
Akute und chronische Herzinsuffizienztherapie
Bericht: Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Für die Behandlung der Stauungssymptome bei akuter Herzinsuffizienz braucht es vor allem eines: Diuretika. Mit der als «fabulous four» bezeichneten medikamentösen Standardtherapie lässt sich die Prognose von Patienten mit chronischer HFrEF noch einmal verbessern. Nach wie vor herausfordernd ist die Transition von der Spitalpflege in die ambulante Behandlung, aber auch die Vermeidung von Rehospitalisationen während der Langzeittherapie.
Prof. Dr. med. Christian Müller, Chefarzt Kardiologie am Universitätsspital Basel, nannte die Diuretika am SGK-Kongress «die am meisten unterbewerteten Medikamente in der kardiovaskulären (CV) Medizin».
Für die Behandlung der akuten Herzinsuffizienz (AHF) mit Volumenretention empfehlen die ESC-Guidelines, initial ein Schleifendiuretikum (Furosemid ≥20–40mg i.v.) einzusetzen.1 Ob die Therapie anspricht, lässt sich am einfachsten bei liegendem Blasenkatheter feststellen. Bei Patienten ohne Blasenkatheter kann zwei Stunden nach der Furosemidinjektion die Natriumkonzentration im Spontanurin bestimmt werden. «Löst der Patient in den ersten beiden Stunden nach Diuretikagabe zwei bis dreimal spontan Wasser, ist das ebenfalls eine gute Therapieantwort», so der Spezialist. Die Diuretikadosis sollte alle 12 Stunden wiederholt werden, so lange, bis der Volumenstatus euvoläm ist. Patienten, die auf die initiale Therapie mit Furosemid ungenügend ansprechen, profitieren oft von einer zusätzlichen Behandlung mit Metolazon 5mg. Während dieser Behandlung sollten täglich das Serum(Se)-Kreatinin, die Elektrolyte und das Körpergewicht kontrolliert werden. Kontrovers diskutiert wurde in den letzten Jahren der Einsatz von Morphin bei Patienten mit AHF. Die aktuellen Guidelines empfehlen mit Ausnahme von Patienten mit Symptomen wie schweren Schmerzen oder Angst keine Routinetherapie mit Opiaten. Die Behandlung mit den Vasodilatatoren Levosimendan, Neseritid, Ularitid und Relaxin hat in Studien keinen Benefit bei der AHF-Behandlung gezeigt. Auch eine hoch dosierte Nitrattherapie als Ergänzung zur Diuretikatherapie konnte das Überleben und die Rehospitalisationshäufigkeit bei Patienten mit AHF nicht verbessern, wie die am Universitätsspital Basel initiierte GALACTIC- Studie zeigte.2
«Fabulous four»: neue Standardtherapie bei HFrEF
Patienten mit Herzinsuffizienz («heart failure», HF) durchlaufen verschiedene Krankheitsphasen. Nach der Entwässerung und Stabilisierung in der Akutphase wird noch während des Spitalaufenthalts mit der medikamentösen Langzeittherapie begonnen. Wie Dr. med. Matthias Paul, Leitender Arzt am Luzerner Kantonsspital, Luzern, sagte, «war die grosse Änderung in den ESC-Guidelines 2021 nicht die Einführung der SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) als viertes Standardmedikament bei HF mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF), sondern der parallele Therapiebeginn mit allen vier Wirkstoffen»: ACE-Inhibitoren (ACE-I)/Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Betablocker (BB), Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA) und SGLT2-I. Wie eine Analyse von gepoolten Daten der Studien EMPHASIS, PARADIGM-HF und DAPA-HF zeigt, reduziert die Vierfachkombination die kardiovaskulären (CV) Todesfälle und die HF-bedingten Hospitalisationen um 50% resp. 60% im Vergleich zur früheren HFrEF-Therapie mit RAAS-Inhibitoren (ACE-I/ARB) plus BB.3 Das bedeutet im Falle eines 55-jährigen HF-Patienten sechs zusätzliche gewonnene Lebensjahre.
Spitalaustritt gut vorbereiten
Die Transition von der Spitalpflege in die ambulante Versorgung ist eine sehr vulnerable Phase, die entsprechend vorbereitet werden muss, damit es nicht zur Rehospitalisation kommt. «Schon vom ersten Tag der Hospitalisierung wegen AHF an sollte man an die Entlassung denken», sagte M. Paul. Ein wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg ist die Patientenedukation. «Die Patienten müssen über ihre Medikamente, die Notwendigkeit der Therapieadhärenz und Verhaltensmassnahmen wie regelmässige Gewichtskontrollen informiert werden.» Der Patient kann entlassen werden, wenn die in Tabelle 1 genannten Kriterien erfüllt sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Entlassungsbrief. Dieser sollte Informationen zu HF-Typ, Krankheitsätiologie und Komorbiditäten enthalten. Angegeben werden sollten auch Laborwerte wie das NT-proBNP, das Kreatinin (bei Aufnahme, Maximalwert und vor der Entlassung) und die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), Kreislaufparameter (Blutdruck, Herzfrequenz), die NYHA-Klasse und Informationen zum Herzrhythmus (Sinusrhythmus, Vorhofflimmern). Der Entlassungsbrief sollte klar festhalten, wann die nächste ärztliche Kontrolle stattfindet und welche Medikamente dabei angepasst werden sollten.
Offene Fragen zur Akuttherapie
Eine Frage, die in bisherigen Studien zur AHF-Therapie nur ungenügend beantwortet wurde, ist, wann ein Patient euvolämisch ist, resp. wann er sein sogenanntes «dry weight» erreicht hat. Die Beurteilung des Volumenstatus ist vielfach schwierig und die verfügbaren Tests erweisen sich oftmals als inakkurat. Ein wichtiger Hinweis, dass man sich dem «dry weight» nähert, ist ein Anstieg der Hämokonzentration (Hämoglobin/Hämatokrit, Se-Kreatinin), sagte C. Müller. Als nützlich hat sich auch die Bestimmung des NT-proBNP erwiesen: «Dieses sollte im Vergleich zur Aufnahme zum Zeitpunkt der Entlassung um etwa die Hälfte reduziert sein», so M. Paul. Wenn nicht, bestünde ein erhöhtes Risiko für eine Rehospitalisierung und der Patient sollte zunächst weiter entwässert werden. Unklarheit herrscht auch bezüglich der optimalen Diuretikadosis bei Entlassung. Die meisten Patienten werden mit einer Dosis von 10mg Torasemid entlassen. Diese Dosis muss bei der ersten Follow-up-Visite überprüft und ggf. angepasst werden, so C. Müller.
Komorbiditäten gut behandeln
Dr. med. Jan Vontobel, Chefarzt Kardiologie an der Hochgebirgsklinik Davos, widmete sich der Frage nach einem verbesserten Langzeitmanagement von Patienten mit HFrEF. Als erste Massnahme nannte er die konsequente Umsetzung der aktuellen Therapieempfehlungen. Davon scheint man gemäss einer Auswertung des CHAMP-HF-Registers weit entfernt zu sein. Wie die Daten zeigten, wurde mehr als ein Viertel der untersuchten HFrEF-Patienten nicht mit einem RAAS-I oder ARNI und ein Drittel nicht mit einem BB behandelt. Einen MRA hatten lediglich 33% der untersuchten Patienten eingenommen.4
«Ein weiterer Punkt ist, dass wir die Komorbiditäten genauso gut wie die Herzinsuffizienz behandeln müssen», so J. Vontobel. Gemäss dem Spezialisten sind oft die gleichen Faktoren, die zu einer Herzinsuffizienz führen, auch für das Auftreten der Komorbiditäten und die Krankheitsprogression der HF verantwortlich. Ein Beispiel ist die chronische Nierenerkrankung bei Patienten mit HF. Bei gesunden Menschen nimmt die Nierenfunktion (eGFR) ab dem Alter von 50 Jahren um durchschnittlich 1ml/min/1,73m2 im Jahr ab. Bei Patienten mit HF beträgt die jährliche Abnahme der eGFR im Durchschnitt 2–3ml/min/1,73m2. Studien, die die Behandlung mit dem ARNI Sacubitril/Valsartan und den SGLT2-I Dapagliflozin und Empagliflozin bei HF-Patienten untersuchten, konnten eine Reduktion harter renaler Endpunkte («end-stage kidney disease» plus ≥50% Abnahme der eGFR) zeigen.5
Der Therapiebeginn mit RAAS-I, ARNI und SGLT2-I kann allerdings einen akuten Abfall der eGFR auslösen. Dieser wird oft als Verschlechterung der Nierenfunktion missinterpretiert und kann eine Auftitration der Medikamente verhindern oder sogar zu einem Behandlungsstopp führen. «Ein Abfall der glomerulären Filtrationsrate nach dem Behandlungsbeginn mit RAAS-I, ARNI und SGLT2-I von ca. 20% ist akzeptabel und beeinflusst die positiven renalen Behandlungseffekte nicht», sagte J. Vontobel. Ergänzend dazu konnte eine ältere Studie zeigen, dass die Abnahme der Nierenfunktion bei Patienten mit AHF alleine nicht mit einem schlechten Outcome assoziiert ist, sondern nur, wenn die Stauungssymptome persistieren.6 Deshalb sei es so wichtig, den Volumenstatus von Patienten mit HF vor der Entlassung noch einmal zu überprüfen.
Ein wichtiges Hilfsmittel, um die CV und Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisationen zu reduzieren, ist das Telemonitoring. Neben dem nicht invasiven Telemonitoring besteht seit einiger Zeit auch die Möglichkeit der invasiven Pulmonalarteriendruck(PAP)-Messung bei Patienten mit HF. Wie der CHAMPION-Trial zeigte, konnte das Rehospitalisationsrisiko im Vergleich zur Standardtherapie durch eine PAP-gesteuerte medikamentöse Therapie beinahe halbiert werden.7 Die ESC empfiehlt den Einsatz eines Telemonitorings mit einer Klasse IIb, Level B.1 Bislang verfügbare Studienergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem Patienten, die vor weniger als 12 Monaten hospitalisiert wurden, von einem Telemonitoring profitieren.
Eine weitere wichtige Massnahme, um die Sterblichkeit von schwerkranken HF-Patienten zu reduzieren, sind Impfungen zur Vorbeugung schwerer Atemwegserkrankungen infolge von Influenza, Covid-19 und Pneumokokkeninfektion. Zu den häufigen Komorbiditäten bei HF gehören auch Depressionen und Angststörungen. Durch körperliches Training lassen sich die depressiven Symptome bei HF-Patienten reduzieren. «Eine sinnvolle und kostengünstige Massnahme mit prognostischer Wirkung, die aber leider häufig vergessen geht, ist die kardiale Rehabilitation», sagte der Kardiologe. Diese beeinflusst die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität positiv und reduziert die Häufigkeit von Rehospitalisationen.
Quelle:
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK), 15. bis 17. Juni 2022, St. Gallen
Literatur:
1 McDonagh TA et al.: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2021; 42: 3599-3726 2 Kozhuharov N et al.: Effect of a strategy of comprehensive vasodilation vs usual care on mortality and heart failure rehospitalization among patients with acute heart failure: the GALACTIC randomized clinical trial. JAMA 2019; 322: 2292-2302 3 Vaduganathan M et al.: Estimating lifetime benefits of comprehensive disease-modifying pharmacological therapies in patients with heart failure with reduced ejection fraction: a comparative analysis of three randomised controlled trials. Lancet 2020; 396: 121-8 4 Greene SJ et al.: Medical therapy for heart failure with reduced ejection fraction: the CHAMP-HF registry. J Am Coll Cardiol 2018; 72: 351-66 5 Mullens W et al.: Renal effects of guideline-directed medical therapies in heart failure: a consensus document from the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. Eur J Heart Fail 2022; 24: 603-19 6 Metra M et al.: Is worsening renal function an ominous prognostic sign in patients with acute heart failure? The role of congestion and its interaction with renal function. Circ Heart Fail 2012; 5: 54-62 7 Abraham WT et al.: Sustained efficacy of pulmonary artery pressure to guide adjustment of chronic heart failure therapy: complete follow-up results from the CHAMPION randomised trial. Lancet 2016; 2016; 387: 453-61