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FOBI 2018

Update Wundmanagement

<p class="article-intro">Chronische Wunden stellen den behandelnden Arzt immer wieder vor therapeutische Probleme. In Europa treten sie am häufigsten in Form von diabetischem Fußsyndrom, Ulcera cruris oder auch Dekubitus in Erscheinung. Gerade beim diabetischen Fußsyndrom ist ein interdisziplinäres Vorgehen erforderlich.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bis zu 15 % der Diabetiker leiden am diabetischen Fu&szlig;syndrom (DFS). Dieses Erkrankungsbild ist zudem die Hauptursache f&uuml;r nicht traumatische Amputationen: Von 60 000 Amputationen, die pro Jahr in Deutschland durchgef&uuml;hrt werden, entfallen 70 % auf Diabetiker. Das DFS hat zwar mehrere Ursachen, die gr&ouml;&szlig;te Rolle spielt jedoch die Neuropathie, die in 60 % der F&auml;lle Hauptursache ist. 20 % der DFS sind isch&auml;misch bedingt, in weiteren 20 % liegt eine Mischgenese vor. &bdquo;Im Gegensatz zur pAVK ist es beim DFS wichtiger, Patienten zu immobilisieren&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Dr. Sigrid Karrer, gesch&auml;ftsf&uuml;hrende Ober&auml;rztin der Klinik f&uuml;r Dermatologie, Universit&auml;tsklinik Regensburg (Deutschland). Diabetiker haben eine 3- bis 4-fach erh&ouml;hte Pr&auml;valenz einer pAVK, die auch mit einer deutlich schlechteren Prognose Hand in Hand geht. &bdquo;Das gr&ouml;&szlig;te Problem ist, dass Diabetiker gar nicht bemerken, wenn sie eine pAVK haben &ndash; so wird eine Diagnose oft nur verz&ouml;gert gestellt&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Karrer. Ursache hierf&uuml;r ist, dass die &uuml;blichen Symptome einer pAVK wie Claudicatio intermittens und Ruheschmerz bei gleichzeitig bestehender Neuropathie h&auml;ufig fehlen. &bdquo;Die einzige kausale Therapie der diabetischen Neuropathie ist eine Verbesserung der Diabeteseinstellung&ldquo;, so Prof. Karrer. <br />Die schwerste Komplikation des diabetischen Fu&szlig;es ist die diabetische Neuroosteoarthropathie, auch als Charcot-Fu&szlig; bezeichnet, bei der es zu einer progressiven Destruktion einzelner oder multipler Gelenke und/oder Knochen kommt. Neben der Neuropathie sind insbesondere Traumata urs&auml;chlich. Verdachtsmomente hierf&uuml;r sind eine schmerzlose R&ouml;tung, Schwellung, &Uuml;berw&auml;rmung und eventuell eine Deformit&auml;t. Entscheidend ist hier die fr&uuml;he Diagnosestellung, denn der Patient muss sofort vollst&auml;ndig druckentlastet und immobilisiert werden.</p> <h2>Regelm&auml;&szlig;ige Fu&szlig;inspektion zur Vermeidung der Ulzera</h2> <p>Gerade beim DFS ist die Pr&auml;vention von entscheidender Bedeutung. Tabelle 1 zeigt f&uuml;nf Schl&uuml;sselelemente der Pr&auml;vention. Neben der t&auml;glichen Fu&szlig;inspektion ist eine regelm&auml;&szlig;ige podologische Behandlung, d.h. eine verletzungsfreie Fu&szlig;pflege mit regelm&auml;&szlig;iger Entfernung von Hornhautschwielen sowie der Behandlung von krankhaft verdickten oder zum Einwachsen tendierenden Zehenn&auml;geln, unbedingt empfehlenswert. Zudem d&uuml;rfen Patienten nicht barfu&szlig; laufen. <br />Spezifisches Therapieziel ist es nach Ausf&uuml;hrung von Prof. Karrer, Ulzera zu vermeiden. Nur ein multidisziplin&auml;res und multifaktorielles Setting kann die Amputationsrate um mehr als 50 % senken: Diabetiker ben&ouml;tigen eine gute internistische Basistherapie mit dem Ziel, die Stoffwechselsituation zu optimieren. Zudem m&uuml;ssen Begleiterkrankungen, die die Immunkompetenz, die H&auml;moperfusion oder die Gewebeoxygenierung beeintr&auml;chtigen, ad&auml;quat behandelt werden. Bei nicht heilenden Fu&szlig;l&auml;sionen oder Gefahr der Amputation ist die Indikation f&uuml;r Revaskularisationseingriffe gro&szlig;z&uuml;gig zu stellen. Dabei sollte der perkutanen Angioplastie wenn m&ouml;glich der Vorzug gegeben werden. Bei langstreckigen Verschl&uuml;ssen ist in der Regel ein Bypass erforderlich. Durch eine rechtzeitige Revaskularisation k&ouml;nnte bei mehr als 80 % der Patienten eine relevante Verbesserung der Durchblutung erreicht werden, mit einer Senkung der Amputationsfrequenz um ca. 80 % . <br />&bdquo;Eine Druckbelastung, bakterielle Infektionen und die Isch&auml;mie sind drei wesentliche prognostische Faktoren: Liegt auch nur einer vor, reicht dies aus, die Wundheilung &uuml;ber Monate zu verz&ouml;gern&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Karrer. Insofern ist eine Druckentlastung essenziell. Sie kann erreicht werden durch therapeutisches Schuhwerk, Orthesen, Gipstechnik, durch Benutzung von Gehst&uuml;tzen, eines Rollstuhls oder durch strikte Bettruhe. Allein die Schuhversorgung ist hier eine Wissenschaft f&uuml;r sich. Beim Charcot-Fu&szlig; kann es erforderlich sein, nekrotische Areale zu entfernen. <br />Die Wundbehandlung beim DFS unterscheidet sich nicht von der Behandlung anderer Wunden: Die Wundoberfl&auml;che soll bei jedem Verbandwechsel gr&uuml;ndlich gereinigt werden. Die Auswahl der Wundauflage ist abh&auml;ngig vom Wundheilungsstadium, der Exsudatmenge, Infektionszeichen und dem Vorliegen von Bel&auml;gen. Bei belegten Wunden sollte ein suffizientes Wunddebridement durchgef&uuml;hrt werden. Hyperkeratosen m&uuml;ssen dringend entfernt werden, da sie zu einer Druckbelastung f&uuml;hren. <br />&bdquo;Infektionen m&uuml;ssen rechtzeitig erkannt werden, doch das Ulkus ist per se keine Indikation f&uuml;r eine Antibiose&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Karrer. Zuvor sollte eine Gewebeprobe oder zumindest ein tiefer Wundabstrich in die Mikrobiologie zum Keimnachweis und zur Resistenzpr&uuml;fung gesandt werden. Bei leichten Infektionen werden Amoxicillin/Clavulans&auml;ure oder Clindamycin und Ciprofloxacin eingesetzt. <br />34 % der Diabetiker haben Onychomykosen, die damit deutlich h&auml;ufiger vorkommen als in der stoffwechselgesunden Bev&ouml;lkerung. Sie sind ein Risikofaktor f&uuml;r das diabetische Fu&szlig;syndrom und Wegbereiter f&uuml;r bakterielle Infektionen. Die Therapie wird wie bei Nichtdiabetikern durchgef&uuml;hrt, allerdings gibt es &ouml;fter Rezidive bei Diabetikern. Terbinafin ist f&uuml;r Diabetiker aufgrund des g&uuml;nstigeren Nebenwirkungsprofils besser geeignet als Itraconazol.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1804_Weblinks_s18_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="608" /></p> <h2>Ultima Ratio: Amputation</h2> <p>Vor jeder Amputation sollte ein gef&auml;&szlig;chirurgisches Konzil erfolgen und es sollten plastisch rekonstruktive Ma&szlig;nahmen erwogen werden, die einen Erhalt der Extremit&auml;t erm&ouml;glichen. Die Amputation sollte immer so peripher wie m&ouml;glich als sogenannte Grenzzonenamputation durchgef&uuml;hrt werden. Auch heute noch liegt die F&uuml;nfjahresmortalit&auml;t nach Amputation bei bis zu 70 % .</p> <h2>Seltene Ursachen chronischer Wunden</h2> <p>Der Ausdruck Ulkus beschreibt lediglich einen Substanzdefekt in pathologisch ver&auml;ndertem Gewebe und stellt f&uuml;r sich noch keine Diagnose dar. In circa 80 % der F&auml;lle besteht die Ursache in einer chronisch ven&ouml;sen Insuffizienz oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Diesem Defekt k&ouml;nnen aber auch &uuml;ber 100 unterschiedliche Differenzialdiagnosen zugrunde liegen, wozu u.a. Malignome, metabolische, h&auml;matologische und neurologische Erkrankungen geh&ouml;ren. <br />&bdquo;Vaskulitiden sind die Ursache von etwa 10 Prozent der Ulzera und damit die h&auml;ufigsten der seltenen Ursachen&ldquo;, sagte Prof. Karrer in ihrem Vortrag &uuml;ber seltene Ursachen von Wunden. Sie werden durch Infektionen, Paraprotein&auml;mien, Autoimmunerkrankungen und Medikamente ausgel&ouml;st. Bei Vaskulitiden kommt es prim&auml;r zu entz&uuml;ndlichen Erkrankungen der Gef&auml;&szlig;w&auml;nde, auf die H&auml;morrhagie, Gef&auml;&szlig;verschluss, Isch&auml;mie und Nekrose folgen. Zudem komplizieren bakterielle Superinfektionen oft das Bild. Klinisch imponiert neben den Nekrosen und sehr starken Schmerzen oft eine Livedo racemosa. <br />Aufschlussreich ist die Hautbiopsie, die optimalerweise 1&ndash;2 Tage nach dem ersten Auftreten erfolgen sollte. Bevorzugte Entnahmestelle ist die frische L&auml;sion oder der Randbereich einer Ulzeration. Es sollte ausreichend tief im Gewebe biopsiert werden und eventuell ist au&szlig;erdem die Gewinnung von Material f&uuml;r eine direkte Immunfluoreszenz sinnvoll. Klassische Beispiele f&uuml;r Systemerkrankungen mit assoziierten Vaskulitiden sind Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Sklerodermie und auch entz&uuml;ndliche Darmerkrankungen. <br />&bdquo;Wird ein Ulkus als therapierefrakt&auml;r bezeichnet, wurde h&auml;ufig die kausal relevante Ursache nicht diagnostiziert&ldquo;, so die Erfahrung von Prof. Karrer. In jeden Fall wird eine Therapie erst dann langfristigen Erfolg zeigen, wenn die konkrete Ursache feststeht und kausal behandelt werden kann.</p> <h2>Kontaktsensibilisierung &ndash; h&auml;ufige Komplikation beim Ulcus cruris</h2> <p>Eine beeintr&auml;chtigte Hautbarriere geh&ouml;rt zu den Faktoren, die zusammen mit einer genetischen Veranlagung der Ausbildung einer Kontaktallergie Vorschub leisten k&ouml;nnen. Die Kontaktallergie ist eine zellvermittelte Reaktion vom Typ IV, bei der auf eine prim&auml;re Sensibilisierung binnen 24&ndash;72h bei Allergen-Reexposition ein allergisches Ekzem entstehen kann. Die akute Phase ist gekennzeichnet von einem Erythem, das zu Erosionen und Krustenbildung neigt, beim chronischen Ekzem stehen neben dem Erythem Schuppung und Lichenifikation im Vordergrund. Zur Fehleinsch&auml;tzung anderer Erkrankungen als &bdquo;Kontaktekzem&ldquo; kommt es gar nicht selten. So werden z.B. Hautverletzungen, die durch das Abrei&szlig;en von Pflastern entstehen, &ouml;fter als Pflasterallergie gewertet. Kontaktsensibilisierungen kommen in der Allgemeinbev&ouml;lkerung in circa 10&ndash;20 % der F&auml;lle vor. Eine deutsche Untersuchung fand bei 55,6 % der eingeschlossenen Ulcus-cruris-Patienten mindestens eine Kontaktsensibilisierung. Interessanterweise war die Sensibilisierungsrate nicht von der Ursache oder umgebenden Ekzemen abh&auml;ngig, sondern davon, wie lange das Ulkus bestand. <br />Obenan bei den Ursachen standen PVP-Jod und Perubalsam. Neuerdings mehren sich auch die Berichte &uuml;ber Kontaktsensibilisierungen auf Kolophonium, das u.a. in vielen Hydrokolloidverb&auml;nden enthalten ist, und Propylenglykol, auch ein Bestandteil verschiedener Wundtherapeutika. Prof. Joachim Dissemond, Klinik f&uuml;r Dermatologie, Universit&auml;tsklinik Essen, erinnerte daran, dass die allergologische Testung bei Patienten mit chronischen Wunden und unklaren Ekzemen unbedingt zu einer differenzierten Diagnostik geh&ouml;rt. &bdquo;Die gezielte Epikutantestung ist eine der Bastionen der Dermatologie&ldquo;, so Dissemond. Nur nach eindeutiger Identifizierung kann die strikte Meidung der Allergene erfolgen. Er forderte abschlie&szlig;end unbedingt eine Deklaration von Allergenen, die in Wundtherapeutika verwendet werden.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI), Kurs „Update Wundmanagement“, 24. Juli 2018, München </p>
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