<p class="article-intro">Mit einem Anteil von unter 1 % aller vollzogenen Suizide stellen jene durch selbstinduzierte Verbrennungen einen verhältnismäßig geringen Anteil in den Industriestaaten dar.<sup>1–3</sup> Diese Variante des Freitodes entspricht wohl einer der dramatischsten, qualvollsten und eindringlichsten Formen, dem eigenen Leben ein Ende setzen zu wollen. Die Beweggründe hierfür können vielfältig sein.</p>
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<p class="article-content"><p>In der Literatur werden unterschiedliche Motive für die Durchführung eines Verbrennungssuizides, wie politischer Protest (z. B. der Mönch Quang Duc, † 11. 6. 1963), kulturelle oder religiöse Riten (z. B. die Witwenverbrennung „Sati“ in Indien), aber auch psychiatrische Erkrankungen, beschrieben und unterliegen hinsichtlich deren Verteilung im internationalen Vergleich deutlichen Unterschieden.<sup>1, 4–6</sup> In Ländern der westlichen Welt wird häufig eine tiefe Depression oder eine schwere Episode einer Schizophrenie als Ursache dieser Suizidform beobachtet.<sup>7</sup></p> <h2>Retrospektive Studie</h2> <p>Am Wiener AKH werden pro Jahr im Durchschnitt fünf Patienten mit Verbrennungen aufgrund suizidal motivierter Handlungen an der Intensivstation (13I1) des Zentrums für Schwerbrandverletzte intensivmedizinisch und plastisch-chirurgisch behandelt, wie eine rezente, retrospektive Studie der Abteilung ergab. Jedoch ist das Vorliegen einer gewissen Dunkelziffer aus unterschiedlichen Gründen anzunehmen, welche eine noch höhere Fallzahl vermuten lässt. Diese Studie untersuchte die demografische Verteilung, den Behandlungsausgang, aber auch assoziierende Faktoren der Patienten mit Verbrennungen nach Suizidversuch (Untersuchungsgruppe) und verglich diese mit dem Kollektiv der übrigen Verbrennungspatienten (Referenzgruppe). Dabei zeigte sich, dass rund jede zehnte Verbrennungsaufnahme einen Suizidversuch als Ursache hatte. Mehr als die Hälfte dieser Verbrennungssuizidversuche fanden im Eigenheim statt, gefolgt von Suizidversuchen an öffentlichen Plätzen oder in der Natur. In der Mehrzahl der Fälle wurde als Verbrennungshergang ein Übergießen mit brennbaren Flüssigkeiten beobachtet, gefolgt vom Entzünden der Kleidung oder von Gegenständen in einem Raum mit einem Feuerzeug und von induzierten Explosionen mit resultierenden Verbrennungsverletzungen. Die Untersuchungsgruppe wies ein durchschnittliches Alter der Patienten von 45 Jahren auf und zählte doppelt so viele Männer wie Frauen. Mit einer relativen verbrannten Körperoberfläche von 35 %, einem Anteil von 33 % an Inhalationstraumen und 87 % an drittgradigen Verbrennungen wiesen Suizidpatienten signifikant schwerere Verbrennungsverletzungen als die Patienten der Referenzgruppe auf. Dieser Sachverhalt spiegelte sich ebenso in einer knapp doppelt so langen Behandlungsdauer wider. Bei der Analyse der psychosozialen Faktoren imponierte vor allem, dass der Anteil an Suizidpatienten in der Gruppe der allein lebenden Patienten mehr als doppelt so hoch wie in der Gruppe jener Patienten lag, die zumindest vor dem Suizidversuch in einer Beziehung lebten. Zudem konnte in der Gruppe der Suizidpatienten sowohl ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Substanzabusus als auch das Vorliegen von psychiatrischen Nebendiagnosen beobachtet werden. Im Gegensatz zu anderen Publikationen konnte in dieser rezenten, am AKH Wien durchgeführten Studie kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Letalität zwischen Patienten mit suizidal motivierten Verbrennungen und jenen mit Verbrennungen aufgrund eines Unfalles gezeigt werden.<sup>5, 8</sup></p> <h2>Conclusio</h2> <p>Die Erkenntnisse dieser Auswertung unterstreichen, dass ein enges interdisziplinäres Zusammenwirken von Chirurgie und Intensivmedizin oftmals in der Lage ist, das Überleben von Verbrennungspatienten zu sichern. In Kombination mit einer engmaschigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung können auch Verbrennungspatienten nach Suizidversuch erfolgreich rehabilitiert werden, wie auch Hahn et al. 2014 in einer Literaturübersicht publizierten.<sup>9</sup> Heutzutage sind wir somit in der glücklichen Lage, auch vielen dieser Verbrennungspatienten eine echte Chance auf ein zweites Leben schenken zu können.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Rothschild MA, Raatschen HJ, Schneider V: Suicide by self-immolation in Berlin from 1990 to 2000. Forensic Sci Int 2001; 124(2-3): 163-6 <strong>2</strong> Ahmadi A: Suicide by self-immolation: comprehensive overview, experiences and suggestions. J Burn Care Res 2007; 28(1): 30-41 <strong>3</strong> Fisher LB, Overholser JC, Dieter L: Methods of committing suicide among 2,347 people in Ohio. Death Stud 2015; 39(1-5): 39-43 <strong>4</strong> Graitl L: Sterben als Spektakel. Berlin: Springer VS, 2011 <strong>5</strong> Uygur F et al.: Profile of self-inflicted burn patients treated at a tertiary burn center in Istanbul. J Burn Care Res 2009; 30(3): 427-31 <strong>6</strong> Cameron DR, Pegg SP, Muller M: Self-inflicted burns. Burns 1997; 23(6): 519-21 <strong>7</strong> Gauthier S, Reisch T, Bartsch C: Self-burning - a rare suicide method in Switzerland and other industrialised nations - a review. Burns 2014; 40(8): 1720-6 <strong>8</strong> Ali SN et al.: Self-inflicted burns, outcome and cost. Burns 2006; 32(4): 463-6 <strong>9</strong> Hahn AP et al.: Self-inflicted burns: a systematic review of the literature. J Burn Care Res 2014; 35(1): 102-19</p>
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