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Typ-1-Diabetes

Pankreastransplantation als Therapieoption

<p class="article-intro">Seit Durchführung der ersten Bauchspeicheldrüsenverpflanzung im Jahre 1966 hat sich auf diesem Gebiet eine beachtliche Entwicklung vollzogen.<sup>1</sup> Dabei konnte sich die Pankreastransplantation zu einem etablierten Verfahren in der Therapie des insulinpflichtigen Diabetes mellitus entwickeln, wobei Fortschritte in der operativen Technik, der Organkonservierung und der Immunsuppression zu einer deutlichen Verbesserung der Patienten- und Transplantatüberlebensraten führten.<sup>2</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Einf&uuml;hrung</h2> <p>Eine langfristige und vollst&auml;ndige Wiederherstellung des Blutzuckergleichgewichtes kann trotz alternativer Methoden bisher nur durch eine Pankreastransplantation erreicht werden, da trotz exakter intensivierter exogener Insulintherapie hyper- und hypoglyk&auml;mische Episoden persistieren. Bei beinahe allen insulinpflichtigen diabetischen Patienten kommt es nach 10 bis 15 Jahren zu Sekund&auml;rkomplikationen, jedoch nur bei 50 % der Patienten werden diese auch symptomatisch. Zum Zeitpunkt der Diagnose ist es allerdings nicht m&ouml;glich, die f&uuml;r die Folgen der Blutzuckerschwankungen suszeptibleren Individuen zu erkennen.<br /> Auch wenn es sich bei der Pankreastransplantation nicht um einen unmittelbar lebensrettenden Eingriff handelt, so kommt es doch zu einem positiven Effekt in Bezug auf die Mortalit&auml;t und Morbidit&auml;t (Sekund&auml;rkomplikationen) und die Lebensqualit&auml;t der Patienten im Langzeitverlauf (Abb. 1).<sup>3</sup> Dies wird besonders bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz deutlich: Liegt die durchschnittliche Lebenserwartung eines dialysepflichtigen Typ-1-Diabetikers auf der Warteliste zur Transplantation (ohne Transplantation) bei 8 Jahren, so steigt sie bei einer Nierentransplantation auf 12,9 Jahre. Im Falle einer kombinierten Nieren-Pankreas- Transplantation steigt die durchschnittliche &Uuml;berlebenszeit auf 23,4 Jahre.<sup>4</sup><br /> Gem&auml;&szlig; dem Internationalen Pancreas Transplant Register (IPTR) sind die Transplantationszahlen weltweit r&uuml;ckl&auml;ufig, was mit einer besseren internistisch-nephrologischen Therapie und Betreuung der Diabetiker zusammenh&auml;ngt, deren Dialysepflicht nicht mehr fr&uuml;h, sondern erst im fortgeschrittenen Sp&auml;tsyndrom erfolgt, wo eine kombinierte Nieren-Pankreas-Transplantation oft keine sinnvolle Option mehr darstellt.<sup>3</sup> Weltweit wurden bisher ca. 40 000 Pankreastransplantationen durchgef&uuml;hrt, die Mehrzahl davon innerhalb der USA (Abb. 2).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s42_abb1.jpg" alt="" width="550" height="396" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s43_abb2.jpg" alt="" width="550" height="436" /></p> <h2>Indikation zur Pankreastransplantation</h2> <p>Die Indikation zur Pankreastransplantation muss immer in Zusammenhang mit der jeweils bestehenden Funktionseinschr&auml;nkung der Nieren und dem generellen klinischen Status des Patienten gesehen werden (Abb. 3).<sup>3</sup> Bei Typ-1-Diabetikern mit pr&auml;terminaler bzw. terminaler Niereninsuffizienz stellt die Nierentransplantation sicher im Moment das beste Nierenersatzverfahren dar. In Hinblick auf das begrenzte zus&auml;tzliche Risiko durch eine Pankreastransplantation ist die Indikation zur simultanen Nieren-Pankreas- Transplantation grunds&auml;tzlich gegeben. Eine pr&auml;emptive Nieren-Pankreas-Transplantation bei stark eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion (GFR &lt;40 ml/min), aber noch nicht eingetretener Dialysepflicht erscheint als ideal. Eine Pankreas-nach-Nieren- Transplantation ist beispielsweise bei einem erfolgreich nierentransplantierten Typ-1-Diabetiker m&ouml;glich. Eine alleinige Pankreastransplantation ist nur in sehr ausgew&auml;hlten F&auml;llen indiziert, zum Beispiel im Fall eines sehr schwer kontrollierbaren &bdquo;brittle Diabetes&ldquo; mit lebensbedrohlichen Hypo- und Hyperglyk&auml;mien. Auch kann eine Transplantation bei diabetischen Sonderformen wie dem LADA (&bdquo;late autoimmune diabetes in adults&ldquo;) oder einigen MODY-Typen (&bdquo;maturity onset of diabetes in the young&ldquo;) erwogen werden. Auch der pankreoprive Diabetes oder der Gestationsdiabetes stellen seltene Indikationen zur alleinigen Pankreastransplantation dar. Ebenfalls nur Einzelf&auml;llen vorbehalten bleiben sollte eine kombinierte Nieren-Pankreas-Transplantation Typ- 2-Diabetikern, welche s&auml;mtliche di&auml;tetischen Ma&szlig;nahmen ausgesch&ouml;pft haben und eine Nierentransplantation ben&ouml;tigen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s43_abb3.jpg" alt="" width="550" height="262" /></p> <h2>Auswahl der geeigneten Empf&auml;nger</h2> <p>Ziel der Voruntersuchungen vor der Listung ist es, vor allem das perioperative Risiko zu senken. Zus&auml;tzlich zu den obligaten Untersuchungen wie f&uuml;r eine alleinige Nierentransplantation sollten folgende Befunde vorliegen: Serum-HbA<sub>1c</sub>, ophthalmologischer Status, Status der peripheren Gef&auml;&szlig;e inklusive der Beckengef&auml;&szlig;e, Gastro- und Koloskopie sowie ein neurologischer Status mit Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit. Bez&uuml;glich des Empf&auml;ngeralters zeigte eine Studie keinen &Uuml;berlebensunterschied im Vergleich von j&uuml;ngeren Empf&auml;ngern mit Empf&auml;ngern &uuml;ber 60 Jahre.<sup>6</sup> Als Kontraindikationen f&uuml;r eine Pankreastransplantation gelten eine schwere (koronare) Herzerkrankung, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit Grad 4, das Vorhandensein eines Malignoms, eine Infektion, eine schwere psychische Erkrankung oder Incompliance. Die durchschnittliche Wartezeit f&uuml;r zur Pankreastransplantation gelistete Patienten betr&auml;gt in &Ouml;sterreich ca. 6 Monate. Es besteht ein im Vergleich zu Leber- und Nierentransplantationen eher ausgewogenes Verh&auml;ltnis zwischen ben&ouml;tigten Organen und verf&uuml;gbaren Spenderorganen. Der Bedarf an Spenderorganen in &Ouml;sterreich liegt bei ca. 3 bis 5 pro 1 Million Einwohner.</p> <h2>Ablauf der Transplantation</h2> <p>Als Organspender kommen grunds&auml;tzlich alle kreislaufstabilen, hirntoten Patienten zwischen 10 und 50 Jahren infrage, bei kurzem Intensivaufenthalt, geringem Katecholaminbedarf zur Kreislaufunterst&uuml;tzung und ohne Pankreaserkrankung. Im Rahmen der Entnahmeoperation und der Pr&auml;paration muss auf eine besonders behutsame Behandlung des weichen, parenchymat&ouml;sen Organs geachtet werden. Die kalte Isch&auml;miezeit sollte 12 Stunden nicht &uuml;berschreiten. Die gr&ouml;&szlig;te chirurgische Herausforderung ist das Management des exokrinen Saftes. Die derzeit g&auml;ngigste Technik umfasst eine heterotope Transplantation der gesamten Dr&uuml;se &uuml;ber eine mediane Laparotomie mit Gef&auml;&szlig;anschluss an die Arteria iliaca communis rechts und die Vena cava und exokrine enterale Drainage mittels D&uuml;nndarmanastomose des anhaftenden Duodenalsegmentes an das obere Jejunum. Dabei ist gegebenenfalls auch ein endoskopischer Zugang zur Beurteilung des Transplantates m&ouml;glich. Die zumeist simultan mittransplantierte Niere wird linksseitig an die &auml;u&szlig;eren Beckengef&auml;&szlig;e implantiert, der Ureter anschlie&szlig;end an die Blase. Postoperative Komplikationen lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen: chirurgische, infektiologische und immunologische. Zu den h&auml;ufigsten geh&ouml;ren Transplantatthrombosen (oft absto&szlig;ungsgetriggert), Wundinfektionen, Pankreasfisteln und die Transplantatpankreatitis, wobei die Rate an technischen Komplikationen bei 7 bis 9 % liegt.<sup>8</sup></p> <h2>Immunsuppression</h2> <p>Durch Verbesserung der immunsuppressiven Protokolle konnte die Rate an Absto&szlig;ungen innerhalb der ersten 12 postoperativen Monate auf unter 10 % gesenkt werden.<sup>9</sup> G&auml;ngige Protokolle umfassen zumeist eine Vierfachtherapie mit einer Induktionstherapie mit einem antilymphozyt&auml;ren Antik&ouml;rper (Thymoglobulin) in Kombination mit Tacrolimus (Prograf, Advagraf), Mycophenolatmofetil (Cellcept, Myfortic) und Prednisolon. Die Dauertherapie wird als Dreifachtherapie fortgef&uuml;hrt, wobei aufgrund der diabetogenen Nebenwirkung Wert auf ein sehr fr&uuml;hes Ausschleichen des Kortisons gelegt wird.</p> <h2>Ergebnisse und Prognose</h2> <p>Gem&auml;&szlig; Daten des International Pancreas Transplant Registry (IPTR) und im eigenen Kollektiv liegen die 1-Jahres-Patienten&uuml;berlebensraten bei der kombinierten Nieren-Pankreas-Transplantation deutlich &uuml;ber 95 % , die 1- und 5-Jahres- Transplantat&uuml;berlebensraten bei &uuml;ber 88 % bzw. 76 % (Abb. 4).<sup>10</sup> Auch wenn die Akzeptanz in der diabetologischen Community vielerorts immer noch zur&uuml;ckhaltend ist, hat sich das Verfahren als sicherer Standardeingriff etabliert. Die Transplantatverluste durch chronische Absto&szlig;ung sind in der Gruppe der simultanen Nieren- Pankreas-Transplantation &uuml;berraschend gering. Die Transplantation f&uuml;hrt zu einer vollst&auml;ndigen Normalisierung des Glukosestoffwechsels, die Patienten ben&ouml;tigen kein exogenes Insulin mehr, m&uuml;ssen keine Di&auml;t mehr halten und haben ein v&ouml;llig normales Blutzuckertagesprofil sowie einen normalen HbA<sub>1c</sub>-Wert. Dadurch kann das Auftreten oder Fortschreiten von diabetischen Sp&auml;tsch&auml;den verhindert bzw. verz&ouml;gert werden. Es gibt allerdings bei den diabetischen Sp&auml;tsch&auml;den immer einen &bdquo;point of no return&ldquo;, nach dessen &Uuml;berschreitung keine Verbesserung mehr eintritt. Patienten mit geringen Sp&auml;tsch&auml;den profitieren daher von einer Pankreastransplantation am meisten. Unabh&auml;ngig davon berichten aber praktisch alle Patienten nach einer erfolgreichen Transplantation von einer eklatanten Zunahme an Leistungsf&auml;higkeit, allgemeiner Lebensqualit&auml;t und subjektivem Wohlbefinden. Neben diesen bereits fr&uuml;hzeitig nachweisbaren Effekten der Pankreastransplantation ist zwischenzeitlich klar, dass langfristig, d.h. &uuml;ber einen Zeitraum von 10 Jahren, die Lebenserwartung von niereninsuffizienten Typ-1-Diabetikern nach erfolgreicher Nieren-Pankreas-Transplantation hochsignifikant besser ist als nach isolierter Nierentransplantation. Dies ist vor allem auf eine verringerte kardiovaskul&auml;re Mortalit&auml;t zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Unter diesem Aspekt sollte grunds&auml;tzlich bei jedem Patienten ohne relevante Kontraindikation die kombinierte Nieren-Pankreas-Transplantation der isolierten Nierentransplantation vorgezogen werden.<sup>10</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s44_abb4.jpg" alt="" width="550" height="663" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kelly WD et al.: Allotransplantation of the pancreas and duodenum along with the kidney in diabetic nephropathy. Surgery 1967; 61: 827-37 <strong>2</strong> White SA et al.: Pancreas transplantation. Lancet 2009; 23: 1808-17 <strong>3</strong> Arbogast H: Indikation und Ergebnisse der simultanen Nieren-Pankreastransplantation. Nephrologe 2011; 6: 418-27 <strong>4</strong> Ojo AO et al.: Long-term benefit of kidney-pancreas transplants in type 1 diabetics. Transplant Proc 2001; 33: 1670-2 <strong>5</strong> Gruessner AC, Gruessner RW: Pancreas transplantation of US and non-US cases from 2005 to 2014 as reported to the United Network for Organ Sharing (UNOS) and the International Pancreas Transplant Registry (IPTR). Rev Diabet Stud 2016; 13: 35-58 <strong>6</strong> Shah AP et al.: Impact of recipient age on whole organ pancreas transplantation. Clin Transplant 2013; 27: E49-55 <strong>7</strong> Ollinger R et al.: Evolution of pancreas transplantation: long-term results and perspectives from a high-volume center. Ann Surg 2012; 256: 780-6; discussion 786-7 <strong>8</strong> Troppmann C: Complications after pancreas transplantation. Curr Opin Organ Transplant 2010; 15: 112-8 <strong>9</strong> Sutherland DE et al.: Lessons learned from more than 1,000 pancreas transplants at a single institution. Ann Surg 2001; 233: 463-501 <strong>10</strong> J&auml;nigen M, Hopt U: Pankreastransplantation. Kap. 23 in: Becker H, Ghadimi BM: Allgemein- und Viszeralchirurgie II. Urban und Fischer, 2015</p> </div> </p>
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