
Oberbauchdruck und -schmerz
Autor:
PD Dr. med. Heiko Frühauf
Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie
Vulkanplatz 8
8048 Zürich
E-Mail: fruehauf@zgh.ch
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Der erste Schritt zur Diagnose und zum therapeutischen Management von Oberbauchbeschwerden ist die möglichst detaillierte Analyse der verschiedenen Schmerzparameter sowie der zusätzlichen Leitsymptome.
Zur differenzialdiagnostischen Einordnung von Oberbauchschmerzen im Hinblick auf die zugrunde liegende Ätiologie müssen im Sinne einer «Profildiagnostik» weitere Parameter herangezogen werden, die im Folgenden näher beleuchtet werden:
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Beginn und Verlauf (akut vs. chronisch bzw. chronisch rezidivierend),
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Leitsymptome (wie Übelkeit, Erbrechen, Reflux, Blähungen, Diarrhö, Ikterus, Fieber),
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Schmerzlokalisation (z.B. epigastrisch, periumbilikal, rechts/links im Ober-/Unterbauch),
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Schmerzausstrahlung (z.B. Brust, rechte oder linke Schulter/Flanke, gürtelförmig),
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Schmerzcharakter (dumpf vs. stechend),
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Schmerzmuster (z.B. kolikartig, undulierend zunehmend, anhaltend, postprandial) und
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Schmerzintensität.
So ist ein kolikartiges Schmerzmuster typisch für Gallensteinerkrankungen oder auch einen Darmverschluss oder Volvulus. Ein akuter, heftig einsetzender Schmerz, der im Verlauf undulierend zunimmt, muss an ein perforiertes peptisches Ulkus oder eine Gallenblasenperforation denken lassen. Eine langsam progrediente Schmerzsymptomatik ist hingegen für Entzündungen der Gallenblase, des Pankreas, des Blinddarms oder auch eine Divertikulitis typisch (Abb. 1).
Darüber hinaus ist die Häufigkeit bzw. die A-priori-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines bestimmten Krankheitsbildes in der Allgemeinbevölkerung zu berücksichtigen. So sind beispielsweise chronische und chronisch rezidivierende Abdominalschmerzen in mehr als der Hälfte der Fälle nicht somatisch, sondern funktionell bedingt im Sinne einer funktionellen Dyspepsie oder eines Reizdarmsyndroms (Colon irritabile, «irritable bowel syndrome» [IBS]). Auch ist eine gastroösophageale Refluxerkrankung viel häufiger als ein peptisches Ulkus oder eine symptomatische Cholelithiasis und diese wiederum häufiger als z.B. eine akute Pankreatitis.
Akute Schmerzen des Abdomens
Ein plötzlich einsetzender, heftiger abdominaler Schmerz, oft in Verbindung mit Erbrechen, einem Stuhlverhalt oder gar dem Auftreten einer Schocksymptomatik bzw. Sepsis muss in erster Linie an eine Peritonitis, z.B. infolge einer Organperforation, denken lassen. Diagnostisches Leitsymptom bei der körperlichen Untersuchung ist das Vorhandensein einer Abwehrspannung.
Die Erhebung der genauen Schmerzlokalisation und das Vorhandensein von weiteren Leitsymptomen wie epigastrischen Schmerzen oder Reflux-Symptomen, Nausea, Diarrhö oder Schmerzen im rechten Abdomen, in der Flanke oder das Vorhandensein eines Ikterus erlauben die erste differenzialdiagnostische Zuordnung der Schmerzsymptomatik zum Symptomkomplex Dyspepsie, entzündliche/infektiöse oder funktionelle Darmerkrankung oder lenken den Verdacht auf eine hepatobiliäre oder Pankreaserkrankung. Einen Überblick gibt Abbildung 2.
Abb. 2: Differenzialdiagnose abdominaler Schmerzen anhand von Beginn/Verlauf und weiteren wichtigen Leitsymptomen (modifiziert nach Battegay E (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose. 20. Aufl., Stuttgart: Thieme, 2012)
Chronische oder chronisch rezidivierende abdominale Schmerzen
Schmerzlokalisation im Oberbauch mit Ausstrahlung in die Brust: Dyspeptische Beschwerden wie Magenbrennen, ein Druckgefühl im Oberbauch oder hinter dem Sternum, häufiger aber noch Sodbrennen, teils in Verbindung mit Luftaufstossen, Regurgitationen oder Schluckbeschwerden sind typisch für eine (nicht erosive) gastroösophageale Refluxerkrankung oder eine Refluxösophagitis. Die Beschwerden treten typischerweise intermittierend nach voluminösen Mahlzeiten oder nachts auf. Eine Gastroskopie mit Biopsien erlaubt die Diagnose einer Refluxösophagitis und die Abgrenzung wichtiger Differenzialdiagnosen wie peptischer Ulzera. Bei typischen Refluxbeschwerden kann auch ein Versuch mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) gegebenenfalls in Kombination mit der Gabe von Prokinetika erfolgen, da etwa 10% der Bevölkerung von Refluxbeschwerden betroffen sind. Bei belastungsabhängigen thorakalen Schmerzen oder auch Luftnot muss eine Angina pectoris/koronare Herzerkrankung oder eine Perikarditis als kardiale Ursache für einen Thoraxschmerz ausgeschlossen werden. Diagnostisch schwieriger zu fassen sind funktionelle Krankheitsbilder wie seltenere Motilitätsstörungen (Achalasie, Ösophagusspasmen) und die Abgrenzung einer nicht erosiven Refluxerkrankung von einer funktionellen Dyspepsie vom Refluxtyp (epigastrisches Schmerzsyndrom) oder einer funktionellen Dyspepsie vom Dysmotilitätstyp («postprandial distress syndrome»), die sehr häufig sind. Diese kann mit einer hochauflösenden Ösophagusmanometrie oder einer Langzeit-pH-Metrie, entweder als kabelgebundene 24-Stunden-Impedanz-pH-Metrie oder als drahtlose 48- oder 96-Stunden-pH-Metrie mit der drahtlosen BRAVO®-Kapsel, erfolgen. Zusätzlich erfolgt bei der pH-Metrie eine Symptomerfassung, die eine Korrelation der Symptomatik mit Refluxepisoden ermöglicht.
Während die nicht erosive Refluxerkrankung durch eine pathologische Säureexposition des distalen Ösophagus und eine erhöhte Anzahl teils lang andauernder Refluxepisoden gekennzeichnet ist, ist die Säurebelastung des Ösophagus bei der funktionellen Dyspepsie normal.
Bei der Sonderform, dem hypersensitiven Ösophagus, liegt eine normwertige Säurebelastung der Speiseröhre vor, wobei die einzelnen Refluxepisoden aber jeweils signifikant und korrekt wahrgenommen werden.
Die Impedanzanalyse erlaubt zudem den Nachweis nicht saurer Refluxepsioden und die Diagnostik von Aerophagiesyndromen wie dem «supragastric belching», die aber vergleichsweise selten vorkommen.
Während die klassischen Refluxbeschwerden typischerweise gut auf eine PPI-Therapie ansprechen, kommt bei der funktionellen Dyspepsie eine Therapie mit Iberogast® und bei hypersensitivem Ösophagus auch eine niedrig dosierte Therapie mit einem trizyklischen Antidepressivum, wie z.B. Amitryptilin 10mg, in der Indikation als viszerales Analgetikum zum Einsatz.
Blähungen, das Gefühl eines distendierten Abdomens und ein Oberbauchdruckgefühl wechselnder Intensität, insbesondere nach dem Essen und häufig abhängig vom Genuss ballaststoffhaltiger Nahrungsmittel sind ebenfalls sehr häufige Symptome in der gastroenterologischen Sprechstunde. Im Vordergrund der Diagnostik steht der Ausschluss einer Laktoseintoleranz oder einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms. Als Testverfahren steht ein genetischer Laktasetest zur Verfügung, der in der Schweiz aber nicht kassenpflichtig ist. Eine primäre Laktoseintoleranz liegt nur bei homozygoter Mutation im Laktasegen (LCT-13910: CC) vor, während Individuen mit mindestens einer Kopie des T-Allels die Fähigkeit haben, Laktose zu verdauen. Alternativ kann ein Wasserstoff(H2)-Atemtest nach Laktosebelastung erfolgen. Dieser ermöglicht zusätzlich die Erfassung typischer abdominaler Beschwerden wie Blähungen, Nausea, Bauchschmerzen, Darmgeräusche und Durchfall. Wird kein H2-Anstieg in der Ausatemluft gemessen und treten auch keine Beschwerden auf, liegen weder eine Laktoseintoleranz noch eine bakterielle Fehlbesiedlung vor. Kommt es durch bakteriellen Metabolismus bisher nicht resorbierter Laktose im Kolon nach mehr als 60–90 Minuten zu einem H2-Anstieg, spricht dies für eine Laktoseintoleranz. Wird der H2-Anstieg bereits früher beobachtet und treten auch schon sehr früh typische Abdominalbeschwerden auf, muss von einer ggf. zusätzlich bestehenden bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms ausgegangen werden. Diese kann alternativ auch mittels Gastroskopie und Duodenalsaftanalyse mit Bestimmung der Keimzahl von aeroben und anaeroben Bakterien im Duodenalsekret diagnostiziert werden. Therapeutisch kommt eine laktosefreie Diät und bei absehbaren Diätfehlern, wie z.B. bei einem Restaurantbesuch, auch die Substitution von Laktase in Betracht. Eine bakterielle Fehlbesiedlung wird antibiotisch behandelt, z.B. mit Metronidazol 2x 500mg/d für 10 Tage oder nach Kostengutsprache auch mit Rifaximin, das in der Schweiz aber nur bei hepatischer Enzephalopathie zugelassen ist.
Epigastrische Schmerzen können ferner auf eine Gastritis oder auch ein peptisches Ulkus hinweisen, das heutzutage im Vergleich zur Gastritis deutlich seltener, aber potenziell komplikationsträchtiger (Blutung, Perforation) ist. Meist wird ein anhaltender, im Verlauf zunehmender Oberbauchdruckschmerz in Verbindung mit Appetitlosigkeit oder Übelkeit und Erbrechen beschrieben. Die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) oder regelmässiger Alkoholkonsum sind anamnestisch wegweisend. Typisch für das Ulcus duodeni ist ein Nüchternschmerz, der auch rechts der Medianlinie im Oberbauch liegen kann und sich nach Nahrungsaufnahme bessert. Die Diagnose wird mittels Gastroskopie und Histologie inklusive Helicobacter-Nachweis gestellt. Die Therapie besteht in der Gabe von PPI und ggf. einer Helicobacter-Eradikationstherapie sowie dem Meiden auslösender Ursachen wie NSAR. Wichtige Differenzialdiagnosen umfassen neben der Refluxerkrankung oder der funktionellen Dyspepsie auch eine koronare Herzerkrankung, Gallensteine, eine Pankreatitis oder radikuläre Schmerzen. Das Magenkarzinom macht hingegen nur einen sehr kleinen Anteil (2%) der Ätiologie dyspeptischer Beschwerden aus, muss aufgrund der schlechten Prognose und der bei Diagnosestellung erheblichen therapeutischen Konsequenz aber endoskopisch gewissenhaft ausgeschlossen werden.
Rechtsseitige Oberbauchschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Flanke oder in die Schultern und den Rücken deuten auf eine Cholelithiasis hin. Typisch ist ein zunehmender heftiger Schmerz, der 1–4 Stunden nach der Nahrungsaufnahme auftritt, typischerweise in Verbindung mit Übelkeit, teils auch mit Erbrechen. Diagnostisch wegweisend ist die Sonografie der Gallenblase und der Gallenwege. Therapeutisch ist neben einer analgetischen und spasmolytischen Therapie (z.B. mit Metamizol oder N-Butylscopolamin) im weiteren Verlauf und nach Ausschluss von Differenzialdiagnosen (Dyspepsie, Reflux, Gastritis, peptische Ulzera) die Cholezystektomie indiziert. Differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden müssen eine Choledocholithiasis und eine biliäre Pankreatitis.
Treten zusätzlich Fieber und erhöhte Entzündungs- und Cholestaseparameter (Leukozytose oder Erhöhung von CRP, alkalischer Phosphatase und GGT) oder auch ein Ikterus auf, liegt eine Cholangitis vor. Sonografisch kann anhand einer dreigeschichteten Gallenblasenwand, die dann häufig auch wandverdickt (>3mm) ist und mit einem positiven Murphy-Zeichen einhergeht, eine akute Cholezystitis abgegrenzt werden. Die Sensitivität und Spezifität der sonografischen Diagnostik liegen bei 95%. Eine rasche Cholezystektomie im akuten Intervall zeigt bessere Ergebnisse und ist kosteneffizienter als die konservative Akuttherapie mit einer Cholezystektomie erst im schmerzfreien Intervall nach mehr als 6 Wochen. Deshalb sollte frühzeitig ein interdisziplinäres Management angestrebt werden.
Epigastrische Schmerzen mit gürtelförmiger Ausstrahlung in beide Flanken deuten auf eine akute Pankreatitis hin. Die Diagnose beruht neben den charakteristischerweise plötzlich einsetzenden, heftigen und rasch zunehmenden Oberbauchdauerschmerzen auf einer Erhöhung der Lipase (>3x obere Normgrenze [ULN]) und einer typischen Bildgebung mit dem Nachweis eines Ödems oder von Nekrosen in der Computertomografie >24 Stunden nach Schmerzbeginn. Die häufigsten Ursachen sind Alkohol (40%) und Gallensteine (40%). Seltenere Ursachen umfassen die Pankreatitis nach einer endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikografie (Post-ERCP-Pankreatitis), Hypertriglyzeridämien, Traumata oder hereditäre Formen. In 10% der Fälle liegt eine idiopathische Pankreatitis vor. Aufgrund der heftigen Schmerzsymptomatik wird die Diagnose in der Regel auf einer Notfallstation eines Spitals interdisziplinär gestellt.
Im Falle einer biliären Pankreatitis, die wenig invasiv sehr gut durch eine endosonografische Diagnostik oder auch mittels Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) bewiesen werden kann, erfolgt die therapeutische ERCP mit Papillotomie zur Steinextraktion und die Cholezystektomie im Verlauf.
Im klinischen Alltag sind häufig Kombinationen aus einer nicht erosiven Refluxerkrankung bei Hiatushernie oder einer funktionellen Dyspepsie und einer Cholelithiasis zu beobachten. Die gewissenhafte Analyse der Schmerzlokalisation, der Schmerzintensität, des Zusammenhangs mit der Nahrungsaufnahme sowie des Schmerzcharakters und der Ausstrahlung in Kombination mit Laborparametern und der Beurteilung des Ansprechens auf eine PPI-Therapie erlaubt häufig dennoch, die Diagnose und die Indikation zur Cholezystektomie korrekt zu stellen.
Abbildung 3 fasst die Differenzialdiagnose von Oberbauchdruck und -schmerzen, die Schmerzlokalisation und -ausstrahlung nochmals schematisch zusammen.
Abb. 3: Differenzialdiagnose von Oberbauchdruck und -schmerzen anhand der Schmerzlokalisation und -ausstrahlung (modifiziert nach Battegay E (Hrsg.): Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten. 21. Aufl., Stuttgart: Thieme, 2017)
Literatur:
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