassenstellen) zusätzlich konkurrenziert, anstatt diese, wie ursprünglich versprochen, durch die Aufwertung der Hausärztin bzw. des Hausarztes als Gesundheitskoordinatoren zu stärken. <br />Nach meiner inhaltlichen Kritik an der tendenziösen Art der Ausschreibung eines PHC-Zentrums vor dem SMZ Ost haben auch die Medien diese eigenartige Ausschreibung zum Thema gemacht.</p> <p>In diesem Zusammenhang erschien mir auch wichtig, auf einen gesetzeskonformen Umgang mit der Vertretungsregelung in Großordinationen, Gruppenpraxen sowie im PHC Mariahilf hinzuweisen, wo oftmals unklare Verhältnisse herrschen, und stattdessen die Gesetzesfindung für eine Anstellung von Ärzten bei Ärzten zu forcieren. Es ist nämlich vertraglich und gesetzlich weder erlaubt, dass vertretender und vertretener Arzt parallel arbeiten, noch, dass der vertretene Kassenarzt in seiner Kassenordination kaum noch anwesend ist.</p> <h2>Mystery-Shopping mit freiem Arztberuf unvereinbar</h2> <p>Wichtig war mir auch das medienwirksame Aufzeigen der Unvereinbarkeit von „Mystery-Shopping“ in Ordinationen im Zusammenhang mit dem freien Arztberuf. Per Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz legalisiert sollen es uns von unserem Vertragspartner abgesandte Scheinpatienten nachweisen, wenn sich Patienten in den Ordinationen Krankenstände, Untersuchungen und Medikamentenverschreibungen erschleichen. Es handelt sich auch hier offensichtlich um eine Kampfansage an die selbstständige freiberufliche Ärzteschaft. Aus diesem Grund war ich für die Einrichtung einer zentralen Stelle in der Wiener Ärztekammer, an die sich betroffene Ärztinnen und Ärzte im Vertrauen wenden können, um einen Überblick zu bekommen, wie viele und welche Konfliktfälle überhaupt vorliegen.</p> <h2>Parkpickerl für Hausbesuche</h2> <p>Für Kassenärzte, die Hausbesuche anbieten und die Ordination nicht in ihrem Wohnbezirk haben, habe ich mich für das „Parkpickerl“ zu Anrainerbedingungen eingesetzt, da das „Arzt im Dienst“-Schild zwar während der Hausbesuche in ganz Wien benötigt wird, nicht aber für das Parken des Fahrzeugs während der Ordinationszeit gültig ist.</p> <h2>Kompetenzstreitigkeiten mit Apotheken</h2> <p>Das von uns Ärzten so empfundene Einmischen in die ärztliche Behandlung durch Apotheker oder deren Angestellte über das Verkaufspult hinweg, das Patienten so verunsichert, dass sie zwar die Medikamente in der Apotheke kaufen, diese dann aber nicht einnehmen, wird sicher noch Thema im Hinblick auf Kompetenzen und Datenschutz werden. Möglich wäre dagegen eine monatliche Information der niedergelassenen Ärzte durch die Apothekerkammer zu Alternativoptionen für derzeit nicht erhältliche Medikamente.</p> <h2>Forcieren von Präventionsmaßnahmen</h2> <p>Ich habe auch die Ärztekammer für Wien dazu bewegen können, für die „tägliche Turnstunde“ in den Schulen einzutreten, weil Bewegung und Sport zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen für viele sogenannte Wohlstandserkrankungen überhaupt gehören. Teilweise zusammen mit dem Umweltreferat habe ich mich für gesunde Ernährung in Schulen, Vermeiden der hormonell aktiven und kanzerogenen Plastikflaschen, wieder gesetzlich beschränkte nächtliche Ausgehzeiten für Jugendliche, ein generelles Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen und Beschränkungen von exzessivem Handy- und Computergebrauch eingesetzt. Könnte man wieder die Freude an Bewegung und Sport und das Interesse an der Natur bei unserer Jugend wecken, würde das viele Probleme lindern.</p> <h2>Mehr Effizienz und Transparenz</h2> <p>Von Anfang an habe ich mich für eine sparsame, effiziente mitgliedernahe und parteiunabhängige Kammer und eine transparente Diskussion bei größeren Ausgaben ausgesprochen. Beispielsweise könnten viele Referate zusammengelegt werden, statt viele, die Kammermitglieder teuer zu stehen kommende Parallelreferate – jeweils von Gesamtkammer und von den Kurien – zu betreiben. Da ich die Posten aller Präsidialreferenten durch meine Funktion ersetzt habe, kam es hier zu beträchtlichen Einsparungen. Oftmals habe ich mich gegen sehr teure und mir unsinnig erscheinende Medienkampagnen gewandt. Überhaupt habe ich immer darauf hingewiesen, dass Parteipolitik in unserer Standesvertretung nichts verloren haben sollte. Jedem Einzelnen ist es unbenommen, sich einer bestimmten politischen Partei zugehörig zu fühlen, aber Parteieinfluss in der Ärztekammer ist nicht im Sinne der Ärztinnen und Ärzte. Ich glaube, dass die Ärztekammer primär die Verpflichtung hat, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, und nicht dazu da ist, Politikern ohne soziale und medizinische Kompetenz dabei behilflich zu sein, für Ärzte unbrauchbare Gesetze und Verordnungen umzusetzen. <br />Mein Antrag auf Auszahlung der Wohlfahrtsfonds-Pension bei Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters trotz Weiterführens einer Kassenpraxis, analog zur gesetzlichen Pensionsauszahlung, wurde in der Wiener Ärztekammer als diskussionswürdig befunden.</p> <h2>Fazit meiner Amtsperiode</h2> <p>Rückblickend kann ich sagen, dass es mir gelungen ist, die genannten Themen in diversen Gremien wie Vorstand und Vollversammlung zur Diskussion zu stellen und den Präsidenten der Wiener Ärztekammer davon zu überzeugen, ernsthaft gegen ELGA vorzugehen.</p> <p>PHC-Zentren in Verbindung mit verpflichtender ELGA, Diagnosen-Codierung, leitliniengetreuer Patientenbehandlung und Abhängigkeit von hohen Subventionszahlungen durch die Gemeinde Wien sollen endgültig unser österreichisches Gesundheitssystem aushebeln, das mit seinen Einzel- und Gruppenpraxen, mit seiner weltweit einzigartigen wohnortnahen Rundumbetreuung seit Jahrzehnten ein Stützpfeiler des sozialen Friedens in Österreich ist. Niedergelassene Ärzte haben hohe monatliche Ausgaben (10.000 bis 15.000 Euro) und hohe Subventionen zu tätigen ohne irgendwelche sicheren Einnahmen. Es ist ein Leichtes, sie auf einen Schlag zu ruinieren. Es wird auch öffentlich gesagt: „Weg von den Einzelpraxen, die Gruppenpraxen nur als Übergangsmodell, mehr Telemedizin, weg vom traditionellen Hausarztmodell, hin zu Versorgungszentren.“ Niedergelassene Fachärzte mit Kassen sind dabei überhaupt nicht mehr eingeplant. <br />PHC-Gruppenpraxen bereiten alles für die Übernahme unseres niedergelassenen selbstständigen Bereiches durch andere vor.</p> <p>Mein bekanntes Engagement gegen PHC-Zentren „ohne Wenn und Aber“ bewog Kollegen, die ca. 160 Unterschriften von Ärztinnen und Ärzten, die zu PHC-Zentren befragt werden wollten, bei mir zu deponieren, mit dem Wunsch, ich möge diese an die Kammer weiterleiten. Dies wiederum gipfelte darin, dass in der Vollversammlung vom 16. Juni 2015 die im Ärztegesetz vorgesehene Funktion der gewählten Vizepräsidentin aus der Kammersatzung einfach eliminiert wurde. Ob die Abschaffung der Funktion der gewählten Vizepräsidentin sich überhaupt auf meine Funktion in der laufenden Funktionsperiode beziehen kann, klären derzeit die Gerichte.</p> <p>Ich habe 2012 die Präsidentschaft Szekeres nicht wegen seiner Parteizugehörigkeit unterstützt, sondern um mehr Demokratie in die Ärztekammer zu bringen, was bislang immer noch nicht überall möglich war.</p></p>