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Abschied vom ÖHV

<p class="article-intro">Ich zähle keine Jahre, für mich läuft das Leben etappenweise ab. Man ist Schüler und altert nicht in dieser Zeit. Auch Eltern von Kindern im Kindergartenalter altern erst wieder, wenn sie Eltern von Schulkindern werden. Einen großen Schritt voran in der Lebenszeit lässt das erste Enkelkind machen, und der Schritt aus dem Erwerbsleben wird sicher auch einschneidend sein, ich werde es sehr bald erleben.<</p> <hr /> <p class="article-content"><p>So wei&szlig; ich nicht spontan zu sagen, wann ich die Pr&auml;sidentschaft f&uuml;r den &Ouml;sterreichischen Haus&auml;rzteverband (&Ouml;HV) &uuml;bernahm. Ich wei&szlig; noch genau, dass wir uns im Burgenland nach Honorareinbehaltungen durch die Gebietskrankenkasse zusammenfanden und einen Prozess anstrengten, den wir schlie&szlig;lich gewinnen konnten. Das war die Geburtsstunde des burgenl&auml;ndischen Haus&auml;rzteverbandes. Im Rahmen eines Kongresses in St. Wolfgang r&uuml;ckte ich dann im &bdquo;Bundes-&Ouml;HV&ldquo; an die Spitze vor und wurde, was man einen Langzeitpr&auml;sidenten nennt. Es kamen Jahre, da war der &Ouml;HV in Wien, Nieder&ouml;sterreich, im Burgenland, in der Steiermark und in Ober&ouml;sterreich in den &Auml;rztekammern. Ich erinnere mich an unsere Familienkongresse, die wir zun&auml;chst von Bad Ischl, dann St. Wolfgang schlie&szlig;lich in das bescheidenere Ambiente von Bad Gleichenberg verlegten. Dr. Franz Hafner und seine engagierte Gattin aus Feldbach m&uuml;ssen hier ebenso erw&auml;hnt werden wie Dr. Norbert Jachimowicz. Das Angebot, w&auml;hrend des Kongresses gemeinsam zu musizieren, bescherte uns wahrlich kultivierte Gesellschaftsprogramme, die Morgenstunden an den Sonntagen der Pfingstkongresse akzentuierten den besonderen Feiertag. Kollegen verschiedener religi&ouml;ser Bekenntnisse brachten sich ein, in einem anderen Jahr referierte der Priester ohne Amt und Psychotherapeut Richard Picker &uuml;ber den Psalm &bdquo;&hellip; und du sollst ein Segen sein&ldquo;. Voll Freude denke ich an das spontane Angebot von Frau Lischnigg, Organistin des Stiftes Rein und Begleiterin ihres am Kongress teilnehmenden Gatten, unsere feierliche Zusammenkunft mit Bachs Motette&bdquo;Jesu, meine Freude&ldquo; am Klavier im Vortragssaal zu untermalen. Wir waren bem&uuml;ht, unsere Lebenskultur zu feiern, auf deren Basis wir unseren beruflichen Aufgaben nachzukommen bestrebt sind. Unvergessen auch das Mittagsreferat &bdquo;Der Mensch als Hausarzt seiner selbst&ldquo; des bekannten Publizisten Dr. Dr. G&uuml;nther Nenning.</p> <p>Diese Zeichen unseres kultivierten Disputes haben wir dann &uuml;ber viele Jahre in das Caf&eacute; des Radiokulturhauses in der Wiener Argentinierstra&szlig;e getragen. Prof. Gudrun Biffl, Prof. Paul Unschuld, Prof. Matthias Beck, Mag. Martin Schenk, Doz. Claudia Wind, Doz. Margot Schmitz, Prof. Klaus Firlei, Mag. Martina Anditsch, Prof. Ernst Gehmacher und viele mehr stehen f&uuml;r den breiten Bogen und den weiten Horizont, um den wir in der Betrachtung unserer Arbeitswelt bem&uuml;ht waren. Diese Arbeitswelt wurde mit den Jahren durch die b&uuml;rokratische Bedr&auml;ngnis immer enger. Wir fokussierten unsere Kr&auml;fte auf den Widerspruch gegen eine zerst&ouml;rerische Reform, die Administration und B&uuml;rokratie auf Kosten der Patienten und ihrer Behandler aufwertet. Mit unserer Initiative &bdquo;Raus aus ELGA!&ldquo; positionierten wir uns f&uuml;r die &ouml;sterreichische Medienlandschaft un&uuml;bersehbar gegen eine Krankheitsverwaltung und hielten die Fahne der Krankenbehandlung auf dem Boden einer vertrauensvollen Hausarzt-Patienten-Beziehung hoch.</p> <p>Diese Jahre der permanenten Medienpr&auml;senz und eines nimmer m&uuml;de werdenden Widerspruchs gegen den Reformwahn w&auml;ren ohne unseren Wolfgang Geppert nicht m&ouml;glich gewesen. Er war Vollzeitfunktion&auml;r, Medienbeobachter, Lieferant von Ideen und geradezu manisch im Vorantreiben ihrer Umsetzung. Die Sicherheit, mit der er schlagend werdende Probleme prognostizierte, war verbl&uuml;ffend. Mit dieser Weitsicht ver&auml;rgerte er sein ganzes standespolitisches Leben &uuml;ber tr&auml;ge Funktion&auml;rsebenen. Er recherchierte Zahlen, Daten, Fakten, versorgte interessierte Journalisten mit diesem Material, r&uuml;stete uns alle f&uuml;r jeden erdenklichen Disput auf. Die von ihm gemeinsam mit dem PR-B&uuml;ro Halik vorbereiteten Presseauftritte wurden allesamt zu gro&szlig;en Erfolgen. Der &Ouml;HV wird noch in den Jahren, in denen die Reformpl&auml;ne endg&uuml;ltig gescheitert und Unsummen vergeudet sind, der &Auml;rzteschaft Ehre machen. Der Erkl&auml;rung, das h&auml;tte man nicht erwarten k&ouml;nnen, kein Fachmann h&auml;tte dieses Debakel vorhergesehen, wird der &Ouml;HV dereinst entgegenstehen. Wolfgang Geppert kann f&uuml;r seinen Einsatz an Kraft und Zeit, seine Umsicht und den nie versiegenden Humor nicht genug gedankt werden. Er hat die ersten Jahre seines &bdquo;Ruhestandes&ldquo; noch einmal der Standespolitik verschrieben, ohne Eigeninteressen und ohne jede finanzielle Abgeltung. Zweifellos war er die letzten Jahre der gesch&auml;ftsf&uuml;hrende Pr&auml;sident des &Ouml;HV. In der festen &Uuml;berzeugung, dass seine Mission erf&uuml;llt ist, die Reform wider alle Vernunft vorangetrieben wird und zuk&uuml;nftige Funktion&auml;re eine weniger unbeugsame und mehr pragmatische Haltung einnehmen werden, hat Wolfgang Geppert seine Aktivit&auml;ten im Haus&auml;rzteverband beendet.</p> <p>Als ruhiger Gegenpol, best&auml;ndig, unaufgeregt das Verbandsleben tragend ist Dr. Paul Reitmayr dankbar zu nennen. Nicht nur als penibler Verwalter der Mitgliedsbeitr&auml;ge, der Basis f&uuml;r unser unabh&auml;ngiges Agieren, ist er ein Fundament des &Ouml;HV. Ohne Menschen wie ihn kann ein Verband nicht existieren. Dieser Fels wird auch der kommenden Generation von &Ouml;HV-Aktivisten f&uuml;r ihre erste Zeit zur Verf&uuml;gung stehen, bedingungslos, wie es immer seine Art war. Ich kann unserem Paul daf&uuml;r nur danken.</p> <p>Den pers&ouml;nlich belastendsten Einsatz leisteten in all meinen Jahren Funktion&auml;rinnen. Obwohl sie in verschiedenen Arbeits&shy;perioden und auch verschiedenen Bundesl&auml;ndern aktiv sind, ist die Parallele zwischen Dr.in Ulrike Haas, Ober&ouml;sterreich, und Dr.in Eva Raunig, Wien, nicht zu &uuml;bersehen. Beide haben sich energiegeladen konsequent f&uuml;r ihre/unsere Ideen eingebracht, beide waren nicht bereit, in Kompromissen ihre Anliegen aufzugeben, beide wurden daf&uuml;r pers&ouml;nlich attackiert, diffamiert und als teamunf&auml;hig gebrandmarkt. Selbst die M&auml;nner der eigenen Fraktion hatten Probleme mit diesem Ma&szlig; an Prinzipientreue. In ihren Kurienkarrieren zeigt sich die Problematik der Frage, wo mehr Standespolitik zu machen ist, in oder au&szlig;erhalb der &Auml;rztekammer. Auch der Haus&auml;rzteverband diskutierte diese Frage jahrelang und mit unterschiedlichen Ergebnissen. In meinen letzten Jahren bestand Konsens &uuml;ber die wirkungsvollere M&ouml;glichkeit, ohne die Verpflichtungen des vereideten Kammerfunktion&auml;rs zu agieren. Das Leiden, nach einer verlorenen Abstimmung das Gegenteil der eigenen Vorstellung mittragen zu m&uuml;ssen, ist einfach zu gro&szlig;. Unsere fundamentale Ablehnung von ELGA und prim&auml;ren Versorgungszentren (auch &bdquo;Primary Healthcare Center&ldquo;, PHC) haben in keinem Kompromiss Platz. Das Gutachten, das selbstgerechte Funktion&auml;re aufgescheucht und voreilige Politiker auf den Boden der Realit&auml;t zur&uuml;ckgerufen hat, das Gutachten von Prof. Dr. Alfred Radner, die gesetzliche Grundlage der PHC betreffend, ist der gr&ouml;&szlig;te Wurf unserer Eva gewesen und sicher auch der triftigste Grund der offen ausgelebten Missgunst innerhalb der Standesvertretung. Viele Fragen sind noch offen, Gerichte werden sie zu beantworten haben. Evas Kampfgeist ist ungebrochen. Ulrike und Eva sind jedenfalls die Funktion&auml;rinnen meines Herzens.</p> <p>Lassen Sie mich abschlie&szlig;end noch einmal festhalten, dass es im &Ouml;HV keinerlei finanzielle Bonifikationen f&uuml;r Funktion&auml;re gab. Hatten wir ein Arbeitsessen, so haben wir es selbst bezahlt, Reisen zu standespolitischen Veranstaltungen im Ausland finanzierten wir uns selbst, fehlten f&uuml;r ein uns wichtiges Anliegen die finanziellen Mittel, so haben wir aus der eigenen Tasche zugeschossen. Wir hielten allesamt eine unm&auml;&szlig;ige finanzielle Abgeltung standespolitischen Engagements f&uuml;r den Beginn egozentrischen Agierens und einer durch Verlust&auml;ngste angefachten Interessenverr&auml;terschaft. Nur so ist die wohlverwaltete Destruktion der f&uuml;r unsere Berufsgruppe f&ouml;rderlichen Arbeitsbedingungen zu verstehen.</p> <p>Ich wei&szlig;, dass wir viele unserer Ziele nicht erreicht haben, aber ich wei&szlig; auch, dass wir stets bem&uuml;ht waren, sie zu erreichen. Dieses jahrelange Bem&uuml;hen im Kreise Gleichgesinnter hat mir eine in vielerlei Hinsicht reiche Zeit geschenkt, f&uuml;r die ich sehr dankbar bin.</p> <p>Was auch die Zukunft bringt: Der Beruf &bdquo;Hausarzt&ldquo; wird immer ein Rahmen sein, der mit Sinn und Arbeitsfreude gef&uuml;llt werden kann, eine Chance, die, wenn gen&uuml;tzt, einen Abschied in Zufriedenheit zul&auml;sst.</p></p>
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