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Telemedizin und Digitalisierung

Verbesserte Hautkrebsvorsorge durch künstliche Intelligenz

Die Anwendung künstlicher Intelligenz ist ein vielversprechender Innovationsbereich in der bildgebenden Diagnostik. An der Dermatologie des Universitätsspitals Basel startet noch heuer eine Studie, in der das Potenzial neuster 3D-Ganzkörperfotografie im Melanomscreening untersucht werden soll.

Die Inzidenz des malignen Melanoms ist in den letzten Jahrzehnten weltweit dramatisch gestiegen, wobei die Schweiz die höchste Rate in Europa aufweist.1 Die wichtigsten individuellen Risikofaktoren für das Melanom sind das Vorliegen von mehr als 100 melanozytären Nävi, mehr als fünf atypischen Nävi, einer CDKN2A-Keimbahnmutation, Hauttyp I–II nach Fitzpatrick, Sonnenbrände v.a. in der Kindheit, eine positive Familienanamnese oder eine persönliche Vorgeschichte für das Melanom.2, 3 Trotz eines Durchbruchs adjuvanter Therapien mit Verbesserungen des Gesamtüberlebens und des progressionsfreien Überlebens bei Hochrisikoerkrankten im AJCC-Stadium III–IV ist das Melanom immer noch mit einer hohen Mortalität verbunden. Die Prognose hängt entscheidend von der
Früherkennung und der frühzeitigen Resektion des Primarius ab. Wird ein Melanom erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt, führt dies zu einer erhöhten primären Krankheitsbelastung und es hat zudem auch stärkere physische, emotionale und finanzielle Auswirkungen. Neuartige Technologien, die künstliche-Intelligenz(KI)-basierte 3D-Ganzkörperfotografien und sequenzielle digitale dermatoskopische Bildgebung nutzen, sind vielversprechende neue Ansätze mit dem Potenzial, das Screening melanozytärer Hautläsionen grundlegend zu verbessern.

© Canfield Scientific Inc.

Abb. 1: 3D-Ganzkörperfotografiesystem VECTRA® WB360

Der initiale Verdacht auf ein Melanom entsteht bislang meistens im Rahmen der Selbstbeobachtung des Patienten, der Kontrolle beim Hausarzt oder des Dermatologen oder aufgrund von Hinweisen durch das private Umfeld. Mittels Dermatoskopie wurde die Genauigkeit der Melanomdiagnostik bei melanozytären Läsionen im Vergleich zur klinischen Untersuchung mit dem blossen Auge wegweisend verbessert und so hat diese Einzug in den klinischen Alltag der Dermatologen gefunden.4, 5 In den letzten Jahren haben sich computergestützte digitale dermatoskopische Bildanalysesysteme zur Melanomerkennung, wie z.B. der 2D-FotoFinder® Moleanalyzer (FotoFinder Systems GmbH, Bad Birnbach, Germany), und die sequenzielle digitale dermatoskopische Bildgebung immer mehr verbreitet. Ihr klinischer Wert wird jedoch kontrovers diskutiert, da manche Arbeiten suggerieren, dass sie für erfahrene Dermatologen aufgrund einer geringen Sensitivität der Scoring-Funktion nur einen begrenzten Nutzen bieten.6 Allerdings haben diverse Studien bereits auch gezeigt, dass KI-basierte Softwareanalysesysteme zur Detektion von Melanomen als ergänzende Untersuchungsmodalität einen positiven Nutzen aufweisen, indem sie das Verhältnis von malignen zu benignen biopsierten pigmentierten Läsionen verbessern.7–10 In einer kürzlich publizierten Studie, die die Leistungsfähigkeit der konvolutionären neuronalen Netzwerke direkt mit der der Dermatologen vergleicht, konnte demonstriert werden, dass beide Gruppen Resultate auf gleichem Niveau erreichten.11 Darüber hinaus konnte 2018 von der Arbeitsgruppe Haenssle et al. erstmals gezeigt werden, dass eine grosse internationale Gruppe von 58 Dermatologen, darunter 30 Experten, vom konvolutionären neuronalen Netzwerk in der diagnostischen Leistung übertroffen wurde.12 Der zusätzliche Nutzen einer sequenziellen digitalen dermatoskopischen Bildgebung besteht darin, dass bis zu 35% der prospektiv diagnostizierten Melanome ausschliesslich aufgrund von dynamischen Veränderungen der Läsion identifiziert werden.8, 13, 14

Die Anwendung der künstlichen Intelligenz ist einer der vielversprechendsten Innovationsbereiche in der bildgebenden Medizin. Neuste 3D-Ganzkörperfotografiesysteme scheinen insbesondere für Hochrisikopatienten ein vielversprechendes Potenzial im Melanomscreening aufzuweisen.15

Abb. 2: Dermatoskop VISIOMED D200EVO

Die MELVEC-Studie im Überblick

Das neuartige 3D-Ganzkörperfotografiesystem VECTRA® (Vectra WB360, Canfield Scientific, Parsippany, New Jersey, USA) am Universitätsspital Basel ist das einzige Gerät in der Schweiz und eins von nur 15 Systemen weltweit. Mit der MELVEC-Studie untersucht die Dermatologie des Universitätsspitals Basel nun die klinische Effektivität des hochmodernen 3D-Ganzkörperfotografiesystems VECTRA® zur Früherkennung des Melanoms im realen Leben in der Schweizer Bevölkerung. Wir werden einen direkten Vergleich mit den traditionellen klinischen Routine-Hautkrebsscreenings, der 2D-Bildgebung mittels FotoFinder® Moleanalyzer System und einer Kombination aus artifizieller und menschlicher Intelligenz durchführen. Zusätzlich werden die emotionale Belastung durch die Krankheit, die gesundheitsbezogene Lebensqualität und der psychologische Unterstützungsbedarf in den verschiedenen Stadien untersucht, um den Patienten auch bei der Diagnose Melanom eine optimale Versorgung auf allen Ebenen sowohl psychisch als auch physisch bieten zu können. Der Beginn der Studie ist für das 4. Quartal 2020 geplant.

Wer kann an der Studie teilnehmen?

Wenn Sie Ihren Patienten mit einem Hochrisikoprofil in Bezug auf ein Melanom (z.B. ≥100 Nävi, ≥5 atypische Nävi, CDKN2A-Keimbahnmutation sowie Melanome in der Familie) sowie allen Melanompatienten mit Risiko für ein Zweitmelanom eine Chance zur verbesserten Früherkennung und Verlaufskontrolle geben möchten, dann würde es uns sehr freuen, wenn Sie diese Patienten an uns verweisen würden.

Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung:

Studienkoordination Dermatologie

Universitätsspital Basel

Tel.: +41 61 265 40 99

Fax: +41 61 265 48 85

E-Mail: studien.dermatologie@usb.ch

Wir danken Ihnen im Voraus für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung!

1 Forsea AM et al.: Melanoma incidence and mortality in Europe: new estimates, persistent disparities. Br J Dermatol 2012; 167(5): 1124-30 2 Vuong K et al.: Risk prediction models for incident primary cutaneous melanoma: a systematic review. JAMA Dermatol 2014; 150(4): 434-44 3Usher-Smith JA et al.: Risk prediction models for melanoma: a systematic review. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2014; 23(8): 1450-63 4 Vestergaard ME et al.: Dermoscopy compared with naked eye examination for the diagnosis of primary melanoma: a meta-analysis of studies performed in a clinical setting. Br J Dermatol 2008; 159(3): 669-76 5Kittler H et al.: Diagnostic accuracy of dermoscopy. Lancet Oncol 2002; 3(3): 159-65 6 Perrinaud A et al.: Can automated dermoscopy image analysis instruments provide added benefit for the dermatologist? A study comparing the results of three systems. Br J Dermatol 2007; 157(5): 926-33 7 Truong A et al.: Reduction in nevus biopsies in patients monitored by total body photography. J Am Acad Dermatol 2016; 75(1): 135-43.e5 8 Kelly JW et al.: A high incidence of melanoma found in patients with multiple dysplastic naevi by photographic surveillance. Med J Aust 1997; 167(4): 191-4 9 Menzies SW et al.: The performance of SolarScan: an automated dermoscopy image analysis instrument for the diagnosis of primary melanoma. Arch Dermatol 2005; 141(11): 1388-96 10 Tschandl P et al.: Comparison of the accuracy of human readers versus machine-learning algorithms for pigmented skin lesion classification: an open, web-based, international, diagnostic study. Lancet Oncol 2019; 20(7): 938-47 11 Haenssle HA et al.: Man against machine reloaded: performance of a market-approved convolutional neural network in classifying a broad spectrum of skin lesions in comparison with 96 dermatologists working under less artificial conditions. Ann Oncol 2018; 29(8): 1836-42 12 Haenssle HA et al.: Man against machine reloaded: performance of a market-approved convolutional neural network in classifying a broad spectrum of skin lesions in comparison with 96 dermatologists working under less artificial conditions. Ann Oncol 2020; 31(1): 137-43 13MacKie RM et al.: Accelerated detection with prospective surveillance for cutaneous malignant melanoma in high-risk groups. Lancet 1993; 341(8861): 1618-20 14 Tiersten AD et al.: Prospective follow-up for malignant melanoma in patients with atypical-mole (dysplastic-nevus) syndrome. J Dermatol Surg Oncol 1991; 17(1): 44-8 15 Rayner JE et al.: Clinical perspective of 3D total body photography for early detection and screening of melanoma. Front Med (Lausanne) 2018; 5: 152

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