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Abschied vom ÖHV
DAM
Autor:
Dr. Christian Euler
E-Mail: ch.euler@a1business.at
30
Min. Lesezeit
23.02.2017
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<p class="article-intro">Ich zähle keine Jahre, für mich läuft das Leben etappenweise ab. Man ist Schüler und altert nicht in dieser Zeit. Auch Eltern von Kindern im Kindergartenalter altern erst wieder, wenn sie Eltern von Schulkindern werden. Einen großen Schritt voran in der Lebenszeit lässt das erste Enkelkind machen, und der Schritt aus dem Erwerbsleben wird sicher auch einschneidend sein, ich werde es sehr bald erleben.<</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>So weiß ich nicht spontan zu sagen, wann ich die Präsidentschaft für den Österreichischen Hausärzteverband (ÖHV) übernahm. Ich weiß noch genau, dass wir uns im Burgenland nach Honorareinbehaltungen durch die Gebietskrankenkasse zusammenfanden und einen Prozess anstrengten, den wir schließlich gewinnen konnten. Das war die Geburtsstunde des burgenländischen Hausärzteverbandes. Im Rahmen eines Kongresses in St. Wolfgang rückte ich dann im „Bundes-ÖHV“ an die Spitze vor und wurde, was man einen Langzeitpräsidenten nennt. Es kamen Jahre, da war der ÖHV in Wien, Niederösterreich, im Burgenland, in der Steiermark und in Oberösterreich in den Ärztekammern. Ich erinnere mich an unsere Familienkongresse, die wir zunächst von Bad Ischl, dann St. Wolfgang schließlich in das bescheidenere Ambiente von Bad Gleichenberg verlegten. Dr. Franz Hafner und seine engagierte Gattin aus Feldbach müssen hier ebenso erwähnt werden wie Dr. Norbert Jachimowicz. Das Angebot, während des Kongresses gemeinsam zu musizieren, bescherte uns wahrlich kultivierte Gesellschaftsprogramme, die Morgenstunden an den Sonntagen der Pfingstkongresse akzentuierten den besonderen Feiertag. Kollegen verschiedener religiöser Bekenntnisse brachten sich ein, in einem anderen Jahr referierte der Priester ohne Amt und Psychotherapeut Richard Picker über den Psalm „… und du sollst ein Segen sein“. Voll Freude denke ich an das spontane Angebot von Frau Lischnigg, Organistin des Stiftes Rein und Begleiterin ihres am Kongress teilnehmenden Gatten, unsere feierliche Zusammenkunft mit Bachs Motette„Jesu, meine Freude“ am Klavier im Vortragssaal zu untermalen. Wir waren bemüht, unsere Lebenskultur zu feiern, auf deren Basis wir unseren beruflichen Aufgaben nachzukommen bestrebt sind. Unvergessen auch das Mittagsreferat „Der Mensch als Hausarzt seiner selbst“ des bekannten Publizisten Dr. Dr. Günther Nenning.</p> <p>Diese Zeichen unseres kultivierten Disputes haben wir dann über viele Jahre in das Café des Radiokulturhauses in der Wiener Argentinierstraße getragen. Prof. Gudrun Biffl, Prof. Paul Unschuld, Prof. Matthias Beck, Mag. Martin Schenk, Doz. Claudia Wind, Doz. Margot Schmitz, Prof. Klaus Firlei, Mag. Martina Anditsch, Prof. Ernst Gehmacher und viele mehr stehen für den breiten Bogen und den weiten Horizont, um den wir in der Betrachtung unserer Arbeitswelt bemüht waren. Diese Arbeitswelt wurde mit den Jahren durch die bürokratische Bedrängnis immer enger. Wir fokussierten unsere Kräfte auf den Widerspruch gegen eine zerstörerische Reform, die Administration und Bürokratie auf Kosten der Patienten und ihrer Behandler aufwertet. Mit unserer Initiative „Raus aus ELGA!“ positionierten wir uns für die österreichische Medienlandschaft unübersehbar gegen eine Krankheitsverwaltung und hielten die Fahne der Krankenbehandlung auf dem Boden einer vertrauensvollen Hausarzt-Patienten-Beziehung hoch.</p> <p>Diese Jahre der permanenten Medienpräsenz und eines nimmer müde werdenden Widerspruchs gegen den Reformwahn wären ohne unseren Wolfgang Geppert nicht möglich gewesen. Er war Vollzeitfunktionär, Medienbeobachter, Lieferant von Ideen und geradezu manisch im Vorantreiben ihrer Umsetzung. Die Sicherheit, mit der er schlagend werdende Probleme prognostizierte, war verblüffend. Mit dieser Weitsicht verärgerte er sein ganzes standespolitisches Leben über träge Funktionärsebenen. Er recherchierte Zahlen, Daten, Fakten, versorgte interessierte Journalisten mit diesem Material, rüstete uns alle für jeden erdenklichen Disput auf. Die von ihm gemeinsam mit dem PR-Büro Halik vorbereiteten Presseauftritte wurden allesamt zu großen Erfolgen. Der ÖHV wird noch in den Jahren, in denen die Reformpläne endgültig gescheitert und Unsummen vergeudet sind, der Ärzteschaft Ehre machen. Der Erklärung, das hätte man nicht erwarten können, kein Fachmann hätte dieses Debakel vorhergesehen, wird der ÖHV dereinst entgegenstehen. Wolfgang Geppert kann für seinen Einsatz an Kraft und Zeit, seine Umsicht und den nie versiegenden Humor nicht genug gedankt werden. Er hat die ersten Jahre seines „Ruhestandes“ noch einmal der Standespolitik verschrieben, ohne Eigeninteressen und ohne jede finanzielle Abgeltung. Zweifellos war er die letzten Jahre der geschäftsführende Präsident des ÖHV. In der festen Überzeugung, dass seine Mission erfüllt ist, die Reform wider alle Vernunft vorangetrieben wird und zukünftige Funktionäre eine weniger unbeugsame und mehr pragmatische Haltung einnehmen werden, hat Wolfgang Geppert seine Aktivitäten im Hausärzteverband beendet.</p> <p>Als ruhiger Gegenpol, beständig, unaufgeregt das Verbandsleben tragend ist Dr. Paul Reitmayr dankbar zu nennen. Nicht nur als penibler Verwalter der Mitgliedsbeiträge, der Basis für unser unabhängiges Agieren, ist er ein Fundament des ÖHV. Ohne Menschen wie ihn kann ein Verband nicht existieren. Dieser Fels wird auch der kommenden Generation von ÖHV-Aktivisten für ihre erste Zeit zur Verfügung stehen, bedingungslos, wie es immer seine Art war. Ich kann unserem Paul dafür nur danken.</p> <p>Den persönlich belastendsten Einsatz leisteten in all meinen Jahren Funktionärinnen. Obwohl sie in verschiedenen Arbeits­perioden und auch verschiedenen Bundesländern aktiv sind, ist die Parallele zwischen Dr.in Ulrike Haas, Oberösterreich, und Dr.in Eva Raunig, Wien, nicht zu übersehen. Beide haben sich energiegeladen konsequent für ihre/unsere Ideen eingebracht, beide waren nicht bereit, in Kompromissen ihre Anliegen aufzugeben, beide wurden dafür persönlich attackiert, diffamiert und als teamunfähig gebrandmarkt. Selbst die Männer der eigenen Fraktion hatten Probleme mit diesem Maß an Prinzipientreue. In ihren Kurienkarrieren zeigt sich die Problematik der Frage, wo mehr Standespolitik zu machen ist, in oder außerhalb der Ärztekammer. Auch der Hausärzteverband diskutierte diese Frage jahrelang und mit unterschiedlichen Ergebnissen. In meinen letzten Jahren bestand Konsens über die wirkungsvollere Möglichkeit, ohne die Verpflichtungen des vereideten Kammerfunktionärs zu agieren. Das Leiden, nach einer verlorenen Abstimmung das Gegenteil der eigenen Vorstellung mittragen zu müssen, ist einfach zu groß. Unsere fundamentale Ablehnung von ELGA und primären Versorgungszentren (auch „Primary Healthcare Center“, PHC) haben in keinem Kompromiss Platz. Das Gutachten, das selbstgerechte Funktionäre aufgescheucht und voreilige Politiker auf den Boden der Realität zurückgerufen hat, das Gutachten von Prof. Dr. Alfred Radner, die gesetzliche Grundlage der PHC betreffend, ist der größte Wurf unserer Eva gewesen und sicher auch der triftigste Grund der offen ausgelebten Missgunst innerhalb der Standesvertretung. Viele Fragen sind noch offen, Gerichte werden sie zu beantworten haben. Evas Kampfgeist ist ungebrochen. Ulrike und Eva sind jedenfalls die Funktionärinnen meines Herzens.</p> <p>Lassen Sie mich abschließend noch einmal festhalten, dass es im ÖHV keinerlei finanzielle Bonifikationen für Funktionäre gab. Hatten wir ein Arbeitsessen, so haben wir es selbst bezahlt, Reisen zu standespolitischen Veranstaltungen im Ausland finanzierten wir uns selbst, fehlten für ein uns wichtiges Anliegen die finanziellen Mittel, so haben wir aus der eigenen Tasche zugeschossen. Wir hielten allesamt eine unmäßige finanzielle Abgeltung standespolitischen Engagements für den Beginn egozentrischen Agierens und einer durch Verlustängste angefachten Interessenverräterschaft. Nur so ist die wohlverwaltete Destruktion der für unsere Berufsgruppe förderlichen Arbeitsbedingungen zu verstehen.</p> <p>Ich weiß, dass wir viele unserer Ziele nicht erreicht haben, aber ich weiß auch, dass wir stets bemüht waren, sie zu erreichen. Dieses jahrelange Bemühen im Kreise Gleichgesinnter hat mir eine in vielerlei Hinsicht reiche Zeit geschenkt, für die ich sehr dankbar bin.</p> <p>Was auch die Zukunft bringt: Der Beruf „Hausarzt“ wird immer ein Rahmen sein, der mit Sinn und Arbeitsfreude gefüllt werden kann, eine Chance, die, wenn genützt, einen Abschied in Zufriedenheit zulässt.</p></p>
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