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Tropendermatosen

Von Lepra bis Leishmaniose

<p class="article-intro">Brasilien ist das fünftgrösste Land der Welt – ungefähr zweihundertmal grösser als die Schweiz, mit mehr als fünfundzwanzigmal so vielen Einwohnern. Die dort ansässigen Dermatologen sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, welche in der Schweiz meist nur als Reisedermatosen bekannt sind. Der nachfolgende Artikel liefert einen Überblick über spannende Hautkrankheiten aus den Tropen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Vorsicht bei Katzenbissen: Sporotrichose</h2> <p>Die subakut-chronische Mykose Sporotrichose wird durch den Erreger Sporotrix schenckii verursacht, welcher durch den Kontakt mit Pflanzen, Holz oder auch Tieren &uuml;bertragen werden kann. Kleine Wunden sind bereits ausreichend f&uuml;r eine Inokulation. Es besteht die M&ouml;glichkeit, dass die &Uuml;bertragung auf den Menschen durch den Biss einer infizierten Katze stattfindet. In 70 % aller Sporotrichose-F&auml;lle handelt es sich um die lymphokutane Form, bei welcher eine entz&uuml;ndliche Papel, eine Papulopustel, ein Ulkus oder ein subkutaner Knoten mit Ulzeration als Prim&auml;rherd entstehen. Dieser kann innerhalb von Monaten narbig abheilen oder sich entlang drainierender Lymphgef&auml;sse nach proximal ausbreiten (sog. sporotrichoide Verteilung). <br />Weniger h&auml;ufig sind fixiert kutane (25 %) oder disseminiert kutane/extrakutane Formen (5 %). Besonders interessant sind dabei die disseminiert kutanen Sporotrichosen, da sie h&auml;ufig mit Immunsuppression im Zuge des akquirierten Immun- Defizienz-Syndroms (Aids) in Verbindung stehen. Bei diesen k&ouml;nnen am gesamten K&ouml;rper zahlreiche entz&uuml;ndliche, subkutan gelegene Knoten auftreten, welche zentral einschmelzen und fisteln oder chronische Ulzera bilden (Abb. 1). <br />Die Diagnose erfolgt &uuml;blicherweise mittels Formen positiver Hefenkultur und Histologie. Als Therapeutikum erster Wahl wird das systemisch wirkende Antimykotikum Itraconazol (200 mg/Tag f&uuml;r 3&ndash;4 Monate) oder bei schweren Formen das liposomale Amphotericin (3 mg/kg, max. 14 Tage) verwendet. In Brasilien erfolgt die Erstlinientherapie der lymphokutanen Sporotrichose aus Kostengr&uuml;nden mit dem in der Schweiz schon als altmodisch geltenden Kaliumjodid (4&ndash;6 g/Tag). Wichtig ist, die systemische Therapie 4&ndash;6 Wochen nach klinischer Abheilung fortzusetzen.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s24_abb1_oliveira.jpg" alt="" width="1456" height="1127" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Subklinische Pneumonie bei Parakokzidioidomykose</h2> <p>Eine andere Mykose, die haupts&auml;chlich in Mittel- und S&uuml;damerika auftritt, ist die Parakokzidioidomykose, welche durch den dimorphen Fungus Paracoccidioides brasiliensis verursacht wird, dessen genaues Reservoir noch unbekannt ist. Als Eintrittspforte des Erregers dient jedenfalls die Lunge; h&auml;ufig entsteht eine subklinisch verlaufende Pneumonie. Charakteristisch sind L&auml;sionen der Gesichtshaut, die sich als periorale Knoten manifestieren, welche ulzerieren k&ouml;nnen. Ebenso k&ouml;nnen Nase und Lippen betroffen sein (Abb. 2).<br /> Zum Nachweis des Erregers mittels Lichtmikroskopie und Kultur dient Untersuchungsmaterial aus Lymphknoten, Sputum und Wundsekret. Die Erstlinienbehandlung erfolgt wie bei der Sporotrichose mit Itraconazol (200 mg/Tag), allerdings f&uuml;r 12&ndash;24 Monate, je nachdem, wie schnell Besserung eintritt. Amphotericin B (2&ndash;3 mg/kg, max. 14 Tage) in Kombination mit Itraconazol ist bei schweren Verl&auml;ufen indiziert.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s25_abb2_oliveira.jpg" alt="" width="1455" height="1036" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Leishmaniose: Sandfliegen als Vektor</h2> <p>Nicht durch Pilze, sondern intrazellul&auml;re protozoische Parasiten der Gattung Leishmania verursacht wird die Leishmaniose. Als Hauptwirt dienen dabei Waldtiere, wie z. B. Faultiere und Ratten. Die &Uuml;bertragung erfolgt durch Phlebotomin- Sandfliegen der Gattung Lutzomyia. F&uuml;r das Gros der kutanen Leishmaniosen ist der Erreger <em>Leishmania braziliensis</em> verantwortlich. Bei jenen findet sich initial eine erythemat&ouml;se Papel an der Einstichstelle, die im Verlauf der folgenden Wochen oder Monate langsam zu einer schmerzlosen Ulzeration mit livid-rotem Randsaum heranw&auml;chst. Eventuell geht mit ihr eine Lymphadenopathie einher. <br />Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch den Nachweis von Erregern mittels Leishmanin-Intrakutan-Test (Montenegro- Test), Direktpr&auml;paraten, Kultur oder PCR best&auml;tigt. Als topische Therapie erfolgen Injektionen von Megluminantimoniat alle 15 Tage um und unter die Hautl&auml;sionen. M&ouml;glich ist auch die Applikation von fl&uuml;ssigem Stickstoff (Kryotherapie), welche sich besonders bei verruk&ouml;sen L&auml;sionen bew&auml;hrt hat (Abb. 3). Diese treten oft in der Schwangerschaft auf und k&ouml;nnen sich teilweise nach der Geburt zur&uuml;ckbilden. Als systemische Therapie ist intraven&ouml;s appliziertes Megluminantimoniat (20 mg/ kg/Tag, 20 Tage) die erste Wahl. Liposomales Amphotericin B wird bei schweren Formen verwendet. <br />Eine weniger h&auml;ufig vorkommende Form ist die disseminierte kutane Leishmaniose. Bei dieser treten 2&ndash;6 Wochen nach dem Erscheinen erster Ulzerationen mindestens 10 nicht gruppierte Hautl&auml;sionen (erodierte und verkrustete Papeln, Knoten und Ulzerationen) und systemische Symptome auf. Bei &uuml;ber 40 % der Patienten sind zudem die Mukosen beteiligt, vor allem die der Nase. Die disseminierte Leishmaniose wird meist systemisch behandelt, ebenso mit intraven&ouml;ser Injektion von Megluminantimoniat (20 mg/kg/Tag), allerdings f&uuml;r 30 Tage. Bei Patienten &uuml;ber 50 Jahre oder Patienten mit Nieren-, Herz- und Leberfunktionsst&ouml;rungen wird auf liposomales Amphotericin B in einer kumulativen Gesamtdosis von 35&ndash;40 mg/kg f&uuml;r 7&ndash;14 Tage zur&uuml;ckgegriffen.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s25_abb3_oliveira.jpg" alt="" width="1455" height="1037" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Multidrug-Therapie bei Lepra</h2> <p>Die fr&uuml;her als &laquo;Aussatz&raquo; bekannte Krankheit Lepra tritt in Brasilien mit der weltweit zweith&ouml;chsten Pr&auml;valenz auf. Diese chronische Infektionskrankheit wird vor allem durch das Mycobacterium leprae verursacht, welches haupts&auml;chlich durch Schmier- und Tr&ouml;pfcheninfektion &uuml;bertragen wird. Beengte Wohnverh&auml;ltnisse f&ouml;rdern die Verbreitung, ansonsten erfordert eine Ansteckung engen Kontakt oder ein geschw&auml;chtes Immunsystem. Die Klassifikation nach Ridley und Jopling unterscheidet nach immunlogischen, klinischen und histologischen Kriterien zwischen f&uuml;nf Subtypen, die g&auml;ngigen WHO-Richtlinien hingegen rein nach Bakterienlast (erregerarm vs. erregerreich). In allen F&auml;llen erfolgt die Basisdiagnostik durch den mikroskopischen Nachweis grampositiver, s&auml;urefester St&auml;bchen, wobei der Bakterienindex zur Quantifizierung der Dichte pro Gesichtsfeld dient (Index 0&ndash;6). Die instabilste Variante der Lepra, die sich je nach Immunstatus entwickelt, ist die dimorphe Borderline-Lepra mit asymmetrisch verteilten, hypo- oder hyperpigmentierten oder erythemat&ouml;sen Ver&auml;nderungen der Haut. Typisch sind anul&auml;re Herde mit zentraler Abheilung (Abb. 4). Die Borderline-Lepra z&auml;hlt mit der lepromat&ouml;sen Lepra zu den erregerreichen Formen. Bei der lepromat&ouml;sen Lepra, der schwersten Krankheitsform, findet eine ungebremste Ausbreitung der Bakterien auf den ganzen K&ouml;rper statt. Die Hauterscheinungen sind symmetrisch ausgebildet und bestehen aus Maculae, erythemat&ouml;sen oder hyperpigmentierten Infiltraten. Typisch sind Infiltrationen der Gesichtshaut, was zum sogenannten L&ouml;wengesicht (Facies leonina) f&uuml;hrt. <br />Die Vergr&ouml;sserung der Ohrl&auml;ppchen gilt beinahe als pathognomonisch. Als Fr&uuml;hsymptom findet man den charakteristischen Haarausfall der lateralen Augenbrauen (Madarose). <br />Die Therapie erregerreicher Lepra-Typen erfolgt in Form einer 12-monatigen Multidrug- Therapie aus Rifampicin (600 mg, 1 x monatlich unter Supervision), Clofazimin (300 mg 1 x monatlich unter Supervision; 50 mg 1 x t&auml;glich ohne Supervision) und Dapson (100 mg 1 x monatlich unter Supervision; 100 mg 1 x t&auml;glich ohne Aufsicht). Bei erregerarmen Typen ist eine 6-monatige Therapie aus Rifampicin (600 mg, 1 x monatlich unter Supervision) und Dapson (100 mg 1 x monatlich unter Supervision; 100 mg 1 x t&auml;glich) ausreichend.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1902_Weblinks_lo_derma_1902_s26_abb4_oliveira.jpg" alt="" width="1456" height="1127" /></p> <p>&nbsp;</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Das warm-feuchte Tropenklima sowie &auml;rmliche Lebensverh&auml;ltnisse am Land und der daraus resultierende schwierige Zugang zu medizinischer Versorgung beg&uuml;nstigen das Auftreten bestimmter Dermatosen in Brasilien. Die meisten dieser Erkrankungen sind bei rechtzeitiger Diagnose allerdings ad&auml;quat therapierbar. In der Schweiz treten sie nur sporadisch als Reisedermatosen auf.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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