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Viel Interesse an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Leading Opinions
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29.08.2019
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<p class="article-intro">Einen Zaubertrank, wie ihn Asterix und Obelix im ECCO’19-Film aus dem «grossen ECCO-Tempel» nach Hause bringen und mit dem sie die Bewohner ihres Dorfs, die an IBDx erkrankt sind, heilen können, gibt es leider noch nicht. Weltweit wird jedoch intensiv an neuen Therapiemöglichkeiten für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa geforscht, wie am diesjährigen ECCO-Kongress in Kopenhagen zu erfahren war. Dementsprechend gross war das Interesse: Mit 8034 Teilnehmern aus 98 Ländern konnte ein neuer Besucherrekord verzeichnet werden.</p>
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<p class="article-content"><h2>Psychischer Stress beeinflusst Darmmikrobiom</h2> <p>Wie Schweizer Wissenschaftler am ECCO-Kongress in Kopenhagen berichteten, haben das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität von Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (IBD) grossen Einfluss auf die Zusammensetzung des Mukosa-assoziierten Darmmikrobioms.<br /> Dass die Vielfalt und die Stabilität des Darmmikrobioms bei IBD-Patienten reduziert sind, war bereits bekannt; ebenso, dass dies ein Schlüsselfaktor für die Pathogenese der Entzündung sein und über die Darm-Hirn-Achse psychische Auswirkungen haben könnte. So sind Depressionen und Angst häufige Komorbiditäten bei IBD.<br /> An der Studie der Universitäten Zürich und Bern nahmen 171 Patienten aus der Swiss Inflammatory Bowel Disease Cohort Study (SIBDCS) teil.<sup>1</sup> Von allen Patienten lagen Mikrobiomproben vor und alle waren in Remission, um den Einfluss der Krankheitsaktivität auszuschliessen. Die Probanden füllten verschiedene Fragebögen aus, die Stress, Depression und Angst erfassten. Die Mikrobiomproben wurden mittels 16S-rRNA-Hochdurchsatz-Sequenzierung untersucht. Die Forscher stellten eine signifikant geringere Alphadiversität (Artenvielfalt) bei Patienten fest, die eine höhere Stresswahrnehmung hatten. Depressionen und Angst spielten dagegen keine Rolle. Diese wirkten sich jedoch negativ auf die Betadiversität (Artenwechsel) aus. So nahmen beispielsweise bei Patienten mit Angst <em>Lactobacillales</em> (<em>Streptococcaceae</em>) ab (p<0,001), bei Depressionen kam es zu einer Zunahme von Proteobakterien wie <em>Desulfovibrio</em> (p=0,001). Nun müssten Studien folgen, die klären, ob die auf eine Mikrobiomveränderung folgende Darmentzündung oder die mikrobiellen Metaboliten selbst die Psyche beeinträchtigen, erklärten die Autoren.</p> <h2>Erhaltungstherapie bei Colitis ulcerosa: andauerndes Ansprechen unter Ustekinumab</h2> <p>Eine Erhaltungstherapie mit Ustekinumab (UST; Stelara<sup>®</sup>) führt ohne Zugabe von Kortison zur klinischen Remission und zu anhaltendem klinischem Ansprechen bei moderater bis schwerer Colitis ulcerosa. Dies zeigen die 44-Wochen-Resultate der UNIFI-Studie.<sup>2</sup><br /> Eingeschlossen waren 523 Patienten, die an der Colitis-ulcerosa-Induktionsstudie UNIFI teilgenommen und in der 8. Woche nach der UST-Induktionsdosis klinisch angesprochen hatten. Sie wurden im Verhältnis 1:1:1 randomisiert und erhielten entweder Placebo s.c., UST 90 mg s.c. alle 8 Wochen (q8w) oder UST 90 mg s.c. alle 12 Wochen (q12w). Das Ziel war, die Sicherheit und Wirksamkeit von UST als Erhaltungstherapie bei diesen Patienten zu untersuchen. Primärer Endpunkt war die klinische Remission in Woche 44 (52 Wochen nach der i.v. Induktion mit UST). In der 44. Woche waren im Vergleich zur Placebogruppe signifikant mehr Patienten der UST-q8w- und -q12w-Gruppen in klinischer Remission (Placebo 24 % vs. q8w 43,8 % , p<0,001, bzw. q12w 38,4 % , p=0,002). Auch bei den sekundären Endpunkten, unter anderem kortisonfreie Remission und endoskopische Remission, war die UST-Therapie Placebo überlegen. Die Sicherheit von UST bei Colitis-ulcerosa-Patienten war konsistent mit dem Sicherheitsprofil von UST bei Morbus Crohn. Die Rate an Hauptnebenwirkungen, einschliesslich Infektionen, war in allen drei Gruppen vergleichbar.</p> <h2>Neue Therapie bei Colitis ulcerosa: Etrasimod verbessert Outcome</h2> <p>Im Vergleich zu Placebo führte der orale selektive Sphingosin-1-Phosphatrezeptor-Modulator Etrasimod (APD334) bei moderater bis schwerer Colitis ulcerosa zu signifikant höheren Raten an Verbesserungen der endoskopischen und histologischen Befunde sowie Remissionen. Die Wirkung war dosisabhängig.<br /> An der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Parallelgruppen-Phase- II-Studie OASIS (ClinicalTrials.gov: NCT02447302) nahmen 156 Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa teil.<sup>3</sup> Sie wurden randomisiert und erhielten jeweils einmal täglich entweder 1 mg Etrasimod, 2 mg Etrasimod oder Placebo. Zu Studienbeginn und in der 12. Woche wurden Biopsien entnommen und eine Sigmoidoskopie wurde vorgenommen. Endpunkte waren Verbesserungen der endoskopischen und histologischen Befunde und die histologische Remission. Etrasimod 2 mg führte im Vergleich zu Placebo bei signifikant mehr Patienten zu Verbesserungen der endoskopischen (43,2 % vs. 16,3 % ; p=0,003) und der histologischen Befunde (31,7 % vs. 10,2 % ; p=0,006) und zur histologischen Remission (19,5 % vs. 6,1 % ; p=0,027). Ein Abheilen der Mukosaläsionen (Post-hoc-Analyse) wurde bei 19,5 % der Patienten in der Etrasimod- 2 mg-Gruppe und bei 4,1 % in der Placebogruppe beobachtet (p=0,010). Auch in der Etrasimod-1 mg-Gruppe erreichten im Vergleich zur Placebogruppe mehr Patienten die Endpunkte. Die Ergebnisse waren allerdings statistisch nicht signifikant.</p> <h2>Moderate bis schwere Colitis ulcerosa: positive Resultate bei Erhaltungstherapie mit Mirikizumab</h2> <p>Mirikizumab, ein p19-IL-23-Antikörper, zeigte eine anhaltende Wirksamkeit und Sicherheit in der Erhaltungstherapie bei moderater bis schwerer Colitis ulcerosa. Die in Kopenhagen präsentierten Daten sind die ersten, die zeigen, dass ein gegen p19 gerichteter IL-23-Antikörper in der Erhaltungstherapie dieser Patientenpopulation wirksam ist.<sup>4</sup><br /> In die Studie eingeschlossen wurden Patienten, die zuvor an der Phase-II-Studie mit Mirikizumab als i.v. Induktionstherapie (ClinicalTrials.gov: NCT02589665) teilgenommen und bis zur 12. Woche ein klinisches Ansprechen gezeigt hatten (n=93). Diese Patienten wurden erneut randomisiert und mit 200 mg Mirikizumab s.c. alle 4 (q4w) oder alle 12 Wochen (q12w) behandelt. Am ECCO-Kongress wurden die Daten der über 52 Wochen laufenden Erhaltungstherapie vorgestellt. In der 52. Woche waren 46,8 % der Patienten in der q4w-Gruppe und 37 % in der q12w- Gruppe in klinischer Remission. Zusätzlich zeigten 80,8 % (q4w) bzw. 76,1 % (q12w) ein klinisches Ansprechen. Von den Patienten, die bereits in der 12. Woche in klinischer Remission gewesen waren, waren 61,1 % (q4w) bzw. 38,5 % (q12w) auch nach 52 Wochen noch in Remission. Von den Patienten, die nach 12 Wochen zwar ein klinisches Ansprechen, aber keine Remission gezeigt hatten, erreichten 37,9 % (q4w) bzw. 36,4 % (q12w) in der 52. Woche eine klinische Remission. Nur ein Patient beendete die Studie aufgrund von Nebenwirkungen.</p> <h2>Erster Head-to-head-Vergleich zweier Biologika</h2> <p>Last, but not least wurde am diesjährigen ECCO-Kongress auch der erste direkte Vergleich zweier Biologika vorgestellt. In der kontrollierten, doppelblinden Double-dummy- Multicenterstudie VARSITY wurden bei 769 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa (Mayo Score 6–12 und endoskopischer Subscore ≥2) die beiden monoklonalen Antikörper Vedolizumab (VDZ; Entyvio<sup>®</sup>) und Adalimumab (ADA; Humira<sup>®</sup>) miteinander verglichen (ClinicalTrials.gov: NCT02497469).<sup>5</sup> Die Patienten wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder VDZ 300 mg i.v. plus Placebo s.c. oder ADA 160/80/40 mg s.c. plus Placebo i.v. Die Dosierung der Aktivsubstanzen entsprach der Standarddosierung für Induktions- und Erhaltungstherapie, eine Dosiseskalation war nicht erlaubt. Primärer Endpunkt war die klinische Remission (Mayo Score ≤2 mit keinem Subscore >1) nach 52 Wochen.<br /> In der VDZ-Gruppe erreichten signifikant mehr Patienten nach 52 Wochen eine klinische Remission und eine Mukosaheilung als in der ADA-Gruppe (klinische Remission: 31,3 % vs. 22,5 % ; p=0,0061; Mukosaheilung [endoskopischer Subscore ≤1]: 39,7 % vs. 27,7 % ; p=0,0005). In Bezug auf die Rate an kortisonfreier Remission schnitt ADA numerisch, aber nicht signifikant besser ab als VDZ. Die Nebenwirkungsrate war beiden Gruppen vergleichbar.</p> <p> </p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1904_Weblinks_lo_innere_1904_s38_bild.jpg" alt="" width="550" height="437" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 14. ECCO-Kongress, Inflammatory Bowel Diseases, 6.–9.
März 2019, Kopenhagen
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Biedermann L et al.: OP06 Gut–brain axis revisited: shedding light on the mucosa-associated microbial composition in IBD patients with psychological distress, anxiety, and depression. Oral Presentation, 14. ECCO-Kongress, 6.–9. März 2019, Kopenhagen, Dänemark <strong>2</strong> Sandborn WJ et al.: OP37 Efficacy and safety of ustekinumab as maintenance therapy in ulcerative colitis: week 44 results from UNIFI. Oral Presentation, 14. ECCO-Kongress, 6.–9. März 2019, Kopenhagen, Dänemark <strong>3</strong> Peyrin-Biroulet L et al.: OP09 Histological remission and mucosal healing in a randomised, placebo-controlled, phase 2 study of etrasimod in patients with moderately to severely active ulcerative colitis. Oral Presentation, 14. ECCO-Kongress, 6.–9. März 2019, Kopenhagen, Dänemark <strong>4</strong> D’Haens GR et al.: OP38 Maintenance treatment with mirikizumab, a p19-directed IL-23 antibody: 52-week results in patients with moderately-to-severely active ulcerative colitis. Oral Presentation, 14. ECCO-Kongress, 6.–9. März 2019, Kopenhagen, Dänemark <strong>5</strong> Schreiber S et al.: OP34 VARSITY: A double-blind, double-dummy, randomised, controlled trial of vedolizumab versus adalimumab in patients with active ulcerative colitis. Oral Presentation, 14. ECCO-Kongress, 6.–9. März 2019, Kopenhagen, Dänemark</p>
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