
Zwischen Dauerbrennern und Brandaktuellem
Bericht: Hanna Gabriel,MSc
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Karzinogenese, Affenpocken, Kunstgeschichte − auf den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen (ZDFT) wurde wieder eine beeindruckend breite Palette an Präsentationen vorgetragen. Die Tagung fand grossen Anklang und lud ihre Teilnehmer zu Austausch und interaktiver Teilnahme ein. Einige Themen aus dem Repertoire der Fortbildung haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Aus aktuellem Anlass: Wissenswertes zu Affenpocken
Affenpocken werden derzeit vielerorts diskutiert, so auch bei den ZDFT. Dr. med. Fabienne Fröhlich vom Universitätsspital Zürich begann ihren Vortrag damit, ein erstes Missverständnis aufzuklären: Zwar wurden Affenpocken an Laboraffen identifiziert und nach ihnen benannt, das Erregerreservoir sind aber Nagetiere. Beim Erreger der Affenpocken handelt es sich um ein doppelsträngiges DNA-Virus aus der Familie der Orthopoxviren, zu denen auch die echten Pocken gehören. Obwohl er normalerweise als Zoonose auftritt, ist beim aktuellen Ausbruch vor allem die Übertragung zwischen Menschen zentral. Sie geschieht über Tröpfcheninfektionen bei längerem Kontakt oder durch Kontaktinfektionen über die Haut und Schleimhäute durch Sekret, Blut oder kürzlich kontaminierte Gegenstände. Eine Übertragung durch Sperma oder Vaginalsekret ist bisher ungeklärt, jedoch wird von einer Verbreitung über Schleimhautkontakt beim Geschlechtsverkehr ausgegangen, wobei Männer, die mit Männern Sex haben, ein erhöhtes Risiko aufweisen. Die Inkubationszeit beträgt ca. 12 Tage.
Das klinische Bild der Affenpocken-Infektion ähnelt dem der echten Pocken. In der virämischen Phase treten zunächst Allgemeinsymptome (Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, Lymphadenitis) auf, gefolgt von feinfleckigem Exanthem. Fast gleichzeitig kommt es zum Ausbruch eines typischen Pockenexanthems, bei dem aus Papeln Pusteln mit typischer zentraler Nabelung werden. In Afrika zeigten sich erste Manifestationen häufig im Gesicht, verbreiteten sich über den Körper und endeten mit akrofazialer Ausprägung. Insgesamt dauert die Krankheit etwa 2−4 Wochen an, wonach die kutanen Befunde unter Narbenbildung abheilen.
Für die Diagnostik bieten sich mehrere Möglichkeiten an, etwa eine Kultur, PCR, der «enzyme-linked immunosorbent assay» (ELISA) oder die Immunfluoreszenz. Optimalerweise wird aus dem Pustelinhalt ein Abstrich gewonnen und der Patient sofort isoliert. Ein klinischer Befund zu laborbestätigten Affenpocken-Fällen ist dem zuständigen Kantonsärztlichen Dienst innerhalb von 24 Stunden zu melden.
Der Verlauf ist meist mild und die Effloreszenzen mit lokal desinfizierenden und austrocknenden Massnahmen symptomatisch behandelbar. Während der Inkubationszeit ist eine postexpositionelle Pockenschutzimpfung möglich. Speziell bei jungen oder alten und immunsupprimierten Patienten können schwere Verläufe auftreten, bei denen eine antivirale Therapie mit Tecovirimat erwogen werden kann, das in der Schweiz allerdings derzeit nicht zugelassen ist. In Afrika liegt die Mortalität bei ca. 10% und auch ausserhalb Afrikas wurden bereits erste Todesfälle gemeldet.
Algorithmen zur Behandlung von aktinischer Keratose
«Aktinische Keratosen sind Ausdruck von Feldkanzerisierung», so Prof. Dr. med. Günther Hofbauer, tätig in der Gruppenpraxis allderm in Wetzikon. Bei aktinischen Keratosen (AK) liegen kanzerogene Hautveränderungen häufig so dicht beieinander, dass sich einzelne Läsionen oder die gesunde Haut kaum abgrenzen lassen. Das macht es in der Praxis umso schwieriger, die richtige Therapie zum richtigen Zeitpunkt einzuleiten.
Von der AK zum SCC
Alle AK können sich potenziell zu invasiven Plattenepithelkarzinomen («squamous cell carcinoma», SCC) ausweiten. In der Pathogenese wird klassischerweise von einer heranwachsenden AK ausgegangen, die die Epidermis durchdringt, bis die Basalmembran von Tumorzellen durchbrochen wird. Neue Daten zeigen aber, dass auch bei dünnen, klinisch unauffälligen AK Kennzeichen eines SCC auftreten können, z.B. eine basale Proliferation (als Knospenbildung).1 AK können also auch nach unten ausbrechen, ohne an der Oberfläche auffällig zu erscheinen.2
Dennoch konnten Papageorgiou et al. einige dermatoskopische Kriterien festhalten. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit eines SCC geringer, wenn sich eine Rötung im Hintergrund zeigt (OR 0,22), während eine positive Assoziation beim Auftreten von stecknadelkopfgrossen Gefässen (OR 3,83), Haarnadelgefässen (OR 12,12) oder weissen strukturlosen Arealen (OR 3,58) vorliegt.3
Therapie
Eine zentrale Entscheidung bei der Therapie von AK ist die Wahl einer primär läsionsgerichteten oder primär feldgerichteten Therapie. Dazu hat Hofbauer mit Kollegen eine Guideline ausgearbeitet, in der insbesondere die Patientengeschichte einen zentralen Platz einnimmt.4 Eine vorliegende Immunsuppression oder myeloproliferative Erkrankung etwa erhöhen das Risiko für ein SCC und beeinflussen somit die Entscheidung. Der Cut-off zwischen läsions- und feldgerichteter Therapie ist von Patient zu Patient verschieden, in den meisten Fällen wird aber ab 5 AK-Läsionen eine feldgerichtete Therapie eingeleitet.
Es steht eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dazu zählen bei den primär läsionsgerichteten Therapien die Kryotherapie, Behandlungen mit Kaliumhydroxid-5%-Lösung, chirurgische Verfahren, photodynamische Therapie (PDT), topisch-medikamentöse Behandlungen sowie Laserverfahren (ablativ und nicht ablativ). Feldgerichtete Therapien inkludieren die Chemoexfoliation, Dermabrasio, topisch-medikamentöse Verfahren, ablative Laser sowie – für Hofbauer das Mittel der Wahl – die (Tageslicht-)PDT.
Die Wirksamkeit der Therapieoptionen wurde in Metaanalysen verglichen, wobei Hofbauer zu beachten gibt, dass diese aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen in den Einzelstudien nur eingeschränkt aussagekräftig sind. Gewisse Trends lassen sich allerdings ableiten, so etwa, dass die Wirksamkeit für 5-Fluorouracil (5-FU) als relativ gesichert eingestuft werden kann, wohingegen Diclofenac und niedrig konzentriertes Imiquimod nur grenzwertig als wirksam nachweisbar sind.5 Auch in Bezug auf die anhaltende Wirksamkeit sind 5-FU, Kryotherapie, PDT sowie 5%iges Imiquimod zu bevorzugen.6 Jansen et al. verglichen in einer Kopf-an-Kopf-Studie verschiedene Therapieoptionen, wobei sich nach 12 Monaten eine AK-Reduktion von ≥75% (ab Baseline) bei 74,7% der Behandlungen mit 5-FU einstellte, während der Wert nur bei 53,9% der Imiquimod-Therapien und 37,7% der Methylamino-Lävulinsäure(MAL)-PDT erreicht wurde.
Verlangsamung der Feldkanzerisierung
Wesentlich ist bei der Therapie der AK zudem, der Feldkanzerisierung aktiv entgegenzuwirken. «Eine scheinbar gesunde Haut ist in Wirklichkeit nicht einfach passiv gesund», so Hofbauer. In der Haut eines 45-Jährigen seien bis zu 25% der Zellen von Mutationen betroffen.8 Ihre Entwicklung ist vom Gleichgewicht zwischen der Differenzierung und der klonalen Proliferation abhängig und kann etwa durch Sonnenschutz oder Nikotinamid-Gabe9 günstig beeinflusst werden.
«Non-melanoma skin cancer»: moderne Therapiemechanismen
Zum Jahresthema der ZDFT «Pharmakotherapie in der Dermatologie − wie wirken alte und neue Medikamente?» präsentiert Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Antonio Cozzio Therapieoptionen bei «non-melanoma skin cancer» (NMSC). Der Chefarzt der Klinik für Dermatologie & Allergologie am Kantonsspital St. Gallen kommt dabei vor allem auf dermatoonkologische Konzepte zu sprechen. «Die Grundidee aller modernen Thereupeutika ist es, metabolische Unterschiede zwischen Tumorzellen und normalen Zellen zu erkennen und auszunutzen», so der Experte. Die moderne Dermatoonkologie ziele in erster Linie auf tumorspezifische Signalwege ab sowie darauf, die tumorgerichtete Immunantwort zu aktivieren und tumorzellspezifische Toxin- bzw. Radiotherapien zu entwickeln.
Die Gruppe der «-nibs»
Tyrosinkinase-Inhibtoren sind bereits heute im klinischen Einsatz. Die am besten bekannte Gruppe, die bereits ein Jahrzehnt im Einsatz ist, sind die BRAF-Inhibitoren Vemurafenib, Dabrafenib, Encorafenib sowie die MEK-Inhibitoren Trametinib und Binimetinib. Sie alle hemmen die Proliferation von Melanomzellen und finden darüber hinaus z.B. bei Lymphomtypen Anwendung. Je nach molekularem Angriffspunkt können sie verschiedenste Anwendungen erfüllen. «Erst das Verständnis für die Signaltransduktion in Tumoren hat es erlaubt, spezifische Therapeutika zu entwickeln», gibt Cozzio zu bedenken.
Die Gruppe der «-mabs»
Der antitumorale Effekt von monoklonalen Antikörpern kann auf unterschiedlichen Ebenen vollzogen werden. Einerseits entfalten sie ihre Wirkung über die antikörperabhängige zelluläre oder komplementabhängige Toxizität (z.B. Rituximab, Obinutuzumab). Andererseits können sie verwendet werden, um tumortoxische «payload» gezielt in Tumorzellen einzuschleusen (z.B. Brentuximab). Ein anderer Mechanismus monoklonaler Antikörper ist, Tumorzellen zu binden und für die zelluläre Toxizität zu markieren (z.B. Mogamulizumab).
Die Gruppe der «-fusps»
Dabei handelt es sich um Fusionsproteine mit bispezifischen Bindungsstellen. In der Dermatologie kommen sie heute beim Melanom (Tebentafusp) und bei der blastischen plasmazytoiden dendritischen Zellneoplasie (Tagraxofusp) zum Einsatz.
Die Gruppe der «CARs & TRUCKs»
Schliesslich gibt es mittlerweile Mechanismen, um körpereigene T-Zellen umzutrainieren. Chimäre-Antigen-Rezeptor-(CAR)-T-Zellen kombinieren ihre zytotoxische Wirkung mit den Vorteilen der B-Zellen. So entsteht eine T-Zelle mit der Struktur eines Antikörpers an der Oberfläche, durch die sie Antigene auf Tumorzellen effektiv erkennen und die Zelle daraufhin zerstören kann. Verbessert wurde dieser Mechanismus in den sogenannten TRUCKs («T-cell redirected for antigen-unrestricted cytokine-initiated killing»), die eine Zytokinsekretion erlauben und so die Immunantwort vervielfachen können.
DermARTologie
Das in diesem Jahr erschienene Buch «DermARTologie» war eine Gemeinschaftsleistung dreier Experten. Beteiligt waren Prof. Dr. med. Dr. h.c. Günter Burg, langjähriger Klinikdirektor der Dermatogischen Klinik am Universitätsspital Zürich, Dr. med. Michael Geiges, Oberarzt an ebendieser Klinik und Direktor des dortigen Moulagenmuseums, sowie Cathérine Hug, Kunsthistorikerin und Kuratorin am Kunsthaus Zürich. Gemeinsam gehen sie dem sogenannten Inkarnat nach, das in der Kunstwissenschaft die Darstellung der Haut und Hautfarbe meint. Obwohl diese in der Malerei traditionell als ideales Kleid des Menschen dargestellt wird, lassen sich in manchen Kunstwerken dermatologische Erkrankungsbilder erahnen. So wird selbst bei der als vollkommen geltenden «Mona Lisa» gemunkelt, dass ihre fehlenden Augenbrauen und Wimpern auf eine Alopecia areata zurückzuführen seien. Eine Sammlung solcher Beispiele bietet das unten näher vorgestellte Buch.
Quelle:
12. Zürcher Dermatologische Fortbildungstage (ZDFT), 16.−17. Juni 2022
Literatur:
1 Schmitz L et al.: Br J Dermatol 2019; 180(4): 916-21 2 Fernandez Figueras MT: J Eur Acad Dermatol Venereol 2017; 31(Suppl 2): 5-7 3 Papageorgiou C et al.: J Am Acad Dermatol 2022; 86(4): 791-6 4 Hofbauer G et al.: Swiss Med Wkly 2014; 144: w14026 5 Ezzedine K et al.: Acta Derm Venereol 2021; 101(1): adv00358 6 Steeb T et al.: JAMA Dermatol 2021; 157(9): 1066-77 7 Jansen MHE et al.: N Engl J Med 2019; 380(10): 935-46 8 Martincorena I et al.: Science 2015; 348(6237): 880-6 9 Chen AC et al.: N Engl J Med 2015; 373(17): 1618-26
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