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Der verlorene Patient zwischen Säureblockern und Operation
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Sebastian F. Schoppmann
F.A.C.S<br> Stv. Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeinchirurgie<br> Universitätsklinik für Chirurgie, Medizinische Universität Wien<br> Leitender Oberarzt Upper -GI<br> Leiter CCC GE-Unit Tumors Unit (CCC-GET)<br> E-Mail: sebastian.schoppmann@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
12.09.2019
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<p class="article-intro">„Wenn der Reflux von Mageninhalt störende Symptome und/oder Komplikationen verursacht“, dann definiert die Montreal-Klassifikation diesen als gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD).Das heißt, sowohl Patienten mit typischen oder auch atypischen Beschwerden als auch Patienten ohne Symptome, aber mit Komplikationen (wie Strikturen oder Barrett-Ösophagus) werden so mit GERD diagnostiziert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>GERD-Therapie ist multidisziplinär und spezialisiert.</li> <li>Sphinkteraugmentation ist das Modewort der neuen operativen Anti-Reflux- Therapie.</li> </ul> </div> <p>Zwei große Bevölkerungs-basierte Studien, die die Daten von mehr als 70 000 Menschen erfassen, haben rezent gezeigt, dass GERD mit einer Inzidenz von 17 % und einem Prävalenzanstieg von über 45 % in den letzten 10 Jahren eine der häufigsten gutartigen Erkrankungen der heutigen Zeit darstellt. Dies äußert sich auch darin, dass in den USA die jährlichen Behandlungskosten von Patienten mit atypischen GERD-Symptomen (über 50 Mrd. US-Dollar/Jahr) nahe an die der Behandlung von Krebserkrankungen heranreicht.</p> <h2>Intensivere Diagnostik und Therapie notwendig</h2> <p>Chronische GERD ist als stärkster Risikofaktor für die Entstehung des Adenokarzinoms des distalen Ösophagus etabliert und rezent auch in den S3-Leitlinien so festgelegt. Dies führt zu dramatischen Berechnungen, die zeigen, dass im Jahr 2030 in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich einer von 100 Männern an einem GERD-assoziierten Ösophaguskarzinom erkranken wird.<br /> Diese Erkenntnisse führen zu der dringenden Notwendigkeit, die Diagnostik und Therapie der gastroösophagealen Refluxerkrankung zu überdenken und zu intensivieren.<br /> Ein Blick auf die aktuellen Behandlungsstrategien zeigt, dass der überwiegende Anteil der Patienten mit diagnostizierter GERD medikamentös mit Säureblockern (PPI) behandelt wird. In den meisten Ländern liegt der Anteil jener Patienten, die einer operativen Anti-Reflux-Therapie (ART) zugeführt werden, weit unter 1 %.<br /> Allerdings sind etwa 30 % der Patienten, die unter medikamentöser Therapie stehen, mit dieser aus unterschiedlichsten Gründen (therapierefraktär, Nebenwirkungen, starke Regurgitation, keine lebenslange Medikamenteneinnahme erwünscht) nicht zufrieden (Abb. 1). Diese Patienten werden aber gleichzeitig wegen der teilweise berechtigten Skepsis gegenüber operativen Behandlungsverfahren nicht über die eventuellen Möglichkeiten einer operativen Anti-Reflux-Therapie aufgeklärt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1903_Weblinks_j_infekt_1903_s26_abb1_schoppmann.png" alt="" width="640" height="356" /></p> <h2>Alternative operative Optionen der Anti-Reflux-Therapie</h2> <p>In den vergangenen Jahren haben mehrere alternative laparoskopische und endoskopische Anti-Reflux-Therapien den Weg in die klinische Erprobung gefunden (Injektionstherapien, Stretta als auch Y-Roux BP werden hier nicht erläutert).</p> <p><strong>Endoskopische Plikationsmethoden (TIF2.0)</strong> <br />Eine der ersten Methoden, die als mögliche Alternative zur laparoskopischen Fundoplikation entwickelt wurde, war die endoskopische Vollwandplikation. Anfangs gab es auf dem Markt noch verschiedene Instrumente, die allerdings alle das gleiche Ziel hatten: die Schaffung einer Vollwanddoppelung im Bereich des gastroösophagealen Übergangs und damit die Augmentation des unteren Ösophagussphinkters.<br /> Zusammenfassend kann man sagen, dass die anfänglich sehr vielversprechenden Ergebnisse – sowohl was die messbaren (pH-Metrie) als auch die subjektiven Parameter angeht –, im Langzeitverlauf nicht bestätigt werden konnten. So zeigten nach einem Untersuchungszeitraum von 3 Jahren nur noch 35 % der Patienten ein Ansprechen und weniger als 40 % waren unabhängig von einer PPI-Therapie. Umwandlungsraten zu einer Fundoplikation innerhalb der ersten 3 Jahre werden mit bis zu 40 % beschrieben.</p> <p><br /> <strong>Magnetische Sphinkteraugmentation (LINX)<br /></strong> Vor rund 10 Jahren wurde eine laparoskopische Methode mit Implantation eines magnetischen Titanrings vorgestellt, mit dem Ziel der Erreichung einer kürzeren Hochdruckzone (Sphinkteraugmentation). Zusammenfassend zeigen aktuelle Studienergebnisse ein mit der Fundoplikation vergleichbares Outcome (85 bis 90 % subjektive Verbesserung) bei reduzierten Dysphagie- und Bloatingraten. Die Befürchtung einer hohen Transmigrationsrate wurde in der Langzeituntersuchung nicht bestätigt. Fallkontrollierte Studien im Vergleich zur Standardmethode der laparoskopischen Fundoplikation können aber die nach wie vor fehlende prospektiv randomisierte Vergleichsstudie nicht ersetzen.</p> <p><strong>Elektrische Sphinkteraugmentation (EndoStim)<br /></strong> Seit etwa 5 Jahren existiert mit der elektrischen Sphinkteraugmentation eine weitere operative Anti-Reflux-Option. Mit der Implantation zweier kleiner Elektroden in den unteren Ösophagussphinkter, die von einem subkutan implantierten Generator den Muskel 12- bis 16-mal am Tag stimulieren, soll diese Methode eine nebenwirkunsfreie Alternative darstellen. Es existieren hierzu vielversprechende 2-Jahres- Ergebnisse von einer allerdings sehr kleinen Patientenkohorte, welche eine wirkliche Schlussfolgerung über den klinischen Stellenwert derzeit nicht zulassen. Eine mögliche klinische Relevanz könnte die Methode bei Patienten mit GERD und ausgeprägter Motilitätsstörung der Speiseröhre erlangen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Zusammenfassend ist zu sagen, dass durch die sogenannten verlorenen Patienten und die zunehmende Skepsis gegenüber medikamentöser Langzeittherapie die operative Therapie der gastroösophagealen Refluxerkrankung eine „Renaissance“ erfährt. Auch die Stellung der chirurgischen Therapie als „letzte Option“ scheint einer neuen Diskussion unterworfen. So werden vor allem die Sphinkteraugementationsverfahren in Studien bei sogenanntem frühem Reflux eingesetzt.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Um dieser Renaissance eine Chance zu geben, müssen die operativen Anti-Reflux- Verfahren beweisen, dass sie mit niedriger Morbidität, deutlich reduzierten Nebenwirkungsraten und hoher Sicherheit dem Patienten einen stabilen Langzeiteffekt bringen können. Schlüssel hierzu sind Spezialisierung, Zentralisierung, Individualisierung und ganzheitlicher Therapieansatz – also multidisziplinäre Therapiezentren.</p></p>
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