
Wenn das Haupthaar altert
Bericht:
Jasmin Gerstmayr, MSc
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«Bejahrt? Aber er sieht nicht bejahrt aus, sehen Sie nur, das Haar ist jung geblieben!» Mit diesen Worten aus dem Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» von Marcel Proust (1871–1922) beginnt Prof. Dr. med. Ralph M. Trüeb aus Wallisellen einen seiner im Rahmen der «School of Hair» gehaltenen Vorträge zum Thema Haaralterung. Neben intrinsisch sowie extrinsisch ursächlichen Faktoren der menschlichen (Haar-)Alterung zeigte er auf, woran sich die Alterung des Haars erkennen lässt und welche kosmetischen und medizinischen Massnahmen dem trichologischen Anti-Aging zur Verfügung stehen.
Keypoints
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Der Alterungsprozess von Haut und Haar hat sowohl intrinsische (chronologisch-genetische) als auch extrinsische Ursachen (UV-Strahlung, Tabak, Lebensstil).
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Auch allgemeine Probleme des Alters (z.B. Multimorbidität) können sich auf den Zustand des Haars negativ auswirken.
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Im Rahmen des Alterungsprozesses des Haars kommt es u.a. zu einer Veränderung der Haarpigmentation und des Haardurchmessers, was wiederum zu einer Verschlechterung des kosmetischen Zustandes führt (z.B. erhöhte Brüchigkeit).
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Sowohl medizinischen als auch kosmetischen Behandlungsmöglichkeiten kommt im trichologischen Anti-Aging Bedeutung zu.
Der Alterungsprozess wird als Abnahme der Maximalfunktion und Reservekapazität aller Organsysteme definiert. Nach derzeitigem Wissensstand sind zwei Alterungstheorien beschrieben: Altern als stochastischer Prozess, also als Abnutzungserscheinung, sowie Altern als genetisches Programm.
Zu Ersterer zählen die Theorie der freien Radikale (also des oxidativen Stresses), die Mitochondrialtheorie, welche von einer Schädigung der Mitochondrien im Zuge des oxidativen Stoffwechsels ausgeht, sowie die Mutationstheorie, der zufolge es im Lauf des Lebens zur Akkumulation genotoxischer Schäden kommt. Altern als genetisch festgesetztes Programm fusst auf der Theorie einer Veränderung der Hormone (Hormon-/Neuroendokrintheorie), der steten Verkürzung der Chromosomenenden («Telomere»; Telomertheorie), welche uns jedoch wohlgemerkt auch vor der Entstehung von Neoplasmen schützt, und auch auf bestimmten Langlebigkeitsgenen, die besonders anhand der sehr seltenen Progerie-Syndrome erforscht werden können.
Der Alterungsprozess der Haare
Die Alterung von Haut und Haaren unterliegt denselben molekularen Mechanismen wie die Alterung des restlichen Organismus. «An Haut und Haaren werden jedoch die Alterungsprozesse besonders deutlich sichtbar, weshalb sie in der Erforschung der Biogerontologie eine entscheidende Rolle spielen», so Prof. Trüeb. Der Alterungsprozess der Haut wie auch der Haare hat bekanntermassen sowohl intrinsische (chronologisch-genetische) als auch extrinsische Ursachen. Auch allgemeine Probleme des Alters können sich auf den Zustand des Haars negativ auswirken. Darunter fallen u.a. Multimorbidität, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Malalimentation, senile Involutionsdepression sowie Parkinsonismus.
Extrinsische Ursachen
Zu den extrinsischen Ursachen des Alterungsprozesses zählen UV-Strahlung, Lebensstil und Tabakrauchen. Das Rauchen von Tabak scheint also nicht nur eine besondere Rolle in der Beschleunigung der Haut-, sondern auch der Haaralterung zu spielen: Tendenziell leiden Raucher unter einer frühzeitigen Ergrauung und Entwicklung von Alopezie. Dies lässt sich u.a. auf direkte (geno-)toxische und prooxidative Effekte des Tabakkonsums zurückführen. In einer Populationsstudie an asiatischen Männern von Su et al. 20071 waren der Raucherstatus, die derzeitige Menge des Zigarettenkonsums und die Rauchintensität signifikant mit androgenetischer Alopezie assoziiert. In einer In-vivo-Studie entwickelten C57BL/6-Mäuse nach 3-monatiger Ganzkörper-Exposition gegenüber Zigarettenrauch Bereiche mit Alopezie und grauem Haar. Zudem trat in den Haarzwiebeln am Rand der von Alopeziebetroffenen Bereiche massiv Zellapoptose auf.2
UV-Strahlung wirkt sich insofern schädigend auf das Haar aus, als sie durch die lichtempfindlichen Aminosäuren des Haars absorbiert wird und durch den darauffolgenden photochemischen Abbau freie Radikale erzeugt werden. «Diese photochemische Beeinträchtigung führt zum Abbau und Verlust von Haarproteinen (UV-B) und -pigmenten (UV-A)», erläuterte Prof. Trüeb. Hoher Kupfergehalt im Wasser kann den durch die UV-Strahlung bedingten oxidativen Stress noch verstärken und im Extremfall zu einer Grünfärbung von blondem oder weissem Haar (Chlorotrichosis) führen.
Wie äussert sich die Alterung der Haare?
Die chronologisch-genetisch bedingte Alterung der Haare zeigt sich u.a. in der Ergrauung und diversen Arten der Alopezie (z.B. androgenetisch, syndromatisch, seneszent). Generell kommt es im Rahmen des Alterungsprozesses des Haars zu einer Veränderung der Haarpigmentation, des Haardurchmessers, der Haarkrümmung, der Lipidzusammensetzung sowie bestimmter struktureller Eigenschaften wie Spannung, Beugung und Torsion. Diese Veränderungen resultieren in einer Verschlechterung der kosmetischen Eigenschaften des Haars: Ausdünnung, Ergrauen, Trockenheit, Glanzlosigkeit, Brüchigkeit und gespaltene Spitzen sind nur einige davon.
Pigmentverlust
Besonders der Veränderung der Haarpigmentation im Rahmen des Alterungsprozesses kommt eine grosse Bedeutung zu. Denn die Farbe des Haars erfüllt neben physiologischen Funktionen wie Schutz vor UV-Strahlung, Wärmespeicherung und Tarnung auch Funktionen in der zwischenmenschlichen Kommunikation (sexuelle Signale, sozial wünschenswerte Eigenschaften, magische Vorstellungen und Symbolgehalt). «Der physiologische Alterungsprozess führt zum Ergrauen der Haare durch die Abnahme aktiver Melanozyten an der Haarwurzel», weiss Prof. Trüeb. Dieser Verlust funktioneller Melanozyten ist eine Folge von replikativer Seneszenz (also des Verlustes der Zellteilungsfähigkeit) und Apoptose, welche durch den oxidativen Metabolismus der Haarfollikel-Melanogenese und durch extrinsischen oxidativen Stress beschleunigt wird. Zusätzlich zum Verlust der Pigmentierung zeigt sich graues Haar auch drahtiger, gröber und schlechter frisierbar. Da der UV-protektive Effekt des Melaninpigments ebenfalls wegfällt, ist graues Haar zudem sensitiver gegenüber UV-Strahlung.
Weisshäutige Menschen ergrauen durchschnittlich ab 34,2 ± 9,6 Jahren, dunkelhäutige ab 43,9 ± 10,3 Jahren. Zuerst ändert sich die Pigmentation in der Regel in den Barthaaren, danach folgen die Kopfhaare (von den Schläfen zum Scheitel bis zum Hinterkopf). Von einer vorzeitigen Ergrauung spricht man bei weisshäutigen Menschen vor dem 20. Lebensjahr, bei dunkelhäutigen vor dem 30.
Trichologisches Anti-Aging
Um die Alterung des Haars aufzuhalten, können Anti-Aging-Massnahmen ergriffen werden, die den Alterungsprozess verhindern, verlangsamen oder bestenfalls umkehren sollen. Im Anti-Aging unterscheidet man zwischen Massnahmen zur Primär- (vor Beginn des Alterungsprozesses) und zur Sekundärprävention (ab Einsetzen des Alterungsprozesses) sowie Tertiärmassnahmen bei (sichtbar) fortgeschrittener Alterung. Prof. Trüeb: «Dabei spielen medizinische und kosmetische Behandlungsmöglichkeiten zusammen.»
Zur Primärprävention tragen eine Expositionsprophylaxe (z.B. UV-Strahlen und Tabak), ein Lebensstil mit gesunder Ernährung und Stressbewältigungs-Möglichkeiten sowie Haarpflegemassnahmen (Conditioner, topische Lichtschutzmittel) bei. Der Nutzen von systemischen (Nutrikosmetika auf der Basis von u.a. L-Cystin, L-Methionin, Vitamin B1) und topischen Antioxidanzien (Melatonin, Ginseng) im Anti-Aging ist noch ungewiss. Sekundärpräventive Massnahmen können eine (frühzeitige) Pharmakotherapie (Minoxidil und Finasterid bei der androgenetischen Alopezie), eine optimale medizinische Gesundheitsversorgung im Alter (Früherkennung und Therapie im Alter häufig auftretender Probleme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und wiederum geeignete Haarpflegemassnahmen inkludieren. Ungeklärt bleibt die Rolle von Hormontherapien und alternativmedizinischen Methoden (traditionelle chinesische Medizin, Ayurveda). Der weit fortgeschrittenen Alterung des Haars kann schliesslich im Rahmen der Tertiärprävention durch haarkosmetische Massnahmen (Frisurfestigungsmittel, Färbung), Haarchirurgie (Reduktionsplastik, autologe Transplantation) und Haarersatz (z.B. Perücken) begegnet werden.
Aus kosmetischer Sicht können unabhängig vom Alterungsprozess acht Empfehlungen zur Haarpflege gegeben werden:
Haare so wenig wie möglich manipulieren
Haare sanft kämmen
Nasskämmen möglichst vermeiden
Geräte mit hohen Temperaturen möglichst vermeiden
Stylingbürste mit Kugelspitzen verwenden
Kratzen und Reiben der Kopfhaut vermeiden
Spliss abschneiden
Kurzhaarfrisuren tragen (die Länge der Haare sollte umgekehrt proportional zum Alter sein)
Welche Erkenntnisse Wissenschaft und Forschung dem trichologischen Anti-Aging in Zukunft noch bringen werden, bleibt abzuwarten.
Quelle:
Vorträge «Die Entstehung der Eigenfarbe und das Ergrauen der Haare» und «Anti-Aging der Haare» von Prof. Dr. med. Ralph M. Trüeb im Rahmen der «School of Hair» am Universitätsspital Basel, 20. August 2020
Literatur:
1 Su LH, Chen THH: Association of androgenetic alopecia with smoking and its prevalence among Asian men: a community-based survey. Arch Dermatol 2007; 143(11): 1401-6 2 D´Agostini F et al.: Induction of alopecia in mice exposed to cigarette smoke. Toxicol Lett 2000; 114(1-3): 117-23