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Der therapierefraktäre IBD-Patient

Therapie mittels Integrin-Antagonist Vedolizumab

<p class="article-intro">Seit Februar 2015 steht in der Schweiz mit dem humanisierten monoklonalen α4β7- Integrin-Antikörper Vedolizumab (Entyvio®) ein alternatives Biologikum mit einem neuartigen Wirkungsprinzip zur Behandlung von Patienten mit IBD zur Verfügung. Die Blockade des Integrinrezeptors α4β7 führt zu einer darmselektiven Inhibierung der Migration von Lymphozyten aus dem Gefässbett in die entzündete Darmmukosa.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Wirkungsprinzip</h2> <p>In der Pathophysiologie der chronischentz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen (CED) besteht eine &uuml;berschiessende Aktivierung des mukosalen Immunsystems, bei der eine gest&ouml;rte Mukosabarriere in genetisch pr&auml;disponierten Individuen eine wichtige Rolle spielt. Eine lokale Entz&uuml;ndung kann durch eindringende Antigene oder durch die Mikroflora des Darmes ausgel&ouml;st werden. Bei der Migration von Entz&uuml;ndungszellen in das Darmgewebe spielt das Adh&auml;sionsmolek&uuml;l &alpha;4&beta;7-Integrin, das auf aktivierten Lymphozyten exprimiert wird, eine Schl&uuml;sselrolle. Die aus dem Gef&auml;ssbett einwandernden Entz&uuml;ndungszellen binden &uuml;ber diesen Rezeptor an das auf den intestinalen Endothelzellen exprimierte mukosale Addressin-Zelladh&auml;sionsmolek&uuml;l 1 (MAdCAM1). Beide Adh&auml;sionsmolek&uuml;le auf dem Endothel und den Immunzellen sind f&uuml;r die Migrationsvorg&auml;nge von zentraler Bedeutung. Neben dem darmselektiven Integrin-Antagonisten Vedolizumab sind weitere Antik&ouml;rper mit &auml;hnlichem Wirkungsprinzip derzeit in Entwicklung.</p> <h2>Klinische Studien</h2> <p>Vedolizumab ist in placebokontrollierten Zulassungsstudien (Gemini I&ndash;III) bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Entz&uuml;ndung mit Colitis ulcerosa beziehungsweise mit Morbus Crohn im Rahmen einer Induktion und Remissionserhaltung untersucht worden.<sup>1, 2</sup> Aufgenommen wurden Patienten, bei denen zuvor mindestens eine konventionelle Therapie (z.B. Kortikosteroide, Immunmodulatoren) und/oder ein oder mehrere TNF-&alpha;-Antagonisten versagt hatten (einschliesslich prim&auml;rer Non-Responder, sekund&auml;rer Non-Responder und Patienten mit Unvertr&auml;glichkeit). Vedolizumab war bez&uuml;glich klinischen Ansprechens und klinischer Remission in beiden Endpunkten sowohl bei TNF-&alpha;-Antagonisten-naiven Patienten mit Colitis ulcerosa als auch bei Patienten mit einer erfolglosen TNF-&alpha;-Antagonisten- Vortherapie gegen&uuml;ber Placebo &uuml;berlegen. Hingegen suggerieren die Daten bei Patienten mit Morbus Crohn einen verz&ouml;gerten Wirkungseintritt. Zu beachten ist, dass fast 50 % der behandelten Crohnpatienten in der Induktionsphase der GEMINIII- Studie bereits mindestens eine erfolglose Behandlung mit einem TNF-&alpha;-Antagonisten hatten. Die Daten aus den oben genannten Zulassungsstudien werden im Wesentlichen in mehreren klinischen Postmarketingstudien best&auml;tigt.<sup>3&ndash;5</sup> Es werden in diesen Studien bei fehlendem Placebovergleich nach 54 Wochen Behandlung eine klinische Remission bis zu 50 % und eine steroidfreie Remission bis zu 30 % beschrieben. Auch hier scheinen das klinische Ansprechen sowie die Remissionsraten bei Patienten mit Morbus Crohn etwas geringer ausgepr&auml;gt zu sein als bei Patienten mit Colitis ulcerosa. TNF-&alpha;-Blocker-naive Patienten zeigen ein g&uuml;nstigeres Ansprechprofil bez&uuml;glich Vedolizumab als Patienten, die auf TNF- &alpha;-Blocker nicht angesprochen haben (inklusive Patienten mit Wirkungsverlust).<sup>6</sup> Nach einer mindestens 52-w&ouml;chigen Vedolizumab- Behandlung k&ouml;nnen gem&auml;ss einer vor Kurzem publizierten Studie eine Mukosaabheilung und histologische Remission in 30 % bei Patienten mit Colitis ulcerosa und ca. 20 % bei Morbus Crohn erwartet werden.<sup>7</sup></p> <h2>Therapieaspekte</h2> <p>Das empfohlene Dosierungsschema f&uuml;r die Behandlung mit Entyvio betr&auml;gt 300mg als intraven&ouml;se Kurzinfusion bei Start, nach zwei und sechs Wochen und danach alle acht Wochen. Dieser Zeitplan gilt f&uuml;r Colitis ulcerosa und Morbus Crohn gleichermassen. Es bestehen keine standardisierten Empfehlungen f&uuml;r Vorabkl&auml;rungen vor einer Therapie mit Vedolizumab. Da es sich um ein biologisches Medikament mit immunmodulatorischer Wirkung handelt, k&ouml;nnten Vorabkl&auml;rungen, wie sie bei der TNF-&alpha;-Blocker-Behandlung Standard sind, ratsam sein.<sup>8</sup><br /><br /> Aufgrund des darmselektiven Wirkungsprinzips zeigt sich bei Vedolizumab ein g&uuml;nstigeres Nebenwirkungsprofil als bei den TNF-&alpha;-Blockern. Die h&auml;ufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind Nasopharyngitis, Kopfschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, Husten, &Uuml;belkeit, Bauchschmerzen, Arthralgien, R&uuml;ckenschmerzen und M&uuml;digkeit. Schwere Infektionen und allergische Infusionsreaktionen sind nur selten beobachtet worden. Eine erh&ouml;hte Aufmerksamkeit in der Behandlung mit Vedolizumab sollte gleichwohl f&uuml;r opportunistische Infektionen und f&uuml;r Infektionen, bei denen der Darm als sch&uuml;tzende Barriere dient, gelten. Einige unspezifische Integrin-Antagonisten sind mit der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) in Verbindung gebracht worden, einer seltenen durch das Polyoma-John-Cunningham-Virus (JC-Virus) ausgel&ouml;sten und fatal verlaufenden opportunistischen Infektion des ZNS. In der Behandlung mit Vedolizumab wurden bisher keine F&auml;lle von PML beobachtet. Vorsichtig sollte bei Schwangerschaften vorgegangen werden, da zum aktuellen Zeitpunkt nur einzelne Fallberichte zur Anwendung von Entyvio bei Schwangeren vorliegen.<sup>9</sup> Entyvio sollte w&auml;hrend der Schwangerschaft zurzeit nur angewendet werden, wenn der therapeutische Nutzen f&uuml;r die Mutter die Risiken f&uuml;r das ungeborene Kind &uuml;berwiegt.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Der &alpha;4&beta;7-Integrin-Antik&ouml;rper Vedolizumab hat sich als effizient in der Induktions- und Remissionsbehandlung von Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn mit moderater bis schwerer aktiver Entz&uuml;ndung gezeigt. Entsprechend dem Wirkungsmechanismus muss jedoch die Therapie individuell angepasst werden, da es zu einem verz&ouml;gerten Wirkungseintritt kommen kann.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Feagan BG et al.: Vedolizumab as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med 2013; 369: 699-710 <strong>2</strong> Sandborn WJ et al.: Vedolizumab as induction and maintenance therapy for Crohnʼs disease. N Engl J Med 2013; 369: 711-21 <strong>3</strong> Amiot A et al.: Effectiveness and safety of vedolizumab induction therapy for patients with inflammatory bowel disease. Clin Gastroenterol Hepatol 2016; 14: 1593-601 <strong>4</strong> Amiot A et al.: One-year effectiveness and safety of vedolizumab therapy for inflammatory bowel disease: a prospective multicentre cohort study. Aliment Pharmacol Ther 2017; 46: 310-21 <strong>5</strong> Stallmach A et al.: Vedolizumab provides clinical benefit over 1 year in patients with active inflammatory bowel disease - a prospective multicenter observational study. Aliment Pharmacol Ther 2016; 44: 1199-212 <strong>6</strong> Sands BE et al.: Vedolizumab as induction and maintenance therapy for Crohnʼs disease in patients naive to or who have failed tumor necrosis factor antagonist therapy. Inflamm Bowel Dis 2017; 23: 97-106 <strong>7</strong> Noman M et al.: Vedolizumab induces long term mucosal healing in patients with Crohnʼs disease and ulcerative colitis. J Crohns Colitis 2017; doi: 10.1093/eccojcc/ jjx048. [Epub ahead of print] <strong>8</strong> Pache I et al.: TNF-alpha blockers in inflammatory bowel diseases: practical consensus recommendations and a userʼs guide. Swiss Med Wkly 2009; 139: 278-87 <strong>9</strong> Mahadevan U et al.: Vedolizumab exposure in pregnancy: outcomes from clinical studies in inflammatory bowel disease. Aliment Pharmacol Ther 2017; 45: 941-50</p> </div> </p>
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