
Neues Pflegegesetz bringt Reformen und Bedenken
Der Bundesrat will mit neuen Gesetzen die Pflege stärken. Leistungserbringer kritisieren fehlende Finanzierung und enge Vorgaben.
Bern. Der Bundesrat hat zwei neue Gesetzesentwürfe verabschiedet, mit denen er die zweite Etappe der Pflegeinitiative umsetzen will. Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen und die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in der Pflege zu verbessern, um den Beruf langfristig attraktiver zu machen und frühzeitige Berufsaustritte zu verringern. Das neue Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) enthält Regelungen in zehn Bereichen, darunter Mindestvorgaben für Dienstpläne, Arbeitszeiten und Lohnzuschläge. Parallel dazu wird das Gesundheitsberufegesetz angepasst, um Advanced Practice Nursing (APN) als Beruf mit klaren Voraussetzungen zu definieren.
Der Bundesrat reagiert damit auf den zunehmenden Bedarf an Pflegepersonal angesichts der Alterung der Bevölkerung und des anhaltenden Fachkräftemangels. Mit einer Reduktion der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 45 Stunden, einer Normalarbeitszeit von 40 bis 42 Stunden und verbindlichen Ausgleichsregelungen für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit soll die Gesundheit des Pflegepersonals besser geschützt werden. Ergänzend dazu sollen die Sozialpartner künftig verpflichtet sein, Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu verhandeln, wobei Abweichungen vom Gesetz möglich sind – zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen bleiben davon jedoch unberührt.
Kritik an den Plänen kommt von den Verbänden der Leistungserbringer – ARTISET, CURAVIVA, ASPS, H+, senesuisse und Spitex Schweiz. Sie halten das BGAP in der aktuellen Form für keine taugliche Lösung. Insbesondere bemängeln sie, dass die Finanzierung der geplanten Massnahmen – mit potenziellen Mehrkosten von ein bis zwei Milliarden Franken jährlich – nicht sichergestellt ist. Sie warnen davor, dass neue Regulierungen die betriebliche Flexibilität einschränken, die Sozialpartnerschaft schwächen und letztlich an den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden vorbeizielen könnten. Bereits im Rahmen der Vernehmlassung hatten die Verbände ihre Besorgnis über die möglichen Folgen für die Wirtschaftsfreiheit und die Versorgungssicherheit geäussert.
Die Arbeitgebervertreter fordern eine solide und faire Finanzierung durch Bund und Kantone, die laut Artikel 117 b der Bundesverfassung verpflichtet seien, eine für alle zugängliche Pflege von hoher Qualität sicherzustellen. Ohne eine solche Grundlage drohten die Massnahmen ins Leere zu laufen. Neben den Kosten für kurzfristige Dienstplanänderungen kritisieren die Verbände die geplante Arbeitszeitreduktion, da sie zu einer deutlichen Reduktion der Arbeitskapazität führen könne – in einem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt. Zudem sehen sie eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen und warnen vor zusätzlichen Belastungen durch notwendige Ausweitungen der neuen Standards auf weitere Bereiche. (kagr)
Quellen: BAG, H+
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